Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied:
"Der Kanzler hat recht. Wir wollen einen armutsfesten gesetzlichen Mindestlohn, wie ihn die europäische Mindestlohnrichtlinie vorsieht, die bis November dieses Jahres von Deutschland umzusetzen ist. Darauf haben wir bereits im Juni 2023 in der Kommission hingewiesen – deshalb konnten wir der Minierhöhung auf 12,82 Euro nicht zustimmen.
Die Richtlinie nennt 60 Prozent vom mittleren Einkommen von Vollzeitbeschäftigten als Maßstab, im Moment entspricht das knapp über 14 Euro. Natürlich sind im nächsten Jahr 15 Euro drin, weil die Entwicklung ja weitergeht, die Preise steigen und die Gewerkschaften auch in diesem Jahr gute Tarifabschlüsse hinlegen werden.
Turnusgemäß wird die Mindestlohnkommission erst Mitte 2025 über die nächsten Erhöhungsschritte entscheiden. Ihr Beschluss fällt damit unmittelbar in die Hochphase des nächsten Bundestagswahlkampfes, wird also hochpolitisiert sein. Deshalb haben die Gewerkschaften eine Korrektur der letzten Entscheidung noch in diesem Jahr vorgeschlagen- und zwar innerhalb der Kommission.
Klar ist schon jetzt: Wenn es in der Mindestlohnkommission nicht im Konsens gelingt, dem 60-Prozent-Kriterium der europäischen Richtlinie zu entsprechen, braucht sich niemand über ein erneutes Einschreiten des Gesetzgebers wundern – sei es, um die Arbeitsweise der Kommission zu verändern oder um den Mindestlohn selbst anzuheben.
Wir wollen an der Kommission festhalten, für die es aber künftig ein Schlichtungsverfahren geben muss, um in einer Patt-Situation unterschiedliche Interessenlagen in Einklang zu bringen. Denn mit Tarifautonomie und fairen Verhandlungen hat es nichts zu tun, wenn am Ende die Gewerkschaften einfach überstimmt werden.“