Menschen haben Rechte - in jedem Alter
Pressemitteilung30. September 2024
Artikel lesenWir als DGB setzen uns aktiv gegen jede Form von Diskriminierung ein .
Ob als Betriebsräte in Betrieben oder durch den DGB-Rechtsschutz – wir setzen uns gegen Diskriminierung und für Respekt und Gleichberechtigung ein. Dazu zählt auch unser Aufruf an die Politik, das Allgemeine Gleichstellungsgesetz zu reformieren.
Eine Gesellschaft, die von Vielfalt geprägt ist, die Diversität lebt und Respekt zeigt, ist eine starke Gesellschaft. Diese Werte sowie Gerechtigkeit, Solidarität und Chancengleichheit gilt es, immer wieder aufs Neue zu verteidigen und Diskriminierung in jeder Form entschieden entgegenzutreten – für eine echte inklusive Gemeinschaft und eine gefestigte Demokratie.
Ein Blick auf die Zahlen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) zeigt, dass es noch sehr viel zu tun gibt. Mit insgesamt 8.827 Beratungsanfragen verzeichnete die Antidiskriminierungsstelle 2022 einen Rekord. Noch nie zuvor machten so viele Menschen Gebrauch von dem Angebot. Diskriminierung kommt in allen Lebensbereichen vor. Am häufigsten (27 Prozent der Anfragen) wandten sich Ratsuchende jedoch aufgrund von Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt an die Antidiskriminierungsstelle.
Am häufigsten wurde die Beratung zu folgenden Diskriminierungsmerkmalen gesucht:
Auch wenn die Dunkelziffer sicherlich enorm ist – diese Zahlen sind auch ein positiver Beleg dafür, dass Menschen, die Diskriminierung erfahren, sich immer öfter wehren und von ihren Rechten Gebrauch machen. Die Basis dafür bildet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das oft auch als „Antidiskriminierungsgesetz“ bezeichnet wird. Es schützt Menschen, die wegen rassistischer Zuschreibungen diskriminiert werden oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, aufgrund des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des jungen und alten Lebensalters oder der sexuellen Identität – im Arbeitsleben wie auch bei Alltagsgeschäften.
Doch das AGG ist inzwischen in die Jahre gekommen und leistet nicht, was es leisten könnte. Wir fordern daher seine Überarbeitung – weg von längst in die Jahre gekommenen Begrifflichkeiten und Einschränkungen, hin zu zeitgemäßen Definitionen, Rechten, Anwendungsbereichen und Zielen.
Diskriminierung bezieht sich im Sinne des AGG stets auf „schützenswerte Merkmale“, die wesentlich zur Persönlichkeit gehören, nicht beliebig veränderbar und Bestandteil gesellschaftlicher Machtverhältnisse sind. Das umfasst zum Beispiel Geschlecht, ethnische oder soziale Herkunft, Aussehen, Alter, Behinderung oder Erkrankung, sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität, Religion, Weltanschauung oder Familienstatus.
Keine „schützenswerten“ Eigenschaften im Sinne des AGG sind dagegen (veränderbare) Merkmale wie der Musik-, Kleider- oder Einrichtungsgeschmack einer Person oder Gruppe.
Diskriminierungen finden zum Beispiel in Form von Vorurteilen, Herabwürdigungen oder Mikroaggressionen statt. Mikroaggressionen können aus alltäglichen Kommentaren, Fragen, verbalen oder nonverbalen Handlungen bestehen. Sie können sowohl absichtlich als auch unabsichtlich geäußert oder getätigt werden und richten sich überwiegend gegen bestimmte Gruppen. Obwohl sie nicht immer bewusst verletzend gemeint sind, führen sie oft dazu, dass Menschen sich unsicher oder angegriffen fühlen. Beispiele sind stereotype Witze, unbeabsichtigte herablassende Bemerkungen oder das Ignorieren bzw. Herunterspielen der Erfahrungen einer bestimmten Gruppe.
