Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Transformation des Vergaberechts (Vergaberechtstransformationsgesetz – VergRTransfG) des BMWK I.
Stellungnahme05. November 2024
Datei herunterladenWir machen uns für eine Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik im Interesse der breiten Masse der abhängig Beschäftigten stark.
Wir als DGB setzen uns für eine Wirtschaftspolitik ein, die den Lebensstandard der abhängig Beschäftigten verbessert, sichere Arbeitsplätze mit guten Bedingungen schafft, sowie den gesellschaftlichen Wohlstand mehrt und zugunsten der Beschäftigten verteilt.
Gewerkschaftliche Wirtschaftspolitik zielt darauf, den ökologischen Umbau der Wirtschaft sozial zu gestalten, ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu stärken und Krisen abzuwehren. Dafür ist eine aktive, gestaltende Fiskal-, Industrie- und Dienstleistungspolitik zentral. Auch die Stärkung der Kaufkraft und der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage sind für uns wichtige wirtschaftspolitische Leitplanken.
Wir machen uns für Verteilungsgerechtigkeit stark und setzen uns für regulierende Eingriffe in Marktprozesse sowie die Zurückdrängung wirtschaftlicher Macht von einzelnen privaten Unternehmen ein.
Im Bereich der Steuerpolitik fordern wir eine Reform des Einkommensteuertarifs, die untere und mittlere Einkommen entlastet, sehr hohe Einkommen aber stärker in die Pflicht nimmt. Außerdem fordern wir die Vermögensteuer wieder zu erheben und Privilegien für Unternehmens-Erben bei der Erbschaftsteuer abzuschaffen.
Wir befürworten einen handlungsfähigen und modernen öffentlichen Sektor und kritisieren ungezügelte Privatisierungen. Aus unserer Sicht müssen private und öffentliche Investitionen ausgeweitet und die Schuldenbremse in Deutschland abgeschafft oder zumindest investitionsfreundlich reformiert werden.
Auch auf europäischer Ebene fordern wir mehr finanziellen Spielraum für Investitionen durch eine Reform der EU-Fiskalregeln. Außerdem machen wir uns für eine stärkere – demokratisch kontrollierte und sozial ausgerichtete – Koordinierung und Steuerung nationaler Wirtschaftspolitiken in der Eurozone stark. Wir vertreten die Ansicht, dass die einheitliche Geldpolitik einhergehen muss mit einer stärker koordinierten, aktiven Fiskalpolitik und anderen Maßnahmen, die eine Konvergenz der unterschiedlichen Volkswirtschaften befördern.
Wir machen uns für eine Wirtschaftspolitik stark, die der breiten Masse der abhängig Beschäftigten zugutekommt, für niedrige Arbeitslosigkeit sorgt und Vollbeschäftigung anstrebt. Sie sollte den Beschäftigten ein stabiles, wachsendes Einkommen und ein lebenswertes Umfeld ermöglichen.
Dazu braucht es nicht nur erfolgreiche Unternehmen und eine steigende Produktivität, sondern auch eine dauerhaft intakte Umwelt, ein gut ausgebautes System der öffentlichen Daseinsvorsorge sowie eine moderne öffentliche Infrastruktur mit starken Bildungs- und Gesundheitssystemen, einem guten Straßen- und Schienennetz und öffentlichen Verkehrsmitteln.
Eine gute Wirtschaftspolitik bekämpft Wirtschaftskrisen, etwa durch „automatische Stabilisatoren“, wie die Arbeitslosenversicherung, eine antizyklische Fiskalpolitik oder Instrumente wie die Kurzarbeit. Die Deregulierung der Finanzmärkte hat einschneidende Krisen und Unsicherheiten befördert und muss deshalb zurückgedrängt werden. Auch für andere Märkte gilt: Sie regulieren sich nicht selbst, sondern brauchen klare Leitplanken und Regeln, umnachhaltige und soziale Ergebnisse hervorzubringen.
Damit Wohlstand und gute Arbeitsplätze auch langfristig gesichert sind, muss eine fortschrittliche Wirtschaftspolitik die sozial-ökologische Modernisierung der Wirtschaft fördern. Mit einer aktiven Struktur-, Industrie- und Dienstleistungspolitik und öffentlichen Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Forschung kann eine solche Transformation gelingen. Gut ausgestattete Verwaltungen mit ausreichend gut ausgebildetem Personal können dazu beitragen, Planungsprozesse und somit wirtschaftliche Investitionen zu beschleunigen.
