Vor Ort – gut versorgt
In den knapp 11.000 Kommunen in Deutschland haben Bürger*innen den größten Mitgestaltungsspielraum, erleben aber auch hautnah die Auswirkungen der Politik. Denn ihre Kommunen sind Orte des Zusammenlebens und des Alltags. Hier entscheidet sich, wer gute Arbeit findet, wer bezahlbar wohnen kann, wer mobil ist. Doch wie steht es um unsere Kommunen? Diese Seite bietet einen Überblick über die aktuelle Situation der Kommunen, vermittelt wichtige Grundlagen rund um das Thema Daseinsvorsorge und adressiert unsere Positionen und Forderungen.
Quiz Daseinsversorgung
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FAQ zu Kommunen
Was machen Kommunen und warum ist das so wichtig?
Kommunen betreiben Kitas, Schulen, Theater oder Museen. Sie sind für den ÖPNV und für den Bau von Straßen und Fahrradwegen zuständig, kümmern sich um die Müllabfuhr und die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser. Darüber hinaus sorgen sie mit Anlaufstellen wie der Schuldner*innenberatung oder Kinder- und Jugendhilfe für wichtige soziale Angebote, die allen Menschen zugänglich sind.
Außerdem übernehmen die Kommunen eine entscheidende Rolle bei der Eindämmung der Klimakrise. So können Kommunen zum Beispiel über die Ausgestaltung der Verkehrsangebote Emissionen einsparen ebenso wie über die energetische Sanierung öffentlicher Gebäude. Auch für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Klimaanpassung) sind sie in vielerlei Hinsicht zuständig (z.B. Wassermanagement, Forstmanagement, Feuerwehr).
Wie finanzieren sich die Kommunen und wofür geben sie Geld aus?
Die Vielzahl der Aufgaben, die Kommunen übernehmen, müssen bezahlt werden. Grob lassen sich 2 Ausgabenkategorien bilden: Zum einen sogenannte laufende Ausgaben, beispielsweise das Gehalt der Beschäftigten in öffentlichen Kindertagesstätten oder der Verwaltung. Zum anderen Ausgaben für Investitionen wie neue Straßen oder Schulbusse. Doch woher kommt das Geld dafür?
In Artikel 28 des Grundgesetzes ist die finanzielle Eigenverantwortung der Kommunen festgeschrieben. Diese Eigenverantwortung betrifft vor allem die Gewerbe- und die Grundsteuer. Mit der Gewerbesteuer werden die Einkünfte von Unternehmen besteuert. Sie macht den größten Teil der Steuereinnahmen der Kommunen aus (knapp 58 Milliarden Euro in den Kommunen der Flächenländer in 2022). Sie ist jedoch sehr abhängig von der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung.
Die Grundsteuer müssen Eigentümer*innen von Grundstücken und Gebäuden an die Kommunen zahlen. Sowohl bei der Gewerbe-, als auch bei der Grundsteuer können die Kommunen die Höhe selbst bestimmen (über die sogenannten Hebesätze). Zwar gibt es einen Mindesthebesatz für die Gewerbesteuer, der einen ruinösen Steuerwettbewerb zwischen den Gemeinden verhindern soll. Dieser ist aber so niedrig, dass es trotz allem in einigen Regionen zu einem Wettbewerb um die niedrigsten Hebesätze kommt. Denn gezahlt wird die Gewerbesteuer von den Betrieben in einer Kommune. Senkt eine Kommune die Gewerbesteuer drastisch, zieht sie damit die Unternehmen aus der Umgebung an. Dadurch profitiert zwar diese eine Kommune, der Rest verliert aber eine Menge ihrer Einnahmen. Fair ist das nicht.
Zusätzlich zu diesen beiden Steuerarten bekommen die Kommunen auch einen Anteil an der Einkommens- und der Umsatzsteuer sowie weitere Steuern mit weniger Gewicht (wie z.B. die Hundesteuer). Im Jahr 2022 machten die Steuereinnahmen knapp 40 Prozent der kommunalen Einnahmen aus.
Wichtiger noch als Steuern sind die Zahlungen des Bundes und der Bundesländer (sog. Zuweisungen) für die kommunalen Haushalte. Über das Verfahren des kommunalen Finanzausgleichs sollen die finanziellen Unterschiede zwischen den Kommunen innerhalb eines Bundeslands ausgeglichen werden. So soll sichergestellt werden, dass auch Kommunen mit weniger eigenen Einnahmen eine gute Daseinsvorsorge bereitstellen und ihre Pflichtaufgaben erfüllen können. Dabei kann jedes Bundesland selbst entscheiden, welcher Anteil seiner Steuereinnahmen an die Kommunen verteilt wird.
