DGB-Thesen zur Weiterbildung: 11 Wegmarken für eine Architektur lebensbegleitenden Lernens
Positionspapier26. April 2023
Datei herunterladenDie Arbeitswelt verändert sich. Wer sich weiterbildet, kann besser mithalten. Dafür brauchen wir gute Angebote, Zeit und finanzielle Unterstützung.
Ob Digitalisierung oder Klimaschutz: Unsere Arbeitswelt verändert sich. Wer sich weiterbildet, kann besser mithalten. Damit alle Menschen die Chance dazu haben, braucht es gute Angebote, Zeit und finanzielle Unterstützung. Mehr dazu erfährst du hier.
Digitalisierung , Mobilitätswende, Klimaschutz : Im Zuge der aktuellen Transformation ändern sich Anforderungen und Aufgaben im Berufsleben vieler Menschen. Auf dem Laufenden bleibt, wer sich entsprechend weiterbildet . Viele aber fragen sich: Kann ich mir das leisten? Wer trägt die Kosten für eine Weiterbildung? Welche Arten von Weiterbildung gibt es? Ist mein Arbeitgeber verpflichtet, Bildungsurlaub zu gewähren?
Wir als DGB fordern, jede*r soll ein Recht auf Weiterbildung haben. Doch dies allein reicht nicht. Es braucht kluge Rahmenbedingungen, die dafür sorgen, dass alle genügend Zeit, den gleichen Zugang und ausreichend finanzielle Unterstützung bei einer Weiterbildung erhalten. Denn das erhöht nicht nur die Chancengleichheit, sondern auch die Durchlässigkeit auf sozialer Ebene (von unten nach oben) sowie auf beruflicher Ebene (breiterer Tätigkeitsbereich). Wir finden, das neue Weiterbildungsgesetz ist ein guter Anfang. Es muss aber noch einiges nachgebessert werden.
Recht auf Weiterbildung für alle:
Wir fordern einen gesetzlichen Rechtsanspruch, der eine Weiterbildung garantiert – unabhängig von der Zustimmung des Arbeitgebers oder staatlichen Institutionen.
Einführung eines Freistellungsanspruches:
Damit mehr Menschen an Weiterbildungen teilnehmen können, fordern wir einen Anspruch auf Freistellung für die Dauer einer Weiterbildung.
Transparente Finanzierungsstruktur:
Wir finden: Wer sich weiterbilden will, muss besser gefördert werden – ohne, dass finanzielle Einbußen entstehen. Für Arbeitslose oder Menschen, die ihren Abschluss nachholen, sollen Weiterbildungen kostenlos sein. Zu einer verbesserten finanziellen Förderung gehören für uns:
- die Einführung der Bildungszeit und Bildungsteilzeit
- die Ausweitung des Aufstieg-BaföG
- die Verankerung der Weiterbildungsförderung etwa in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen.
Erleichterter Zugang zu Weiterbildungen:
Der Zugang zu Weiterbildungen soll erleichtert werden. Dafür müssen bürokratische Hürden abgebaut und die Mitbestimmung der Beschäftigten und Betriebsräte bei Weiterbildungen gestärkt werden. Dadurch sollen eigenständige Entwicklungswege gestärkt werden.
Berufserfahrung und ausländische Abschlüsse leichter anerkenne:
Beschäftigte haben häufig bereits Berufserfahrung oder ausländische Abschlüsse. Beides muss durch Anerkennungs- und Validierungsverfahren besser sichtbar gemacht werden.
Mehr Transparenz über Weiterbildungsangebote und ein klarer Qualifikationsrahmen:
Beschäftigte sollen eine bessere Übersicht bekommen, zum Beispiel durch Berufslaufbahnkonzepte, die Aus- und Weiterbildung verzahnen. Außerdem fordern wir für klare Regeln ein Gesetz zum Deutschen Qualifikationsrahmen.
26. April 2023
Datei herunterladenDer Arbeitsmarkt wandelt sich kontinuierlich und gravierend. Das wirkt sich auch auf unser Berufsleben aus. So verändern sich gängige Tätigkeits- und Qualifikationsprofile, neue Arbeitsbereiche entstehen oder Berufsbilder verschwinden. Deshalb ist lebenslanges Lernen für Beschäftigte heute wichtiger denn je.
