CDU/CSU, SPD und Grüne haben mit der Entscheidung zur Änderung des Grundgesetzes für erheblichen finanziellen Spielraum für überfällige Zukunftsinvestitionen gesorgt. Diese Entscheidung war nicht nur richtig – sie war auch nötig.
Doch trotz der neuen Möglichkeiten bleiben erhebliche finanzielle Probleme mit Blick auf den Bundeshaushalt, die große finanz- und steuerpolitische Unterschiede zwischen den angehenden Koalitionären von Union und SPD deutlich machen. Und zugleich gibt es eine Schieflage in der Debatte, wer die Lasten in unserem Land tragen soll.
In dieser Situation der Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD fordern der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften:
- Die offenen Haushaltsbedarfe dürfen nicht auf Beschäftigte und Verbraucher*innen abgewälzt werden. Es braucht eine gerechte Steuerpolitik, die untere und mittlere Einkommen spürbar entlastet und so für mehr Verteilungsgerechtigkeit sorgt. Dazu gehört auch eine Reform der Einkommensteuer, die insbesondere Beschäftigte finanziell entlastet. Nach Jahrzehnten wachsender Vermögen ist eine angemessene und gerechte Beteiligung von Vermögenden und Spitzenverdiener*innen überfällig – etwa durch eine Vermögensabgabe. Insgesamt müssen Top-Verdienende stärker zum Gemeinwesen beitragen. Es ist höchste Zeit, die Vermögensteuer wieder einzuführen und eine Erbschaftsteuer ohne Sonderregelungen für reiche Unternehmenserb*innen auf den Weg zu bringen. Reiche und Superreiche müssen ihren fairen Beitrag leisten, um den Haushalt zukunftsfest zu gestalten und die Daseinsvorsorge zu sichern.
- Höhere Eigenanteile in der Gesundheits- und Pflegeversorgung sowie direkte oder indirekte Kürzungen bei der Rente lehnen wir ab. Der Rechentrick der CDU/CSU, die Standardrente künftig auf der Grundlage von 47 statt 45 Beitragsjahren zu berechnen, wäre ebenso ein Einschnitt. Die Stabilisierung der Rente bedeutet jetzt, ein Rentenniveau von 48 Prozent dauerhaft für alle zukünftigen Generationen zu sichern. Rentenkürzungen hingegen sind sozial ungerecht und dürfen nicht als Spielmasse zur Haushaltskonsolidierung dienen. Renten sind keine Almosen, sondern das Ergebnis harter Arbeit über viele Jahre.
- Die Bundesregierung muss in der kommenden Legislatur für mehr Tarifbindung sorgen. Deutschland braucht eine Tarifwende! Nur Tarifverträge gewährleisten den Beschäftigten einen fairen Anteil am Wohlstand. Seit der Gründung der Bundesrepublik gestalten die Tarifvertragsparteien faire Löhne passgenau und mit Augenmaß. Faire Löhne sind der Schlüssel zu mehr Verteilungsgerechtigkeit in Deutschland! Die neue Bundesregierung muss das Bundestariftreuegesetz umgehend auf den Weg bringen und sicherstellen, dass Vergabe- und Ansiedlungspolitik sozial nachhaltig gestaltet werden. Zudem sollte das Verfahren zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung geltender Tarifverträge erleichtert werden.
- Eine Abschaffung des flächendeckenden Mindestlohns durch Ausnahmen für ganze Branchen ist nicht hinnehmbar. Diese Ausnahmen sind verfassungswidrig und sorgen für mehr Bürokratie – widersprechen also einem der wichtigsten Ziele der Union. Und sie kämen einem Bruch der gesellschaftlichen Verabredung gleich, dass es keine nicht-existenzsichernden und menschenunwürdigen Löhne in Deutschland geben darf. Wer arbeitet, muss davon leben können. Vielmehr sollten die politischen Akteure Geschäftsmodelle, die auf Dumpinglöhnen beruhen, versuchen einzudämmen. Sie gehören nicht zu einer gesunden und fairen Wirtschaftsordnung und werden den Wirtschaftsstandort nicht aus der Krise führen.
Gerechtigkeit zeigt sich in guten Löhnen, einer gerechteren Verteilung der Lasten – und auch an einem Ende der Debatte über die vermeintlich mangelnde Leistungsbereitschaft der arbeitenden Menschen. Wer die Beschäftigten an seiner Seite wissen will, muss höhere Löhne und soziale Absicherung stärken, statt sie gegeneinander auszuspielen. Das stärkt auch den demokratischen Zusammenhalt.