Kommunen dürfen zwar Kredite aufnehmen um Investitionen zu tätigen, doch die Kreditaufnahme ist bestimmten Bedingungen untergeordnet. So unterliegen Kommunen zwar nicht direkt der Schuldenbremse. Gleichzeitig kann die sog. Kommunalaufsichtsbehörde die Kreditaufnahme verbieten, wenn der kommunale Haushalt nicht ausgeglichen ist. Kreative Lösungen der Kreditaufnahme wie Schatten- oder Notfallhaushalte können die Kommunen, anders als Bund und Länder, nicht bilden.
Eine Ausnahme gibt es jedoch: Sollte den Kommunen kurzfristig das Geld ausgehen, dürfen sie Kassenkredite (auch Liquiditätskredite genannt) aufnehmen. Diese sollen Engpässe überbrücken, denn häufig fallen Kosten zu einem anderen Zeitpunkt an, als die Erträge eingehen. Kassenkredite können allerdings auch zu einem massiven Problem werden und Investitionen hemmen, gerade dann, wenn überbordende Kassenkredite die Kommunale Haushaltsaufsicht dazu verleitet, Haushaltssperren aufzuerlegen.
Vor welchen Problemen stehen die Kommunen?
Die Probleme der Kommunen sind vielfältig. Der demografische Wandel bei gleichzeitigem Wegzug der Menschen in städtische Gebiete lässt Gemeinden schrumpfen und die Wirtschaft erodieren. Zudem bekommen Kommunen neue Aufgaben von Bund und Ländern übertragen und die sozial-ökologische Transformation steht vor der Tür. Um für die Menschen attraktiv zu bleiben und die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern, müssen die Kommunen in ihre Infrastruktur investieren.
Auswirkungen der Krisen auf die Kommunen
Doch das finanzielle Fundament dafür fehlt vielen Kämmer*innen. Die Corona-Pandemie und die Energiepreiskrise haben die Situation noch einmal verschärft. So hatten die Kommunen während der Pandemie immense Ausfälle ihrer Gewerbesteuereinnahmen zu verzeichnen. Wie bereits beschrieben, sind die Einnahmen aus der Gewerbesteuer der größte Anteil an Steuereinnahmen, den die Kommunen haben. Schon 2020 summierte sich das kommunale Steuerminus auf rund 6 Milliarden Euro – wovon knapp 5 Milliarden auf Mindereinnahmen aus der Gewerbesteuer zurückzuführen waren.
Zwar konnte dieser Einbruch in der Zwischenzeit wieder aufgeholt werden – u. a., weil Bund und Länder den Kommunen unter die Arme gegriffen haben, indem sie z. B. die Gewerbesteuerausfälle des Jahres 2020 ausgeglichen haben. Auch hat sich die Einnahmesituation verbessert, als die Wirtschaft nach der Pandemie wieder erstarkte. Doch der Angriff Russlands auf die Ukraine und seine Auswirkungen auf die Energiepreise und Inflation stellten auch die Kommunen vor neue – finanzielle – Herausforderungen. Steigende Kosten u.a. für die Unterbringung und Versorgung geflüchteter Menschen auch aus der Ukraine sowie steigende Sozialausgaben kommen hinzu zu hohen Energiepreisen, die auch die Kommunen zu zahlen haben. Im schlimmsten Fall werden kommunale Investitionen in wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge wie Schulen, ÖPNV, Kultur- und Freizeiteinrichtungen gestrichen werden müssen – und das ist angesichts des sowieso schon desaströsen Zustands mancher Infrastrukturen fatal.
Hinzu kommt, dass die Zinsen – nachdem sie jahrelang sehr niedrig waren – wieder ansteigen. Das macht auch für die Kommunen die Aufnahme neuer und die Umschuldung alter Kredite teurer. Besonders betroffen sind sehr hoch verschuldete Kommunen, deren finanzieller Spielraum für z.B. Investitionen zusätzlich eingeschränkt wird. Viel mehr noch belasten jedoch gestiegene Baupreise, hohe Energiekosten und der Personalmangel in der kommunalen Verwaltung die Investitionsfähigkeit vieler Kommunen.
Diese Entwicklung ist problematisch, denn es wird bereits seit Jahren zu wenig investiert. Ein Blick auf die Investitionstätigkeiten der Kommunen zeigt, dass die Nettoanlageinvestitionen bereits seit Beginn des Jahrtausends negativ sind. Übersetzt heißt das: Was investiert wird, reicht nicht einmal, um die Abnutzung der Infrastrukturen wie Schienen, Brücken und Gebäude auszugleichen. Der kommunale Investitionsstau wird mittlerweile auf knapp 160 Milliarden. Euro geschätzt.