In vielen europäischen Staaten wurde das längst erkannt und Weiterbildungen sind dort sehr gefragt: In Schweden nehmen bei Fortbildungen derzeit 4-mal so viele Teilnehmer*innen teil wie in Deutschland. Auch in Ländern mit vergleichbaren Aus- und Weiterbildungssystemen wie etwa Österreich oder Schweiz nehmen prozentual deutlich mehr Menschen an Weiterbildungen teil.
Ein gutes Bildungsniveau während des gesamten Arbeitslebens wird künftig immer wichtiger: für einen sicheren Job, für die berufliche Entwicklung und auch für gesellschaftliche Teilhabe. Laut der Bundesagentur für Arbeit sind gering qualifizierte Menschen – ohne anerkannten Berufsabschluss – häufiger arbeitslos als Menschen mit Berufsschulabschluss. Auch die meisten Geflüchteten sind in Deutschland noch immer unterhalb ihrer im Ausland erworbenen Qualifikation beschäftigt. Und das, obwohl die Zahl der qualifiziert Erwerbstätigen unter den geflüchteten Menschen mit ihrer Aufhaltsdauer in Deutschland steigt. Weiterbildungen sind ein Weg, beruflich einzusteigen, um- oder aufzusteigen.
Weiterbildungen helfen Unternehmen aber auch, Fachkräfte zu sichern. Schon in wenigen Jahren wird es immer weniger Arbeitskräfte geben. Ein Blick in die Zukunft zeigt: Die Zahl der Erwerbstätigen schrumpft bis 2060 voraussichtlich um rund 5 Millionen.
Noch hängt das Weiterbildungsangebot hierzulande von der Unternehmensgröße ab. Während rund die Hälfte der eher kleinen Firmen (10–19 Beschäftigte) Fortbildungen anbieten, sind es bei großen Unternehmen mit über 1.000 Beschäftigten fast alle (95 Prozent). Derzeit nutzen vor allem jüngere Menschen diese Angebote, und zwar Frauen wie Männer gleichermaßen.
Wir halten den Schlüssel zur Bekämpfung des Fachkräftemangels selbst in der Hand. Es ist die Berufsbildung, die Ausbildung und die berufliche Weiterbildung.
Wer beruflich durchstarten will, hat diverse Möglichkeiten: von der Umschulung über den Lehrgang, bis hin zum Meister- oder Sprachkurs. Wir unterscheiden zwischen betrieblicher und beruflicher Weiterbildung:
Wir sagen: Alle Menschen sollen die Transformation meistern können. Dafür braucht es ein Recht auf Weiterbildung inklusive staatliche Unterstützung. Wie das gelingen kann, erklärt dieses Beispiel:
Mehmet arbeitet seit 20 Jahren in der Automobilindustrie. Doch die Branche ist im Umbruch: neue Autos werden klimafreundlicher und digitaler. Deshalb braucht Mehmet neue Qualifikationen. Gut, dass es inzwischen ein Recht auf Weiterbildung gibt. Er lässt sich von der Arbeitsagentur, seinem Betriebsrat und der Personalabteilung beraten und entscheidet sich für eine berufliche Fortbildung in Teilzeit zum “Industriemeister Metall”. Mehmet wird für die Weiterbildung bei seinem Arbeitgeber freigestellt, darf aber jederzeit auf seinen aktuellen Vollzeitarbeitsplatz zurückkehren. Die Kosten für die Weiterbildung werden über das Aufstiegs-BAföG als Darlehen finanziert. Davon muss Mehmet später nur die Hälfte zurückzahlen. Ein Teil seiner Gehaltseinbußen wird vom Staat ausgeglichen. Nach 2 Jahren besteht Mehmet seine Prüfung und arbeitet nun wieder in Vollzeit: in einer Position mit mehr Verantwortung, mehr Sicherheit und guten Zukunftsaussichten.
