Kompakt 02/2024: "Verbreitete Unsicherheit"
Sonderauswertung DGB-Index Gute Arbeit
Studie / Analyse26. Juli 2024
Datei herunterladenSo gelingt es: Wir brauchen einen einfacheren Zugang zum Arbeitsmarkt, gute Arbeitsbedingungen und eine Willkommenskultur.
Unternehmen klagen über Fachkräfteengpässe. Einwanderung kann einen wichtigen Beitrag leisten, Fachkräftelücken zu füllen. Entscheidend sind ein einfacherer Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt, gute Arbeitsbedingungen und eine tatsächliche Willkommenskultur.
Die deutsche Wirtschaft ruft nach Arbeits- und Fachkräften aus dem Ausland. Dabei herrscht bei uns kein allgemeiner Arbeitskräftemangel, insbesondere nicht bei Tätigkeiten mit geringer Qualifikation. Vielmehr sind es bestimmte Branchen, in denen es ernste Fachkräfteengpässe gibt. Benötigt werden z. B. Pflegekräfte, die unsere immer älter werdende Bevölkerung versorgen, Handwerker*innen, die bei der Umsetzung der Energiewende helfen, oder Software- und IT-Profis für die zunehmend digitale Welt. Ursachen für Fachkräfteengpässe sind oft unattraktive Arbeitsbedingungen – am Beispiel der Pflege ist dies gut belegt.
Klar ist schon jetzt: Es wird nicht ausreichen, unsere inländischen Potenziale am Arbeitsmarkt zu aktivieren. Zwar können wir dafür sorgen, dass mehr ältere Menschen, Frauen oder bereits hier lebende Asylbewerber*innen in Arbeit kommen und dass mehr ausgebildet wird. Auch können wir Weiterbildung fördern und so vermeiden, dass Menschen arbeitslos werden, weil ihre Qualifikationen nicht zum Bedarf auf dem Arbeitsmarkt passen. Die Fachkräftelücke ist aber größer. Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigen: Der jährliche Bedarf an Nettoeinwanderung insgesamt liegt bei 400.000 Menschen. Ausländische Fachkräfte können diese Lücke füllen. Sie stärken unsere Wirtschaft und sichern den Wohlstand von uns allen. Denn die Herausforderungen der Arbeitswelt sind riesig, z. B. durch die Digitalisierung oder den notwendigen Umbau zum klimaneutralen Wirtschaften.
Fachkräfteeinwanderung braucht jedoch die richtigen Grundlagen und Anreize. Menschen, die ihr Heimatland verlassen, sollen gern zu uns kommen und dauerhaft bleiben wollen. Nur dann haben beide Seiten etwas davon. Wichtig sind vor allem bessere Arbeitsbedingungen in den betroffenen Jobs. Dies sind wir den eingewanderten Menschen schuldig, die diese wichtigen Arbeiten übernehmen. Nur wenn das gelingt, ist Deutschland als Einwanderungsland für Fachkräfte attraktiv.
"Arbeit ist für einwandernde Menschen ein Integrationsmotor – ganz besonders, wenn sie zu guten Bedingungen und guten Löhnen stattfindet. Leider landen Menschen mit Migrationshintergrund immer noch überproportional oft in schlechten und unsicheren Arbeitsverhältnissen mit niedrigen Löhnen. Wer mehr Integration will, wer Fachkräfte für den Arbeitsmarkt gewinnen will, der setzt auf Qualifizierung, Spracherwerb und Gute Arbeit für Menschen mit Migrationsgeschichte.“
Unser Land profitiert von den Menschen, die zum Arbeiten zu uns kommen. Doch auch zugewanderte Arbeits- und Fachkräfte brauchen gute Arbeitsbedingungen. Sie müssen auf dem Arbeitsmarkt genauso behandelt werden wie inländische Arbeitnehmer*innen. Dazu gehört allem voran mehr Tarifbindung mit Tarifvertrag. Das garantiert, dass Zugewanderte nicht in schlecht bezahlten Jobs zu Dumpinglöhnen festhängen – und leistet einen wichtigen Beitrag zur Integration.