Diskriminierungen finden auch durch Überbetonungen, kulturelle Aneignung, Zugangsbarrieren und Gewalt statt. Kulturelle Aneignung bedeutet, dass eine Person Symbole, Dinge, Genre, Rituale und/oder Technologien einer Kultur verwendet, die nicht ihre eigene ist und dass dies ohne angemessene Anerkennung, Respekt oder Verständnis für die Bedeutung oder Herkunft dieser Elemente geschieht. Kulturelle Aneignung kann sowohl bewusst als auch unbewusst z. B. durch die Wahl der Kleidung, Frisur, Musik oder Sprache erfolgen.
Auch eine Nicht-Thematisierung kann eine Diskriminierung sein. Nachstellung (Stalking), sexuelle Belästigung und Mobbing sind ebenfalls Formen von Diskriminierung im Sinne des AGG.
Es wird zudem unterschieden zwischen „unmittelbarer“ und „mittelbarer“ Diskriminierung:
Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn sie direkt an einem der in § 1 AGG genannten schützenswerten Merkmale ansetzt. Zum Beispiel wenn eine Stellenausschreibung diskriminierende Altersgrenzen enthält oder einer Frau wegen ihrer Schwangerschaft (Diskriminierungsmerkmal „Geschlecht“) gekündigt wird; oder wenn einer Person aufgrund ihrer ethnischen Herkunft die Mitgliedschaft im Fitnessstudio verweigert wird.
Die mittelbare Diskriminierung einer Person erfolgt nicht offensichtlich wegen eines in § 1 AGG genannten schützenswerten Merkmals, sondern resultiert aus scheinbar neutralen Kriterien. Diese gelten zunächst für alle gleichermaßen – in ihrem Effekt wirken sie sich aber auf bestimmte Gruppen stärker benachteiligend aus als auf andere. So ist beispielsweise eine Stellenanzeige mittelbar diskriminierend, wenn sie von den Bewerber*innen Deutsch als Muttersprache für die Tätigkeit in einer Gärtnerei verlangt. Denn diese Arbeit erfordert geringe Sprachkompetenzen, schließt aber mit einer solchen Forderung alle aus, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen, z. B. zugewanderte Menschen.
Mehr lesen dazu bei der Antidiskriminierungsstelle.
Auch wird zwischen „struktureller“, „institutioneller“ und „intersektioneller“ Diskriminierung unterschieden:
Strukturelle Diskriminierung geschieht, wenn bestimmte Gruppen in der Gesellschaft benachteiligt werden, weil das „schon immer“ so war. Zum Beispiel waren Erzieher*innen in Deutschland früher traditionell Frauen. Jobs, in denen vor allem Frauen arbeiten, wurden und werden immer noch oft schlechter bezahlt.
Institutionelle Diskriminierung bedeutet, dass die internen Regeln, Gewohnheiten und Abläufe in einer Institution dazu führen, dass bestimmte Gruppen immer wieder benachteiligt werden. Zum Beispiel wenn Lehrkräfte aufgrund unbewusster Erwartungen Kinder mit Migrationshintergrund bei der Empfehlung für die weiterführende Schule benachteiligen.
Zu intersektionaler Diskriminierung kommt es, wenn verschiedene Merkmale einer Person im Mix eine Wirkung erzeugen, die Diskriminierung auslöst. Zum Beispiel ist das Risiko für einen jungen Mann mit dunkler Hautfarbe in bestimmten Stadtteilen sehr hoch, von der Polizei wegen des Verdachts auf Drogenhandel kontrolliert zu werden. Hier spielen sowohl das Alter als auch das Geschlecht und die Hautfarbe zusammen, was zu einer Benachteiligung führen kann.
In allen Fällen gilt: Ausschlaggebend ist die Wirkung, nicht die Intention oder das Motiv!