Wenn aus der Vorlage der Bundesregierung ein Qualifizierungs-Booster werden soll, muss das von den Gewerkschaften eingeforderte Qualifizierungsgeld jetzt auch von vielen Betrieben und Unternehmen genutzt werden. Nichtstun geht nicht, wenn Arbeitsplätze und Wohlstand gesichert werden müssen – und gleichzeitig die Klimawende geschafft werden muss.
Das neue Weiterbildungsgesetz ist seit April 2024 vollständig in Kraft. Es enthält unter anderem ein gesondertes Qualifizierungsgeld und die Verbesserungen der bestehenden Beschäftigtenförderung.
Wir begrüßen die Einführung des Qualifizierungsgeldes und den erleichterten Zugang zur Beschäftigtenqualifizierung, da bisherige Fördervoraussetzungen wegfallen und es nun feste Fördersätze und 3 Betriebsgrößenklassen gibt.
Jetzt sind die Unternehmen gefragt, diese verbesserten Möglichkeiten auch zu nutzen und die Weiterbildung gemeinsam mit den Betriebs- und Sozialparteien voranzubringen. Wir bedauern jedoch die Streichung der Bildungs(teil)zeit aus dem Gesetzesvorhaben. Damit die funktioniert, muss die Förderdauer an die Weiterbildungsdauer angepasst werden – und zwar bis zum Abschluss. Zudem braucht es nach unserer Meinung einen Mindestbetrag für den Lebensunterhalt Geringverdienender und einen Freistellungsanspruch für die Beschäftigten.
Um die Anforderungen am Arbeitsmarkt bewältigen zu können, unterstützt die Bundesagentur für Arbeit sowohl Unternehmen als auch die Belegschaft mit geförderten Qualifizierungen. Diese Maßnahmen sollen Beschäftigten helfen, neue oder veränderte Aufgaben übernehmen zu können. Neben einer ausführlichen Beratung bieten die Agenturen für Arbeit Zuschüsse zum Gehalt und zu den Lehrgangskosten sowie besondere Leistungen für Menschen mit Behinderung. Zudem gibt es für Geringqualifizierte besondere Unterstützungs- und Fördermöglichkeiten. Ziel ist es, diesen Menschen eine Qualifizierung bis hin zum Berufsabschluss zu ermöglichen. Bisher wird die Beschäftigtenqualifizierung nur selten genutzt und muss aus unserer Sicht viel bekannter gemacht werden.
Neben Digitalisierung und demographischem Wandel verändert auch der Klimaschutz die Arbeitswelt: je nach Branche und Unternehmensgröße für einige mehr als für andere. Viele sorgen sich um ihren Job und haben Zukunftsangst. Weiterbildungen helfen, diese abzubauen. Denn sie bieten die Chance, Beschäftigte für zukünftige Herausforderungen zu qualifizieren. Da aber große Betriebe eher Weiterbildungen anbieten als kleinere Unternehmen, sind die Bedingungen für Beschäftigte noch sehr ungleich. Unser DGB-Index Gute Arbeit zeigt: Jede*r 5. Beschäftigte in Deutschland erlebt Veränderungen am Arbeitsplatz, die mit Klimaschutz verbunden sind. Und je stärker die Auswirkungen spürbar sind, desto ausgeprägter sind die Zukunftssorgen. Weiterbildungsmöglichkeiten machen hier den Unterschied: Denn gibt es umfassende Angebote, empfinden Beschäftigte seltener Zukunftsangst, als dort wo keine betriebliche Weiterbildung möglich ist. Das zeigt: Weiterbildungen sind ein Schlüssel für eine erfolgreiche sozial-ökologische Transformation.
In den meisten Bundesländern (außer in Bayern und Sachsen) haben Beschäftigte einen gesetzlichen Anspruch auf bezahlten Bildungsurlaub, auch bekannt als Bildungsfreistellung oder Bildungszeit. Das ist vom Arbeitgeber gewährter Urlaub zusätzlich zum regulären Urlaubsanspruch für eine Weiterbildung. Dabei muss der Inhalt der Fortbildung nicht zwangsläufig mit der beruflichen Tätigkeit in Verbindung stehen. In der Regel beläuft sich der Anspruch auf 5 Tage Bildungsurlaub pro Jahr bzw. 10 Tage in 2 Jahren.