Kommunalfinanzen stehen auf instabilem Fundament
Die Krisen zeigen einmal mehr, wie fragil die Einnahmebasis der Kommunen ist. Leiden ansässige Unternehmen, sinken die Steuereinnahmen direkt. Anders als Bund oder Länder können die Kommunen aber nicht mit Schatten- oder Notfallhaushalten unterstützend wirken. Vielmehr rutschen auch sie in eine Krise und sind abhängig von der Unterstützung durch Bund und Länder.
Für viele Kommunen kommt die Last sogenannter Altschulden erschwerend hinzu. Schon vor der Pandemie waren rund 2.000 Kommunen überschuldet – fast jede 5. Kommune. Wie es dazu kam? Viele Kommunen haben die Kassenkredite nicht nur zur kurzfristigen Überbrückung finanzieller Engpässe genutzt, sondern als zusätzliche Einnahmequelle, um die alltäglichen Ausgaben meistern zu können. Vor allem in Regionen, in denen der strukturelle Wandel dazu führte, dass große Industriebetriebe schließen mussten und ganze Industrien verlagert wurden, brachen Einnahmen weg, während Ausgaben besonders sozialer Art gestiegen sind.
Die Kommunen stabilisierten ihre Haushalte immer häufiger mit Finanzspritzen auf Pump. So hat sich ein Berg von Altschulden angesammelt, der jetzt Spielräume für notwendige Investitionen einengt und Spardruck erzeugt. Zwar ist seit einigen Jahren ein Abbau der Kassenkredite zu erkennen und auch einige Bundesländer greifen ihren Kommunen mit Entschuldungsmodellen unter die Arme. In vielen Fällen – und angesichts der neuen Herausforderungen – wird das jedoch nicht reichen. Finanzielle Mittel auf kommunaler Ebene sollten nicht zur Tilgung der Altschulden verwendet, sondern investiert werden.
Interaktive Deutschlandkarte
Auf der interaktiven Deutschlandkarte von Deutschlandatlas kannst du nachsehen, wie es um die kommunalen Kassenkredite steht.
Zukunftsinvestitionen anpacken!
Wir als DGB und unsere Mitgliedsgewerkschaften fordern, die Kommunen schnellstmöglich in die Lage zu versetzen, die wichtigen Zukunftsinvestitionen anzupacken. Dafür müssen sie kurzfristig entlastet und längerfristig auf ein stabiles finanzielles Fundament gestellt werden. Hier unsere Vorschläge:
Solidarische Entschuldung
Wir schlagen eine solidarische Entschuldung der Kommunen vor, bestehend aus einer einmaligen Übernahme kommunaler Altschulden durch Bund und Länder, sowie längerfristiger Maßnahmen, um die kommunale Handlungsfähigkeit dauerhaft sicherzustellen. Bund und Länder tragen eine hohe Mitverantwortung an der Entstehung des Schuldenproblems, daher ist es auch gerechtfertigt, sie mit heranzuziehen. In diesem Sinne handelt es sich bei der Altschuldenübernahme lediglich um eine „nachholende Konnexität“ (siehe unten).
Durch eine gemeinsame Kraftanstrengung kann das Problem der Altschulden angegangen und, im Sinne der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, in gute Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in ganz Deutschland investiert werden. Dazu sollten die Länder zu einem bestimmten Stichtag kommunale Liquiditätskredite ihrer Kommunen, die über einen Betrag von 100 Euro pro Einwohner*in hinausgehen, übernehmen. Der Rest verbleibt bei den Kommunen. Bund und Länder begleichen dann die übernommenen Altschulden paritätisch.
Die Kosten einer solchen Altschuldenübernahme belaufen sich für den Bund nach Schätzungen des Bundesfinanzministeriums auf rund 22 Milliarden Euro, hinzu kommen Zinsausgaben von 3 bis 4 Milliarden Euro pro Jahr. Dies ist leistbar – angesichts der Brisanz des Problems und der bevorstehenden Investitionsaufgaben im Rahmen des anstehenden Strukturwandels und des Klima- und Umweltschutzes. Schnelligkeit ist darüber hinaus geboten, weil die sich anbahnende Zinswende, wie oben beschrieben, vor allem hoch verschuldete Kommunen zusätzlich belasten wird.
