Zum Vorschlag des Allianz-Chefs, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall einschränken zu wollen, ein Statement von Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied:
"Finger weg von der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall! Niemand braucht aktuell Vorschläge, die noch mehr Beschäftigte dazu bringen, krank zu arbeiten. Das Bild zu Krankschreibungen zeigt keinen Handlungsbedarf. Nach OECD-Zahlen gibt es keinen dramatischen Anstieg der Fehlzeiten in Deutschland, weder im Vergleich mit anderen EU-Staaten, noch im Zeitverlauf (siehe hier).
Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist ein soziales Schutzrecht, das ab dem ersten Krankheitstag gilt. Nur so ist gewährleistet, dass kranke und erholungsbedürftige Beschäftigte tatsächlich gesund werden können. Diese Absicherung ist ein hohes Gut angesichts des Umstands, dass immer mehr Menschen trotz Krankheit arbeiten. „Präsentismus“, also krank bei der Arbeit zu erscheinen, ist branchenübergreifend weit verbreitet. Schon vor Corona gaben etwa 70 Prozent der Beschäftigten an, mindestens einmal im Jahr krank zur Arbeit erschienen zu sein und im Durchschnitt fast neun Arbeitstage pro Jahr trotz Erkrankung gearbeitet zu haben (siehe hier).
Präsentismus schadet aber nicht nur der eigenen Gesundheit sondern führt auch zur Ansteckung von Kolleg*innen. Deshalb ist Präsentismus auch wirtschaftlich besonders schädlich: die Folgekosten sind etwa doppelt so hoch wie die Kosten krankheitsbedingter Fehlzeiten (siehe hier). Wer krank zur Arbeit kommt, erhöht die Gefahr für Unfälle und Fehler, die zu Produktivitätsverlusten führen und die Unternehmen erst recht teuer zu stehen kommen können.
Dieser Vorschlag aus der Wirtschaft ist zutiefst ungerecht: Finanzielle Auswirkungen einer alternden Gesellschaft gehören keinesfalls alleine auf den Rücken der Beschäftigten, um im Umkehrschluss Arbeitgeber zu entlasten, Boni für Vorstände zu sichern und Dividenden der Shareholder zu steigern. Ein leistungsfähiger und solidarischer Sozialstaat ist Garant für gesellschaftlichen Frieden und Demokratie im Land."