Ob Meister*in, Fachwirt*in, Techniker*in, Erzieher*in oder Betriebswirt*in: Das Aufstiegs-BAföG (Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz – AFGB) unterstützt die Vorbereitung auf mehr als 700 Fortbildungsabschlüsse.
Egal wie alt du bist: Gefördert werden alle, die zur Fortbildungsprüfung oder zur Fachschule zugelassen sind. Da der angestrebte Abschluss über dem Niveau einer Facharbeiter-, Gesellen- und Gehilfenprüfung oder eines Berufsfachschulabschlusses liegen muss, ist meist eine fertige Erstausbildung notwendig. Gefördert werden Voll- und Teilzeitmaßnahmen, Fernlehrgänge oder mediengestützte Lehrgänge. Willst du dich persönlich beraten lassen? Dann findest du hier auf der Infoseite zum Aufstiegs-BaFöG die richtigen Anlaufstellen.
Das Qualifizierungsgeld ist eine Förderleistung (§ 82a SGB III), die an das Kurzarbeitergeld angelehnt ist. Qualifizierungsgeld erhalten Beschäftigte während einer beruflichen Weiterbildung von der Agentur für Arbeit. Es soll Unternehmen und Belegschaften unterstützen, Arbeitsplätze im Strukturwandel zu sichern.
Die Nationale Weiterbildungsstrategie (NWS) ist eine Plattform, die seit 2019 besteht. Die Plattform hat das Ziel, die Weiterbildungspolitik und -aktivitäten von Bund, Ländern, Wirtschaft, Gewerkschaften und der Bundesagentur für Arbeit besser aufeinander abzustimmen und miteinander zu verzahnen. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften GEW, IG BCE, IG Metall und ver.di sind von Beginn an bei der NWS beteiligt.
Mit mehr als 170 Mitarbeitenden bieten wir als DGB in unseren eigenen Tagungs- und Bildungszentren ein umfassendes Bildungsangebot. Hier qualifizieren wir z. B. Betriebsräte, Personalräte und Schwerbehindertenvertretungen für ihre Aufgaben und vermitteln nötige Kenntnisse für die Mitgestaltung wirtschaftlicher, rechtlicher, sozialer und politischer Veränderungsprozesse. Hier schulen wir aber auch Menschen, die sich in der Arbeitswelt zu Migration und Gleichberechtigung engagieren wollen.
Deshalb ist es wichtig, dass wir die berufliche Bildung endlich wieder als Herz für unser Sozial- und Wirtschaftsmodell begreifen.
Wir als DGB wollen, dass sich Deutschland sozial, ökologisch und demokratisch zum Besseren verändert. Weiterbildung ist ein Schlüssel für eine sozial gerechte Transformation. Die Fortsetzung der Nationalen Weiterbildungsstrategie hilft dabei. Denn es ist wichtig, Weiterbildung fest in die berufliche und unternehmerische Entwicklung zu etablieren. Noch hemmen fehlende Finanzierung und Zeit viele Menschen daran, eine Fortbildung zu machen. Das muss sich ändern. Wie? Etwa indem die Weiterbildungsförderung ausgeweitet, der Zugang zu den Angeboten erleichtert und eine bundesgesetzliche Freistellungsregelung wie Bildungsteilzeit eingeführt wird. Dafür setzen wir uns auf politischer Ebene ein. Zugleich unterstützen wir Betriebs- und Personalräte, bereits vorhandene Weiterbildungsmöglichkeiten zu verbessern. Wir sagen, alle Menschen müssen künftig die Chance haben, sich durch Fortbildungen beruflich abzusichern, zu entwickeln oder aufzusteigen. Das reduziert nicht nur den Fachkräftemangel, sondern sorgt auch in Zukunft für die nötige Wirtschaftskraft.
31. März 2022
Datei herunterladenklartext Nr. 30/2024
News21. Oktober 2024
Artikel lesenElke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende
Statement11. Oktober 2024
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Pressemitteilung30. August 2024
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