Die Grundregel für alle Beschäftigten, egal welcher Herkunft und mit welchem Pass, muss lauten: Gleiche Entlohnung am gleichen Ort für die gleiche Tätigkeit. Die Realität sieht leider anders aus: Fast ein Drittel (32 Prozent) der Zugewanderten, die hier in Vollzeit arbeiten, erhält nur einen Niedriglohn. Dieser Anteil ist damit doppelt so hoch wie bei deutschen Staatsbürger*innen. Das zeigen aktuelle Daten der Bundesagentur für Arbeit. Doch Migrationshintergrund darf kein Niedriglohnrisiko sein! Vor allem die prekären Arbeitsbedingungen, unter denen z. B. Saisonarbeiter*innen massenhaft leiden, müssen eingedämmt werden.
Menschen mit Migrationshintergrund sind in Deutschland besonders häufig von atypischen und prekären Beschäftigungsmerkmalen betroffen. Vor allem Arbeitnehmer*innen mit eigener Zuwanderungserfahren arbeiten häufig mit befristeten Verträgen, geringen Einkommen und in sogenannter "Einfacharbeit". Das zeigt eine Auswertung des DGB-Index Gute Arbeit.
Zugewanderte Menschen arbeiten häufiger in unsicheren und schlecht bezahlten Jobs. Warum eigentlich?
Unsichere und schlecht bezahlte Arbeit verschlimmert diese Probleme und verstärkt sie. Ein Beispiel: Viele Menschen sind zeitlich, körperlich oder psychisch durch ihre Arbeit oder schlechte Wohnsituation in Beschlag genommen. Daher fehlt ihnen Zeit und Energie, Freundschaften und Bekanntschaften aufzubauen. Das wiederum erschwert es ihnen, richtig Deutsch zu lernen. Geringe Sprachkenntnisse machen es aber wahrscheinlicher, dass sie eine unsichere Beschäftigung annehmen oder wenig Geld verdienen. Ein Teufelskreis entsteht.
Werden Qualifikationen nicht, nur teilweise oder verzögert anerkannt, verschlechtern sich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls. Auch das macht abhängig von unsicherer oder schlecht bezahlter Arbeit. Hinzu kommen Beschäftigungsformen, die es besonders schwer machen, Rechtsverstöße zu erkennen und die Rechte von Arbeitnehmer*innen durchzusetzen. Dazu gehören z. B. Scheinselbstständigkeit, lange Subunternehmensketten oder die Beteiligung mehrerer Vermittlungsagenturen. Mehr darüber erfährst du auch in der Studie „Prekäre Beschäftigung – prekäre Teilhabe. Ausländische Arbeitskräfte im deutschen Niedriglohnsektor“ des Sachverständigenrats für Migration und Integration.
Gute Arbeit und faire Bezahlung: Wenn Menschen zu uns kommen – und bleiben – sollen, braucht es die richtigen (rechtlichen) Rahmenbedingungen. Das beginnt bei einem einfacheren und transparenteren Einwanderungsprozess. Das heißt vor allem: Die Hürden in den Beantragungsverfahren der Visa sowie bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse müssen sinken. Die Verfahren müssen kürzer und berechenbarer werden.
Eine weitere wichtige Rolle spielt die leichtere Einbürgerung. Durch die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts sind endlich Mehrstaatsbürgerschaften erlaubt. Menschen können nun mehrere Pässe haben und müssen sich nicht mehr für einen entscheiden. Viele hatte das bisher davon abgehalten, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Jetzt können Millionen Menschen, die hier leben, arbeiten und Steuern zahlen, auch politisch voll teilhaben und mitwirken. Das stärkt ihre Integration. Um den zu erwartenden deutlichen Anstieg der Einbürgerungen zeitnah bewältigen zu können, müssen die zuständigen Behörden gut ausgestattet werden.
Die Bundesregierung hat das Staatsangehörigkeitsrecht umfassend reformiert und den Zugang zur Staatsbürgerschaft erleichtert. Seit dem 27. Juni 2024 gelten nun andere Voraussetzungen als bislang. Hier findest du Informationen zu den neuen Regelungen.
