Warum die "Lohn-Preis-Spirale" ein Märchen ist

Löhne und Gehälter sorgen nicht für hohe Preise

Löhne und Gehälter sorgen nicht für hohe Preise

Das Schreckgespenst der "Lohn-Preis-Spirale" kursiert nach wie vor: Überzogene Lohnforderungen könnten Unternehmen zu hohen Preissteigerungen zwingen, was wiederum zu einer steigenden Inflation führe. Was ist dran an diesem Mythos?

Die sogenannte "Lohn-Preis-Spirale" ist in der Tat ein Märchen. Zwar sind die Tariflöhne 2024 preisbereinigt um 3,2 Prozent gestiegen. In den drei Jahren zuvor glich die Lohnsteigerung aber noch nicht einmal die Inflation aus (siehe Grafik).  Das preisbereinigte Niveau der Tariflöhne liegt insgesamt auf dem Niveau des Jahres 2018 und damit deutlich unter dem Spitzenwert des Jahres 2020. Es gibt also weiterhin notwendigen Aufholbedarf bei den Löhnen. 

Trotz guten Lohnwachstums geht die Inflationsrate ohnehin zurück und wird in den kommenden Jahren nach Prognosen der Bundesbank wieder die Zielmarke von 2 Prozent erreichen.

Die Gefahr einer "Lohn-Preis-Spirale" wird in der Öffentlichkeit beschworen, um die Lohnforderungen der Beschäftigten zu drücken.

Weshalb die Preise wirklich gestiegen sind

Klar ist, dass die Preise vor allem aufgrund der hohen Energiepreise, der Nahrungsmittel- und anderer Rohstoffpreise und zu Beginn noch wegen ungelöster Lieferkettenprobleme stiegen. Eine Untersuchung zeigt außerdem, dass auch Unternehmensgewinne die Preise nach oben getrieben haben. Nicht die Beschäftigten, sondern die Unternehmen selbst legen die Preise für ihre Produkte fest. Sie haben zum Teil erhebliche Markt- und Preissetzungsmacht. Manche nutzten die unübersichtliche Situation sogar, um sie weiter auszubauen, und setzten die Preise willkürlich höher.

Gewerkschaften fordern daher angemessene Lohnerhöhungen für die Beschäftigten. Steigen die Löhne nun tatsächlich, führt dies aber nicht automatisch zu einem Anstieg der Preise. Viele Unternehmen könnten es verkraften höhere Löhne zu zahlen, ohne die Preise zu erhöhen. Sie müssten nur auf einen Teil ihres Gewinns verzichten. 

Das ist aber nicht unbedingt der Fall: Die sogenannten nominalen Stückgewinne, also das Gegenstück zu den nominalen Lohnstückkosten, haben die Inflation teilweise ordentlich angeheizt. Sie stiegen gesamtwirtschaftlich wesentlich stärker und früher als die Lohnstückkosten. Die "Gewinninflation" trifft zwar nicht auf alle Branchen zu, in einigen dafür aber umso mehr. Viele Unternehmen schütten zudem Dividenden in Rekordhöhe aus. Um eine "Lohn-Preis-Spirale" zu verhindern sind beide Seiten gefragt: die Gewerkschaften und die Unternehmen.

Das Bild zeigt eine stilisierte, schwarz-weiße Darstellung eines lachenden Kindes mit herausgestreckter Zunge, das in einem Punktmuster gehalten ist. Der Hintergrund stellt eine wehende rote Fahne dar, die dem Bild eine dynamische und lebendige Ausstrahlung verleiht. Die Kombination aus dem fröhlichen Gesichtsausdruck des Kindes und der Bewegung der Fahne vermittelt ein Gefühl von Freiheit und Zuversicht.

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Löhne müssen stabil bleiben

Doch auch wenn Beschäftigte weiterhin den gleichen Lohn erhalten, ist er weniger wert, da die Preise weiter steigen. Das ist ein Problem: Denn, wenn die Kaufkraft einbricht, gibt es niemanden mehr, der die produzierten Waren kauft, und der Umsatz der Unternehmen bricht ein. Löhne zu stabilisieren, ist daher nicht nur sozial gerecht, sondern auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive sehr sinnvoll – gerade jetzt, wo die Konsumnachfrage niedrig ist und den wirtschaftlicher Abschwung befördert.

Kräftige Lohn- und Gehaltszuwächse sind das beste Mittel gegen steigende Lebenshaltungskosten. "Wir brauchen daher eine Stabilisierung der Reallöhne", sagt die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi. Gleichzeitig sind nicht nur die Tarifparteien gefragt, auch die Politik muss einen Beitrag leisten, um den Kaufkraftverlust der Bevölkerung einzudämmen. Im Bereich der explodierten Wohnkosten braucht es beispielsweise einen befristeten Mietenstopp und andere Maßnahmen, um die Preise unter Kontrolle zu bekommen. Außerdem muss der Staat für bezahlbare Energiepreise sorgen.

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