Endlich investieren und die Wirtschaft stärken
Bröckelnde Brücken, frustrierte Beschäftigte bei der Deutschen Bahn, Busfahrer*innen am Limit und Lehrer*innen, die nicht mehr glauben, dass das Schulgebäude irgendwann saniert wird. Die Politik muss endlich in Straßen, Schienen, Brücken, Schulen und Personal im öffentlichen Dienst investieren. Das hilft der schwächelnden Wirtschaft und den Menschen. Wie folgenreich der jahrelange Sparzwang ist, erzählen Tarek Bannoura, Fabian Ferbig und Laura Pinnig.
Marode Infrastruktur in Zahlen
Infrastruktur am Limit: Die Bahn als Spiegel der Krise
Der graue Winterhimmel spiegelt die Stimmung wider, die viele Eisenbahner*innen seit dem Aus der Bundesregierung spüren. Denn viele Investitionszusagen für die Bahn, die im neuen Haushalt vorgesehen waren, stehen auf der Kippe. “230 Züge fahren täglich zwischen Hamburg und Berlin, mit bis zu 30.000 Fahrgästen”, erzählt Tarek von der EVG Thüringen. Die Strecke wird gerade aufwändig saniert, denn “die Schiene ist auf dieser Strecke massiv belastet.” Seit Jahrzehnten wurden notwendige Investitionen in die Infrastruktur verschleppt, mit dem Ergebnis: Deutschland ist EU-weit fast Schlusslicht bei den Investitionen in die Infrastruktur.
Für 2025 stehen 17 bis 20 Milliarden Euro für Bahn-Investitionen in Frage, die der Bund zugesagt, aber die Bundesregierung noch nicht beschlossen hatte. Bleiben die eingeplanten Investitionen nun aus, würde sich der Ausbau massiv verzögern – zum Beispiel auf der Strecke Hamburg – Berlin. “Noch mehr Verspätungen und Zugausfälle sind die Folge. Und für die Beschäftigten der Bahn bringt das nicht nur längere Arbeitszeiten, sondern auch mehr Konflikte mit frustrierten Fahrgästen mit sich”, sagt Tarek. Ohnehin fühlen die Beschäftigten sich verunsichert, berichtet er, auch weil der Bahn-Konzern gerade in der Umstrukturierung steckt – eine “Personalbedarfsreduzierung” ist angekündigt.
Wir brauchen eine Schiene, die zukunftsfähig ist. Das bedeutet nicht nur Investitionen in Infrastruktur, sondern auch in die Menschen, die die Bahn am Laufen halten.
Fehlende Investitionen und genervte Beschäftigte
All das zerrt an den Nerven der Eisenbahner*innen. Die Bahn ist mehr als nur tausende Kilometer Schienen. Ihre Lokführer*innen, Zugbegleiter*innen, Stellwerksbeschäftigten und Techniker*innen und viele mehr leisten einen wichtigen Beitrag zur deutschen Wirtschaft und zum Klimaschutz. “Durch die fehlenden Investitionen droht alles zu scheitern, was die Bahn zum Deutschlandtakt beitragen soll”, macht Tarek deutlich. Der Deutschlandtakt, ein Vorhaben von Politik, Bahn, Gewerkschaften und Verbänden, soll die Bahn zum Verkehrsmittel der Zukunft machen – “dank abgestimmter, verlässlicher Verbindungen im Nah-, Fern- und Güterverkehr” heißt es auf der Internetseite. Sprich: Rollt der Güterverkehr nicht, hat das Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft, die Industrie und ihre Zuliefererbetriebe.
Für Tarek ist klar: Der Bund muss zu seinen Versprechen stehen. “Wir brauchen eine Schiene, die zukunftsfähig ist. Das bedeutet nicht nur Investitionen in Infrastruktur, sondern auch in die Menschen, die die Bahn am Laufen halten.” Die kommenden Jahre werden entscheidend sein – für die Deutsche Bahn und eine starke Wirtschaft, die Beschäftigten, und die Millionen Menschen, die täglich Bahn fahren.
Investitionsstau in Deutschland
Der Brückenkollaps: Deutschland steht im Sanierungsstau
Rote Rücklichter, wohin man blickt. Jeden Morgen stundenlang im Stau stehen, weil die Brücke gesperrt ist? Wer verstehen möchte, welche gravierenden Folgen der jahrelange Sparzwang für Wirtschaft und Menschen hat, der sollte sich die Lage entlang der A45 in NRW anschauen. Seit rund fünf Jahren ist die Rahmedetalbrücke bei Lüdenscheid gesperrt. Eine Katastrophe für eine ganze Industrieregion. Die Vollsperrung führt zu riesigen Staus und Verspätungen, weil die marode Brücke kilometerweit umfahren werden muss.