Personen, die mindestens 5 Jahre in Deutschland leben und ihren eigenen Lebensunterhalt sichern können, können nach den neuen Regelungen die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen . Wer schon integriert ist und die deutsche Sprache gut spricht, kann auch schon nach 3 Jahren die Einbürgerung beantragen.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung hat eine Checkliste zu den Voraussetzungen zur Einbürgerung erstellt. Hier kannst du überprüfen, ob die Voraussetzungen für einen Antrag bereits erfüllt sind. Die Checkliste findest du hier.
Nein. Das neue Gesetz regelt, dass man seinen Herkunftspass nicht abgeben muss. Man kann nun mehrere Staatsangehörigkeiten haben.
Das lässt sich nur schwer einschätzen und hängt von der jeweiligen Einbürgerungsbehörde ab. Der Prozess kann einige Monate dauern, aber auch mehrere Jahre. Durch die neuen gesetzlichen Regelungen wird voraussichtlich das Interesse daran, den deutschen Pass zu beantragen, steigen. Das kann zu einem erhöhten Arbeitsvolumen der Behörde führen. Wichtig ist es, einen möglichst vollständigen Antrag einzureichen. Nutze dafür die oben angeführte Checkliste der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung.
Für die Beantragung der Staatsbürgerschaft sind die lokalen Einbürgerungsbehörden zuständig. Je nach kommunaler Struktur sind das die Bürgerämter oder Einwanderungsbehörden. Informationen dazu findest du auf der Webseite deiner kommunalen Verwaltung. Oft findest du auch dort spezifische Informationen, wie deine zuständige Behörde den Einbürgerungsprozess vornimmt und ob die Staatsbürgerschaft auch online beantragt werden kann.
Die Bundesregierung hat das Staatsangehörigkeitsrecht reformiert und den Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft erleichtert. Seit 27. Juni 2024 gelten neue erleichterte Regelungen. Der Flyer informiert über die Voraussetzung für die Staatsbürgerschaft, wo man sie beantragt und welche Möglichkeiten sie bietet.
Wie geht das jetzt mit der Einbürgerung?
Außerdem bieten die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung und andere Organisationen Informationen zur Einbürgerung an.
Darüber hinaus müssen wir den Familiennachzug ermöglichen und die Angehörigen von Fachkräften bei uns willkommen heißen. Denn das Familienleben ist ein wichtiger Faktor, damit ausländische Fachkräfte sich langfristig hier niederlassen. Hier braucht es Unterstützung z. B. bei der Wohnungssuche oder mit Bildungsangeboten.
All das ist jedoch nichts ohne eine gelebte Willkommenskultur im Land und in den Betrieben. Zugewanderte Arbeits- und Fachkräfte müssen sich willkommen fühlen und vor Diskriminierung und Rassismus geschützt sein. Erst dann entwickeln sie eine Bleibeperspektive.
„Wer Menschen für den Arbeitsmarkt gewinnen will, muss es ihnen und ihren Familien leichter machen, anzukommen.“
In unserem Ratgeber „Fachkräfte aus Drittstaaten und Arbeitnehmerrechte“ beantworten wir die wichtigsten Fragen für ausländische Arbeitskräfte. Informier dich darin ausführlicher z. B. zu folgenden Aspekten:
Damit Obst und Gemüse auf unseren Tellern landen, arbeiten zahlreiche Saisonarbeitnehmer*innen aus dem Ausland bei der Ernte mit. Was die Verbraucher*innen dabei nicht sehen: Die Arbeitsbedingungen und Unterkünfte dieser Menschen sind oft miserabel. Sie arbeiten hart, ohne Krankenversicherung und stehen am Schluss ohne Rentenansprüche da. Das kann nicht die Lösung sein. Deshalb setzen wir uns gemeinsam mit unserer Mitgliedsgewerkschaft IG BAU für ein Ende der Sonderregelungen bei der Saisonarbeit und für mehr Schutz der Beschäftigten ein. Dazu gehört:
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