Die Finanzierung der staatlichen Aufgaben muss verlässlich gesichert und gerecht ausgestaltet werden. Wer mehr verdient oder hohes Vermögen hat, muss mehr beitragen. Statt Beschäftigte übermäßig zu belasten, müssen jene, die große Unternehmensgewinne beziehen oder Erbschaften in Millionenhöhe erhalten, in die Pflicht genommen werden. Investitionen in Infrastruktur, Anlagen und Gebäude werden sinnvollerweise über Kredite finanziert – schließlich werden sie über Jahrzehnte genutzt und kommen insbesondere künftigen Generationen zugute.
Schnell steigende Preise können zu untragbaren Belastungen führen – gerade bei Haushalten mit kleinen und mittleren Einkommen. Es ist deshalb notwendig, Inflation einzudämmen. Gefährlich ist aber auch eine deflationäre Entwicklung, die Investitionen und Wirtschaftsentwicklung hemmt und schwer zu überwinden ist. Deshalb, und weil zu hohe Zinsen die Wirtschaft bremsen und Arbeitslosigkeit befördern, muss die Zentralbank ihre geldpolitischen Schritte mit Bedacht und Vorsicht wählen. Ohnehin ist eine restriktive Geldpolitik nicht notwendigerweise das beste Mittel der Wahl, wenn es um die Bekämpfung der Inflation geht: Je nach Ursachen können Preiskontrollen und -deckel ebenfalls angemessene Mittel sein.
Deutschland ist in vielerlei Hinsicht von Ungleichheit geprägt: bei der Verteilung von Einkommen, bei der Verteilung von Vermögen, beim Zugang zu Bereichen der Daseinsvorsorge hier sowohl die infrastrukturelle Daseinsvorsorge als auch in Form von (Real-)Transfers, vor allem sind hier der Zugang zu Bildung, bezahlbaren Wohnraum oder die Gesundheitsversorgung zu nennen, aber auch Kultur- und Freizeiteinrichtungen oder der Mobilitätsbereich.
Seit der Jahrtausendwende hat sich das einkommensreichste Dezil stark von den restlichen Einkommensdezilen abgekoppelt. Während die Einkommen der unteren 2 Einkommensdezile kaum zulegten, stiegen die Einkommen der reichsten 10 Prozent bis 2019 um gut 40 Prozent.
Mitbestimmung, Tarifbindung und Mindestlohn sind entscheidende Faktoren, wenn es um die Verteilung zwischen Löhnen und Gehältern einerseits und Unternehmens- und Vermögenseinkommen andererseits geht. Aufgrund sinkender Tarifbindung kommen Tarifabschlüsse immer weniger Beschäftigten zu Gute. Um das zu ändern, hat der DGB die Tarifwende ausgerufen.
In Zeiten hoher Preissteigerungen braucht es neben guten Tarifabschlüssen, staatliche Entlastungsmaßnahmen, um die Einkommen der Menschen zu stabilisieren und die Konjunktur zu stützen.
Im Vergleich zu anderen Industriestaaten ist in Deutschland Vermögen besonders ungleich verteilt. Der Gini-Koeffizient, ein statistisches Maß für Ungleichheitsverteilungen, liegt für die Vermögensverteilung in Deutschland bei 0,8. Die reichsten 10 Prozent besitzen 60 Prozent des Gesamtvermögens in Deutschland; die ärmere Hälfte der Bevölkerung verfügt hingegen nur über knapp 2,5 Prozent. In Zeiten von Inflation werden vor allem vermögensärmere Menschen hart getroffen. Für sie können gestiegene Preise einen Vermögensabbau verursachen, wenn sie auf Spareinlagen zurückgreifen müssen, um höhere Rechnungen zu begleichen.
Die hohe Vermögenskonzentration ist ein Problem, weil sie eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt darstellt. In Ländern mit hoher Ungleichheit und Armut sinkt aufgrund geringerer Teilhabemöglichkeiten und Unsicherheit das Vertrauen in die Demokratie und ihre Institutionen. Gleichzeitig führen hohe Vermögen auch zu politischer Macht und Einfluss. Somit ist die hohe Vermögenskonzentration in verschiedener Hinsicht eine Gefahr unsere Demokratie.