Aber: Nicht jede Benachteiligung ist eine Diskriminierung. Wenn es eine vernünftige Begründung gibt, darf auf bestimmte Eigenschaften hingewiesen werden. Zum Beispiel können in einer Stellenanzeige sehr gute Kenntnisse einer bestimmten Sprache vorausgesetzt werden. Zwar werden Angehörige einer bestimmten ethnischen Herkunft dadurch im Zweifel mittelbar benachteiligt. Diese Benachteiligung ist jedoch zulässig, wenn es dafür gute Gründe gibt, z. B. weil eine reibungslose Kommunikation mit Kund*innen notwendig ist.
Diskriminierung liegt vor, wenn Individuen als Gruppe wahrgenommen werden und dieser Gruppe pauschal negative Eigenschaften nachgesagt werden. Einzelne werden dann nicht mehr als individuelle Charaktere wahrgenommen, die sich voneinander unterscheiden. Durch diese Verallgemeinerung wird die eigene Gruppe, zu der man sich selbst zählt, aufgewertet – und die als „anders“ wahrgenommene Gruppe abgewertet.
Auch wenn wir in einer Demokratie leben – Diskriminierungsformen wie Rassismus, Sexismus und Antisemitismus sind keine abstrakte Gefahr, sondern tauchen tagtäglich in unserer Gesellschaft auf. Ihnen an allen Stellen entschieden entgegenzutreten, Minderheiten zu schützen und gesellschaftlich Schwächere zu verteidigen, ist die Aufgabe von uns allen. Denn wer andere Menschen und ihre Menschenwürde angreift, missachtet demokratische Grundwerte, missachtet das Grundgesetz und gefährdet die Freiheit, Offenheit und Vielfalt unserer Gesellschaft.
Insbesondere in Zeiten, in denen Rechtspopulist*innen wieder stärker versuchen, Minderheiten einzuschüchtern und Ängste und Hass schüren, ist jede*r Einzelne gefragt. Wir alle können zur Gleichstellung und Unterstützung von Menschen beitragen, die von Diskriminierung betroffen sind. Und wir alle müssen uns gegen Kräfte einsetzen, die versuchen, die Gesellschaft zu spalten – ob draußen auf der Straße, im Büro oder im privaten Umfeld. Denn je mehr Raum Diskriminierung und Hass einnehmen, desto eher ziehen Menschen sich aus der Öffentlichkeit zurück. Ihnen die Hand zu reichen, sie zu ermutigen nicht aufzugeben und sich weiter in die Gesellschaft einzubringen – das ist etwas, das jede*r Einzelne von uns tun sollte. Denn nur gemeinsam können wir einander, unsere Zivilgesellschaft und unsere Demokratie schützen. Mehr lesen bei der Integrationsbeauftragen des Bundes.
Die aktuellen Zahlen der Antidiskriminierungsstelle zeigen es: Der Arbeitsplatz muss ganz vorne stehen, wenn es um die Bekämpfung von Diskriminierung geht. Er ist ein Ort, an dem Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen und Meinungen zusammenkommen. Genau diese Vielfalt ist unsere Stärke, und sie gilt es immer wieder aufs Neue zu verteidigen. Sowohl Arbeitgeber*innen als auch alle Beschäftigten tragen die Verantwortung dafür, dass am Arbeitsplatz Respekt und Gleichberechtigung gelebt werden.
Was gilt als Diskriminierung am Arbeitsplatz?
Diskriminierung durch Arbeitgeber*innen kann sich äußern durch:
Beispiele:
geringere Bezahlung, Nichteinladen zum Vorstellungsgespräch, keine Berücksichtigung bei Einstellung oder Beförderung
Diskriminierung unter Beschäftigten findet zum Beispiel statt durch:
Beispiele:
fremdenfeindliche Sprüche auf der Toilettentür oder Schmierereien an Wänden, direkte Angriffe – z. B. das Zeigen nationalsozialistischer Symbole, aber auch scheinbar harmlose Pausengespräche über aktuelle politische Ereignisse wie Kriege oder Zuwanderungsfragen, die ein feindliches Klima schaffen, wenn sie in Beleidigungen und Schuldzuweisungen münden.
