Zu den Plänen der Regierung, mit einer Rentenaufschubprämie die Arbeit im Rentenalter finanziell zu fördern, sagt Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied:
"Wieviel es der Bundesregierung gegen den Fachkräftemangel hilft, mit einem milliardenschweren Griff in die Sozialversicherungen bei Beschäftigten und ihren Arbeitgebern die Weiterarbeit nach 66 zu subventionieren, bleibt abzuwarten. Was die Bundesregierung offenbar ausblendet, ist, dass viele Beschäftigte gar nicht länger arbeiten können, weil Arbeitsbedingungen zu anstrengend sind, und sie es einfach gesundheitlich nicht mehr schaffen.
Die geplante Rentenaufschubprämie ist also für diejenigen gut, die genug verdienen und gesund genug sind, den Rentenbeginn aufzuschieben. Dafür werden sie dann mit einer beitragsfreien Nachzahlung belohnt und haben damit einen massiven Vorteil gegenüber allen anderen. Das kostet aber nicht nur die Rentenversicherung Milliarden Euro, sondern mindert erheblich die Einnahmen der Kranken- und Pflegeversicherung. Gleiches gilt für die Weitergabe der Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung: auch hier profitiert nur, wer nach 66 noch arbeiten kann, während die Sozialversicherungen Einnahmeausfälle haben.
Wenn finanzielle Anreize für ältere Arbeitgeber aber nicht der Hauptgrund fürs Weiterarbeiten sind, wird die Maßnahme eher Mitnahmeeffekte erzeugen, als mehr Beschäftigung produzieren. Die Rechnung für diese Angebote geht aber unabhängig von ihrem Erfolg an alle Beitragszahlenden, da absehbar entweder der Beitragssatz steigen muss, oder Leistungen gekürzt werden müssten.
Wenn tatsächlich allein höhere Entlohnung Menschen dazu bringen könnte, länger zu arbeiten, dann ist die Erhöhung der Entlohnung aber in jedem Fall originäre Aufgabe und Verantwortung der Arbeitgeber und nicht der Job der Sozialversicherungen. Eine Wirtschaftspolitik von so zweifelhaftem Nutzen – und obendrein zum Schaden der Sozialversicherungen – ist strikt abzulehnen.
Gleichzeitig scheiden bislang Millionen Menschen Jahre und Jahrzehnte vor der Regelaltersgrenze aus – wegen Krankheit oder weil sie keine Arbeit mehr gefunden haben. Mehr und besserer Arbeits- und Gesundheitsschutz, Reha und Prävention sowie eine gute Arbeitsmarktpolitik, wären sicher erfolgreicher, um älter werdende Beschäftigte in Arbeit zu halten.
Auch lehnt der DGB die Ausweitung des Arbeitsrechts zweiter Klasse ab, nach dem Beschäftigte ab der Regelaltersgrenze künftig auch sachgrundlos bis zu acht Jahre befristet eingestellt werden dürfen. Es ist den Arbeitgebern durchaus zuzumuten, auch ältere Beschäftigte unbefristet einzustellen.
Sinnvoll erscheint uns der zusätzliche Erwerbsfreibetrag bei der Einkommensanrechnung bei Witwen-/Witwerrenten. Insbesondere wenn Rentner*innen neben der eigenen und der Witwen-/Witwerrente arbeiten gehen, bleibt künftig ein Minijob anrechnungsfrei und lohnt sich. Zwar sind auch hier hohe Mehrausgaben und Mitnahmeeffekte zu erwarten, aber vor allem für viele Ältere dürfte es nun einen stärkeren Anreiz geben, nach dem Tod ihrer Partner*innen eine Arbeit in Form einer geringfügigen Beschäftigung aufzunehmen."