Darüber hinaus zeigt sich, dass sehr hohe Vermögen zu selten für Investitionen in die Realwirtschaft genutzt werden, wie etwa für die Finanzierung des Gemeinwesens oder der Transformation. Stattdessen wird am Finanzmarkt spekuliert. Auch das ist schädlich, denn diese Finanzialisierung schadet einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung.
Wir fordern seit Jahren ein gerechteres Steuersystem und haben hierfür ein eigenes Konzept entwickelt, durch welches sehr hohe Einkommen und Vermögen gemessen an ihrer Leistungsfähigkeit mehr zum Allgemeinwesen beitragen und “Normalverdiener” entlastet werden.
Ziel des DGB-Steuerkonzepts ist es, Beschäftigte und ihre Familien zu entlasten und große Vermögen wieder stärker in die Verantwortung zu nehmen. Im Zentrum steht eine Reform der Lohn- und Einkommensteuer, um die Steuerzahler*innen angemessen und nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit zu beteiligen. Nach den Plänen des DGB müssten 95 Prozent der Steuerpflichtigen weniger zahlen und nur Spitzenverdiener*innen mehr. Dennoch würde die Einnahmebasis des Staates gestärkt – insgesamt um 60 Milliarden Euro – und die öffentliche Hand gewinnt mehr Handlungsspielraum.
Aus Sicht der Gewerkschaften muss sich ein zeitgemäßes Wettbewerbsrecht an Kriterien Guter Arbeit, wie Tarifbindung und Mitbestimmung, messen lassen. Nur so können ein Level Playing Field geschaffen und der Aspekt der sozialen Gerechtigkeit glaubwürdig in einer wettbewerbspolitischen Strategie integriert werden. Die Durchsetzung des Wettbewerbsprinzips darf nicht zu Lohndumping und der Vermeidung von Mitbestimmungs- und Arbeitsrechten sowie sozialen und Umwelt-Standards führen. Dies gilt auch für die Bereiche der Daseinsvorsorge und Infrastrukturen, in denen Privatisierung und Wettbewerb in der Vergangenheit oft zu einer schlechteren Versorgung und höheren Preisen geführt haben. Von diesen geht aber eine wesentliche Lenkungs- und Gestaltungswirkung aus. Deshalb muss diskutiert werden, ob und in welchen Sektoren sinnvoll reguliert werden kann, gerade auch angesichts der digitalen und sozial-ökologischen Transformation und dem Erreichen der damit verbundenen Zielstellungen.
Mit einer aktiven und v. a. mitbestimmten Industrie-, Dienstleistungs- und Klimapolitik gilt es die Transformation voranzutreiben. Erhalt und Aufbau von Wertschöpfung, Beschäftigung und Guter Arbeit müssen hierbei im Fokus stehen. Dies umfasst auch eine soziale Konditionierung von Maßnahmen. Deshalb sollte das Wettbewerbsrecht im Bereich der Fusionskontrolle, der Missbrauchsaufsicht und der Nachhaltigkeit um außerwettbewerbliche Kriterien erweitert werden. Nur so kann Wettbewerbspolitik den Herausforderungen der digitalen und sozial-ökologischen Transformation gerecht werden.
Die Beschäftigten und ihre Interessenvertretung sind entscheidend, um Marktmacht zu begrenzen und Marktgegenmacht zu organisieren. Das gilt ebenso für Soloselbstständige. Deshalb müssen ihre Interessen in wettbewerblichen Verfahren stärker berücksichtigt und verbindlich angehört werden. Das ist auch im Sinne Verbraucher*innen, denn so kann auch einer ausufernden Gewinn-Preis-Spirale entgegengewirkt werden.