Gemeindewirtschaftssteuer
Um die Kommunen langfristig in die Lage zu versetzen ihre Haushalte auch ohne Kassenkredite stabil zu halten, sollte die Gewerbesteuer hin zu einer Gemeindewirtschaftssteuer reformiert werden. Denn viele Berufsgruppen wie Steuerberater*innen, Apotheker*innen, Ärzt*innen, Architekt*innen und einige mehr, deren wirtschaftliche Lage weniger konjunkturanfällig ist, sind von der Gewerbesteuer ausgenommen. Sie leisten keinen Beitrag zur Finanzierung des kommunalen Gemeinwesens, obwohl auch sie kommunale Dienstleistungen und die Infrastruktur in Anspruch nehmen. Aus unserer Sicht ist das nicht fair und sollte korrigiert werden. Mit einer Gemeindewirtschaftssteuer würden auch die freien Berufe einbezogen werden. Das schafft eine stabile Einnahmebasis. Mehr dazu in unserem DGB-Steuerkonzept.
Ein echtes Konnexitätsprinzip und – wo nötig – Änderungen im Grundgesetz
Damit der Schuldenberg nicht erneut ansteigt und die Kommunen mit ihren Aufgaben alleingelassen werden, muss das Prinzip der Konnexität endlich richtig umgesetzt werden. Konkret heißt das: Soll eine Kommune den Kita-Ausbau oder die Digitalisierung der Schulen übernehmen, müssen die Länder oder der Bund dafür die Mittel bereitstellen.
Ein weiteres Hindernis ist, dass eine Mischfinanzierung, bei der Bund und Länder gemeinsam bestimmte Aufgaben finanzieren, gesetzlich verboten ist. Es gibt jedoch Ausnahmen (beispielsweise beim Küstenschutz). Wie bereits gezeigt wurde, haben die Kommunen eine zentrale Rolle bei der Bereitstellung wichtiger Daseinsvorsorgeangebote wie ÖPNV, Schulen und Kitas. In vielen dieser Bereiche sind Klimaschutzmaßnahmen wichtig, um die CO2-Emissionen zu reduzieren. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral werden. Dafür müssen die Kommunen befähigt werden, in den Klimaschutz und klimafreundliche Daseinsvorsorge zu investieren.
Deshalb fordern wir eine neue sogenannte Gemeinschaftsaufgabe für Klimaschutz und Klimaanpassung auf kommunaler Ebene. Dafür ist eine Änderung des Grundgesetzes nötig, sodass sowohl der Bund als auch die Länder finanziell bei dieser Aufgabe unterstützen können.
Geld ist nicht alles – weitere wichtige Stellschrauben
Für den Investitionsstau sind nicht nur klamme kommunale Kassen verantwortlich. Auch die Tatsache, dass Engpässe bei Materialien zu verzeichnen sind und die Preise bei Baumaterialien durch die Decke gehen, erschwert und verlängert den Aufbau neuer Schienen, Schulen und Kitas. Während die Kapazitäten in der Bauwirtschaft lange ausgelastet waren, befindet sie sich nun in einer kritischen Lage. Die Zahl der Auftragseingänge fällt, die Neuvergabe von Immobilienkrediten ist niedrig, die Kapazitäten im Bauhauptgewerbe sind nicht ausgelastet. Steigende Preise und die Verdreifachung des Zinsniveaus innerhalb eines Jahres machen dem Sektor zu schaffen. Damit die Kapazitäten erhalten und mittelfristig weiter ausgebaut werden, müssen die öffentlichen Investitionen – auch auf kommunaler Ebene – massiv anziehen.
Hinzu kommt, dass in den Bauverwaltungen, in denen Investitionsprojekte geprüft und koordiniert werden, in den letzten Jahren massiv Personal abgebaut wurde. Nicht nur in diesem Bereich der Verwaltung, sondern im gesamten öffentlichen Dienst, muss dem Personalmangel entgegengewirkt werden. Dies gelingt nur mit guten Arbeits- und Ausbildungsbedingungen, die mithalten können mit der Privatwirtschaft.
Was bedeutet „Konnexität“ eigentlich?
Konnexitätsprinzip meint im Kontext der öffentlichen Finanzen, dass Bund und Länder jeweils für die Kosten ihrer übertragenen Aufgaben aufkommen. Für die Kommunen bedeutet das: Übernehmen sie Aufgaben aus dem Bereich von Bund und Ländern, müssen sie dafür von der jeweiligen Ebene entschädigt werden. Passiert das nicht, wird das Prinzip der Konnexität verletzt – zum Nachteil der sowieso schon geschwächten Kommunen.