Schichtarbeit und Nachtarbeit
Zahl der Beschäftigte mit belastenden Arbeitszeiten stark gestiegen
Polizei, Rettungsdienste, Industrie: In vielen Branchen wird rund um die Uhr gearbeitet. Für die Beschäftigten bedeutet das: Schichtdienste und Nachtarbeit. Unser Überblick zeigt dir die verschiedenen Modelle in der Schichtarbeit, die rechtlichen Grundlagen und gesundheitliche Auswirkungen. Außerdem: Was der Betriebsrat tun kann und welche Mitspracherechte er bei Schichtarbeit im Betrieb hat.
In den letzten Jahren haben sich belastende Arbeitszeiten stark ausgebreitet. Spätschichten, Nacht- und Wochenendarbeit gehören für immer mehr Beschäftigte zum Joballtag. Das zeigt ein Blick auf die Zahlen: 1992 arbeiteten 15,5 Prozent der Beschäftigten abends zwischen 18 und 23 Uhr, 2016 waren es schon 25,2 Prozent.
Auch die Zahl der Beschäftigten in Schichtarbeit stieg zwischen 1992 bis 2016: von 11,5 auf 17,4 Prozent.
Für die Beschäftigten und ihre Familien wirken sich Schichtarbeit und Nachtarbeit unmittelbar auf das Privatleben aus:
- Der frühe Morgen, der späte Nachmittag und die Wochenenden sind für Eltern besonders wichtig – im Schichtdienst sind das häufig Arbeitszeiten.
- Privatleben und Familie sind oft mühsam auf den Schichtplan abgestimmt. Kurzfristige Änderungen bringen das austarierte Konstrukt schnell ins Wanken.
- Auch das Sozialleben leidet unter wechselnden Arbeitszeiten, weil Chorproben, Sport und Volkshochschulkurse feste Termine haben.
- Rand- und Nachtschichten sind oft dünn besetzt. Fällt jemand aus, gibt es schnell Stress.
Schichtarbeit: Von Wechselschicht bis Vollkonti
Diese Modelle von Schichtarbeit gibt es
Normalarbeitszeit
Im Arbeitsschutz wird die Normalarbeitszeit mit 8 Stunden pro Tag definiert, unabhängig von der Lage der Arbeitszeit (wochentags oder am Wochenende, tagsüber oder nachts).
Schichtarbeit
Schichtarbeit liegt dann vor, wenn sich mehrere Beschäftigte an einem Arbeitsplatz nach geregelter zeitlicher Reihenfolge abwechseln, sagt das Bundesarbeitsgericht. Schichtarbeit zählt zu den atypischen Arbeitszeitformen.
Wechselschicht
Die Wechselschicht ist eine besondere Form der Schichtarbeit. Beschäftigte arbeiten immer wieder zu unterschiedlichen Zeiten. Sie wechseln regelmäßig zwischen Frühschicht, Spätschicht, Nachtschicht. Der Wechsel folgt einem bestimmten Rhythmus und ist dauerhaft so angelegt.
2-Schicht-Modell / Zweischichtbetrieb
Das Unternehmen arbeitet in 2 Schichten. Beim 2-Schicht-Modell gibt es in der Regel eine Frühschicht und eine Spätschicht zu je 8 Stunden.
3-Schicht-Modell / Dreischichtbetrieb
Hier wird in der Regel rund um die Uhr gearbeitet, 24 Stunden am Tag. In der Regel gibt es Frühschicht, eine Spätschicht und eine Nachtschicht mit je 8 Stunden Arbeitszeit.
4- oder 5-Schicht-Modell / Vierschicht- oder Fünfschichtbetrieb
4- oder 5-Schichtmodelle können zum Einsatz kommen, wenn in Tarifverträgen Arbeitszeiten geregelt sind, die in einem “Vollkonti-Schichtsystem” mit einem 3-Schicht-Modell nicht umsetzbar sind.
Vollkonti-Schichtsystem
“Vollkonti” ist die Abkürzung für “vollkontinuierliches Schichtsystem”. Bei vollkontinuierlichen Schichtsystemen wird in einem Betrieb rund um die Uhr (24 Stunden pro Tag) an 7 Tagen in der Woche gearbeitet. Das betrifft zum Beispiel Krankenhäuser, Pflegedienste, Rettungsdienste, Berufsfeuerwehren und die Polizei, aber auch Industriebetriebe.
Nachtarbeit
So definiert das Gesetz Nachtarbeit
Der Begriff "Nachtarbeit" ist gesetzlich genau definiert. Die Grundregeln sind durch das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) festgelegt. Die wichtigsten Punkte:
- Auch bei Nachtarbeit darf die tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden nicht überschritten werden. In Ausnahmefällen sind bis zu 10 Stunden möglich.
- Menschen, die nachts arbeiten, haben einen Anspruch auf regelmäßige und kostenlose medizinische Untersuchungen.
- Der Arbeitgeber muss – unter bestimmten Voraussetzungen – den Nachtarbeitsplatz auf Wunsch in einen Tagesarbeitsplatz umwandeln, wenn bestimmte Gründe vorliegen. Diese Gründe können zum Beispiel sein:
- Die Gesundheit des oder der Beschäftigten ist gefährdet;
- ein Kind muss betreut werden;
- ein Angehöriger muss gepflegt werden.
- Für Nachtarbeit muss es einen Ausgleich geben, entweder finanziell oder als Freizeit.