Wir als DGB setzen uns für verbraucherpolitische Belange ein, um Verbraucher*innen vor überhöhten Preisen und qualitativ schlechten Produkten zu schützen. Beschäftigte sind Verbraucher*innen. Vor allem im Bereich der Finanzdienstleistungen ist die Qualität der Angebote für Verbraucher*innen kaum zu durchschauen. Hier braucht es transparente Regeln und ein entschiedenes Vorgehen gegen schwarze Schafe. In Zeiten stark steigender Energie- und Lebensmittelpreise ist es Aufgabe des Verbraucherschutzes darauf zu achten, worin sich die Preissteigerungen begründen und ob Entlastungen für die Anbieter an die Verbraucher*innen weitergegeben werden. Auf den genannten Feldern arbeiten wir eng mit verbraucherpolitischen Organisationen zusammen.
Auf europäischer Ebene setzen wir uns für eine nachhaltige Wirtschaftspolitik ein, die den sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhalt stärkt. Dazu gehört auch ein gut ausgestatteter EU-Haushalt, der Mitgliedstaaten in Krisenzeiten unterstützt und eine solidarische Finanzierung des sozial-ökologischen Umbaus unserer Wirtschaft ermöglicht.
Mit einer Vielzahl von Politikmaßnahmen und Empfehlungen gestalten die EU-Institutionen die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten. Ein zentraler Pfeiler ist die fiskalpolitische Koordinierung, in dessen Zentrum der Stabilitäts- und Wachstumspakt steht. Dieser setzt den Mitgliedstaaten enge Grenzen für die Haushaltsdefizite und die Staatsverschuldung. Wir machen uns für eine demokratisch kontrollierte und sozial ausgerichtete wirtschaftspolitische Koordinierung stark, die öffentliche Investitionen stärkt und eine unsoziale Sparpolitik verhindert.
Wir stehen zum Euro als gemeinsamer Währung, wenngleich die Währungsunion Konstruktionsfehler aufweist, die behoben werden müssen. Die Eurozone braucht eine Geldpolitik, die einerseits dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet ist, andererseits aber auch das wirtschaftliche Wachstum und die Beschäftigung fördert und die Stabilität der Währungsunion sichert.
Der Einfluss des Finanzsektors auf die europäische Wirtschaft ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Die zum Teil ungezügelte Macht von Finanzinvestoren befördert soziale Schieflagen in der Gesellschaft und hat Auswirkungen auf Beschäftigte und Unternehmen vor Ort. Aus unserer Sicht sollten Finanzmärkte eine dienende Funktion für die Realwirtschaft haben. Eine zentrale Voraussetzung dafür ist mehr Finanzmarkstabilität. Milliardenschwere Bankenrettungen auf Kosten der Steuerzahler*innen sind ungerecht und müssen verhindert werden. Der Macht von Finanzinvestoren müssen enge Grenzen gesetzt werden. Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, dass der Finanzsektor in der anstehenden sozial-ökologischen Transformation eine produktive Rolle spielt und privates Kapital gezielt in Unternehmen lenkt, die sozialen und ökologischen Nachhaltigkeitskriterien entsprechen.
Eine starke internationale Zusammenarbeit ist notwendig, um globale Herausforderungen wie den Klimawandel und den sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft zu bewältigen. Nur multilateral können das Prinzip der Gleichberechtigung aller Staaten realisiert und weltweit gleichwertige Regeln geschaffen werden. Die Globalisierung wurde jedoch in der Vergangenheit zu wenig politisch gestaltet und führte deshalb zu Wettbewerbsdruck, auch auf soziale und ökologische Standards sowie auf Menschenrechte. Die Verankerung und effektive Durchsetzung von internationalen Übereinkommen wie dem Pariser Klimavertrag und der internationalen Menschenrechte inklusive der Kernarbeitsnormen der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) können dem entgegenwirken.
Diese menschenrechtlichen, sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen müssen effektiv durchsetzbar sowie sanktionierbar sein und für alle Arten wirtschaftlicher Partnerschaften gelten – von europäischen bi- und plurilateralen Handels- und Investitionsabkommen über nationale und europäische Partnerschaften jeglicher Art (zum Beispiel Rohstoffpartnerschaften, Wasserstoffpartnerschaften, Energiepartnerschaften) sowie im Rahmen von Außenwirtschaftsförderinstrumenten wie z. B. Investitionsbürgschaften. Ziel dabei muss sein, Gute Arbeit, Nachhaltigkeit, klimaneutrales Wirtschaften und den Aufbau eigener Wertschöpfung auch in den Partnerländern zu unterstützen und gemeinsam mit den Akteuren voranzutreiben.
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