Beschäftigte haben ihre Jobs gekündigt, weil sich der Arbeitsweg von Dortmund ins Sauerland mit zwei oder drei Stunden Fahrtzeit pro Tag nicht mehr lohnt. “Die, die ihren Job noch haben, müssen Abstriche im Feierabend machen, können ihre Kinder nicht zum Fußball bringen oder sich um die Hausaufgaben kümmern”, erzählt Fabian Ferber, 1. Bevollmächtigter und Kassierer der IG Metall Märkischer Kreis.
Es gibt Busfahrer*innen, die ihren Job nicht mehr ausüben können, weil sie durch die enormen Staus in und um Lüdenscheid den Fahrplan nicht mehr einhalten konnten. Der psychische Stress war zu groß. All diese Geschichten kennt Fabian Ferber. “Es gibt Unternehmen, die jährlich hohe sechsstellige Summen verlieren, weil der Transport ihrer Produkte über weite Umwege laufen muss”, berichtet Ferber.
Es gibt Unternehmen, die jährlich hohe sechsstellige Summen verlieren, weil der Transport ihrer Produkte über weite Umwege laufen muss.
Langwierige Brückensanierung
Was ihn besonders ärgert: Die Sanierung ist hinausgezögert worden. “Obwohl klar war, was auf uns zukommt, hat der damalige Verkehrsminister Henrik Wüst von der CDU die Lage ignoriert.” Im Nachbarland Hessen seien Brücken und Straßen schon vor mehr als zehn Jahren saniert worden. Bis 2026 soll die Brücke nun saniert sein. Allerdings ist das erst der Auftakt, denn auch alle weiteren rund 70 Brücken auf der A45 müssen dringend überarbeitet werden.
Das Beispiel zeigt, wie sehr der Staat in der Pflicht steht, endlich in die öffentliche Infrastruktur zu investieren. Der DGB fordert seit Jahren Investitionen in Höhe von mindestens 600 Milliarden Euro, um das Land und die Wirtschaft zu modernisieren.
Unsere Forderungen
- Alle finanziellen Spielräume für Investitionen nutzen und die Schuldenbremse reformieren
- Sonderfonds für Infrastruktur und Transformation im Grundgesetz verankern
- Investitionen in Fachkräfte im öffentlichen Dienst erhöhen
- Zukunftstechnologien aktiv fördern für Klimaneutralität
- Planungssicherheit durch verlässliche öffentliche Mittel
Geflickte Ruinen statt Bildungstempel
Was der jahrelange Investitionsstau bedeutet, kann auch Laura Pinnig erzählen, Grundschullehrerin in Berlin-Spandau und aktiv in der GEW. “Wir Lehrkräfte spüren deutlich, dass die halbe Schule zusammenfällt”, erzählt sie. Eigentlich sollte das Schulgebäude vor zwei Jahren saniert werden – jetzt wurden die Maßnahmen erneut um drei Jahre verschoben. “Wir glauben schon gar nicht mehr dran, dass es irgendwann wirklich losgeht”, berichtet sie.
Die bisherigen Maßnahmen reichen hinten und vorne nicht: “Wenn etwas ausgebessert wird, dann immer nur ganz billig und nicht nachhaltig. Zum Beispiel war der Treppenbelag durch, das wurde repariert, aber nur mit Plastikkanten, statt ordentlicher Metallkanten – da weiß man schon direkt, dass es am Ende des Schuljahres wieder kaputt ist.”
Auch auf einen Ergänzungsbau warten die Lehrkräfte an ihrer Schule seit Jahren. An Platz mangelt es überall. Schultoiletten sind oft sinnbildlich für den Zustand der Schulen und ein Thema für sich. Auch an Laura Pinnigs Schule sind sie veraltet und oft verdreckt. Sie vermutet, dass sich ein Teil des Vandalismus durch Schüler*innen vermeiden ließe, wenn die Nassräume insgesamt in einem moderneren Zustand und saniert wären.
Sparkurs auf Kosten der Kinder
So sagt es beispielsweise auch die "Broken Window"-Theorie: Wenn an einem Haus ein Fenster zerbrochen ist, werden auch die anderen Fenster bald eingeworfen. Die Haushaltskürzungen in Berlin bringen nun weitere Einschränkungen für die Lehrkräfte.
Bei den Lehrer*innen verfestigt sich der Eindruck: “Hier wird gespart an jeder Ecke“. Für die Lehrerin steht fest: Jeder Cent, der jetzt nicht ausgegeben wird, wird an der Zukunft der Kinder gespart. „Das ist eine Generation, die in der Pandemie sehr gelitten hat”, erklärt sie.
An ihrer Schule haben viele Kinder während der Schul-Lockdowns zu wenig Bewegung gehabt, ungesunde Ernährung und zu viel Medienkonsum. Die Folgen davon müssen jetzt abgefedert werden. "Das sollten uns diese Kinder als Gesellschaft wert sein! Dass jetzt noch weiter gekürzt werden soll, frustriert mich sehr", so Pinnig.