Auf juristischem Weg:
Innerbetrieblich:
Mit Hilfe von externen Angeboten:
Wende dich an Beratungsstellen außerhalb des Betriebes wie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) oder den Antidiskriminierungsverband Deutschland (ADVD).
Arbeitgeber müssen sich an das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) halten. Es schützt nicht nur das eigentliche Arbeitsverhältnis oder die Berufsausbildung, sondern erstreckt sich auch auf alle Fälle und Stadien von Stellenausschreibungen, Bewerbungen, Einstellungen, Beförderungen und Kündigungen. Es umfasst auch die generellen Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit und -entgelt sowie die betriebliche Altersvorsorge.
Wozu sind Arbeitgeber präventiv verpflichtet?
Was müssen Arbeitgeber tun, wenn es zu einer Diskriminierung gekommen ist?
Unsere Gesellschaft ist bunt und vielfältig – wie auch unsere Arbeitswelt. Vielfalt bewahren wir nur, indem wir Menschen effektiv vor Diskriminierung schützen. Ob in der Arbeitswelt oder politisch – wir als DGB setzen uns entschieden gegen Diskriminierung in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft ein – und haben dieses Ziel auch seit langem in unserer DGB-Satzung verankert. Denn jeder Mensch hat das Recht auf Gleichbehandlung und Gleichberechtigung. Dafür gibt es unter anderem das AGG. Es wurde 2006 zum Schutz von Menschen erlassen, die Diskriminierung erfahren haben.
Wir finden jedoch: Das AGG muss dringend reformiert werden.
Der Bund und die ihm vereinigten Gewerkschaften werden aktiv Diskriminierung in Wirtschaft, Staat und Gesellschaft aus Gründen des Geschlechts, rassistischer Zuschreibungen, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung bekämpfen.
Als Dachverband mit 8 Gewerkschaften vertreten wir die Interessen von mehr als 5,6 Millionen Arbeitnehmer*innen. Wir helfen ihnen, sie aktiv wahrzunehmen – und verteidigen sie, falls notwendig. Wir unterstützen Betriebsräte bei ihrer Arbeit, beraten sie rechtlich und organisatorisch. Um die Rechte der Betriebsräte zu stärken, setzen wir uns auf politischer Ebene für entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen ein.
Über 5,6 Millionen Gewerkschaftsmitglieder vertrauen auf unsere Rechtsberatung – und werden im Fall der Fälle auch von uns vor Gericht vertreten. Allein 2022 haben wir rund 213 Millionen Euro für unsere Mandant*innen erstritten und knapp 105.000 neue Verfahren vor den Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsgerichten geführt. Auch im Bereich Antidiskriminierungsrecht haben wir bereits unzählige Male Gerichtsverfahren gewonnen. Um diese wichtige Aufgabe unserer Satzung zu erfüllen, wurde 1998 die DGB Rechtsschutz GmbH als 100-prozentige Tochter des DGB gegründet. In über 115 Büros bundesweit sind rund 380 Rechtsschutzsekretäre*innen und rund 330 Verwaltungsangestellte im Einsatz, um unsere Gewerkschaftsmitglieder in ganz Deutschland zu unterstützen.
Wir setzen uns dafür ein, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und inter-geschlechtliche sowie andere queere Menschen frei, sicher und selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben können. Ende des Jahres 2022 hat das Kabinett den Nationalen Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt „Queer leben“ beschlossen. Er soll den Alltag und die rechtliche Stellung von queeren Menschen verbessern.
Beschäftigte, die sich gegen arbeitsrechtliche Verstöße ihrer Arbeitgeber wehren wollen, stehen aufgrund der aktuellen Rechtslage meist allein da. Und selbst wenn ein Individualverfahren erfolgreich ausgeht, bringt es oft keine Verbesserung für die Summe der Betroffenen mit sich. Wir fordern daher ein arbeitsrechtliches Verbandsklagerecht für Gewerkschaften und haben bereits Vorschläge zu seiner Ausgestaltung vorgelegt.
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