- Nachtarbeiter müssen dieselben Karriere- und Bildungschancen haben wie Tagesarbeiter*innen.
Nachtarbeit im öffentlichen Dienst
Für die Tarifbeschäftigten im öffentlichen Dienst ist der Ausgleich für Arbeit in Schicht- und Wechselschicht im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) geregelt (§§ 8, 27).
Beamt*innen erhalten einen Ausgleich gemäß den Urlaubs-, Arbeitszeit- und Erschwerniszulagenverordnungen. Diese sind im Bund und in den Bundesländern unterschiedlich geregelt.
Gesundheitsrisiken Schichtarbeit und Nachtarbeit
Macht Schichtarbeit krank?
Die Schichtarbeit bringt den Körper aus dem Takt
Arbeit in Wechselschicht wirkt sich negativ auf das Wohlbefinden und die Gesundheit aus. Die Beschäftigten müssen zeitverschoben schlafen, essen und arbeiten. Doch viele Körperfunktionen folgen einem festen natürlichen Rhythmus, der sich unter anderem an der Tageszeit und dem Sonnenlicht orientiert. Deshalb kann sich der Körper an die Nachtarbeit nicht vollständig anpassen.
Die Folge: Der Körper kommt aus dem Takt. Das führt häufig zu Problemen beim Einschlafen, auch der Schlaf selbst kann gestört sein, es kommt zu Durchschlafstörungen. Außerdem wird der Schlaf tagsüber, nach einer Nachtschicht, eher durch Lärm und Licht gestört als bei Nacht. Der Schlaft fällt oft kürzer aus und ist weniger erholsam.
Kann Schichtarbeit zu Depression führen?
Erschöpfung duch Schichtarbeit steigert das Risiko für Depressionen
Die Forschung hat die gesundheitliche Belastung durch Nacht- und Schichtarbeit immer wieder bestätigt. Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zeigt: das aufgelaufene Schlafdefizit und die geringere Erholsamkeit des Schlafs führen zu Erschöpfung (siehe Grafik) . Langfristig kann sich das in einem Burnout äußern. Auch das Risiko für depressive Stimmungslagen, Angststörungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt.
Andere Studien zeigen, dass das Unfallrisiko in der Nachtschicht deutlich höher ist und bei mehreren aufeinanderfolgenden Schichten noch weiter ansteigt. Hauptursache auch hier: Erschöpfung.
Gesundheitsbeschwerden durch Schichtarbeit und Nachtarbeit
Unter welchen Belastungen leiden Nacht- und Schichtarbeiter*innen?
Die Gesundheit leidet durch Schichtarbeit und Nachtarbeit
Menschen, die in Nacht- oder Wechselschicht arbeiten, berichten deutlich häufiger von gesundheitlichen Beschwerden als andere. Typisch sind Rücken- und Kreuzschmerzen, Müdigkeit und Erschöpfung sowie Schlafstörungen.
Außerdem schätzen Schichtarbeiter*innen ihre gesundheitliche Verfassung insgesamt schlechter ein – vor allem dann, wenn sie dieser Belastung über Jahre hinweg ausgesetzt sind. Auffällig ist zum Beispiel, dass ältere Beschäftigte im Schichtdienst einen schlechteren Gesundheitszustand aufweisen und häufiger unter Schlafstörungen leiden als gleichaltrige Beschäftigte mit regulären Arbeitszeiten.
Was ist nötig für gesunde Nacht- und Schichtarbeit?
Schichtarbeit muss sich dem Menschen anpassen
Die gesundheitlichen Probleme, unter denen viele Nacht- und Schichtarbeiter*innen leiden, deuten darauf hin, dass es unmittelbar nach der Belastung keine ausreichenden Erholungsphasen gibt. Und auch Zeit für soziale Kontakte fehlt: Die Abendstunden oder das Wochenende werden durch die Schichten regelmäßig besetzt. Das stört massiv das Zusammenspiel von Arbeit und Privatleben, die Work-Life-Balance.
Die Beschäftigen müssen also entlastet werden, getreu dem ergonomischen Leitbild: Die Arbeit hat sich an den Menschen anzupassen, nicht der Mensch an die Arbeit.
Wie also muss Schichtarbeit organisiert sein, damit sie die Beschäftigten so wenig wie möglich belastet?
- Einsätze müssen vorhersehbar sein. Denn die freien Abende und Wochenenden sind das A und O für die Vereinbarkeit von Schichtarbeit mit dem Privatleben.
- Wahlmöglichkeiten für die Schichten und sowie variable Anfangs- und Endzeiten sind hilfreich.
- Beschäftigte brauchen Flexibilität bei der Planung. Tauschbörsen, Schichtdoodle, teamübergreifende Vertretungen, Gleitzeiten und und und … geben die notwendige Flexibilität.
- Es darf möglichst nie jemand aus dem “Frei” geholt werden. Dafür muss der Arbeitgeber die Schichtdienste entsprechend planen. Wenn es aber doch passiert, dann muss es teuer für den Betrieb werden.
- Auch für die belastenden Nachtstunden sollte es einen Springerpool geben.
- Maximal 3 Nachtschichten sollten hintereinander folgen. So empfiehlt es die Arbeitswissenschaft. Die Schichtfolge “Früh–Spät–Nacht” ist dabei besser als die umgekehrte Reihenfolge “Nacht–Spät–Früh”.