Der 8. März stand voll unter der Überschrift "Die Zukunft für Arbeitnehmer*innen im Handwerk gestalten". Morgens lud der DGB zusammen mit dem Kolpingwerk Deutschland die Arbeitnehmervizepräsident*innen zu einer Frühstücksveranstaltung ein: "Zukunft ist, wenn wir es anpacken". Dabei ging es um den anstehenden Zukunftsdialog Handwerk, für den der Startschuss im Rahmen der Eröffnung der internationalen Handwerksmesse (IHM) später am Tag gegeben wurde.
Gemeinsam Lösungen entwickeln
Mit dem Zukunftsdialog Handwerk soll an den Branchendialog von 2015 angeknüpft werden. Seinerzeit waren bereits wichtige Transformationsthemen wie die Gestaltung der Digitalisierung im Handwerk vom Bundeswirtschaftsministerium, dem Zentralverband des Handwerks (ZDH) und dem DGB mit einer gemeinsamen Erklärung angesprochen worden – unter anderem die Notwendigkeit, die Tarifbindung im Handwerk zu stärken, um Fachkräfte an das Handwerk zu binden.
Der Zukunftsdialog Handwerk mit Formaten vor Ort soll die guten Ideen aufnehmen, weiterentwickeln und gemeinsam Lösungen entwickeln. Welche Themen sich damit für den DGB und für das Kolpingwerk, die in der Handwerksarbeit eng kooperieren, verbinden: Darum sollte es bei der Frühstücksveranstaltung gehen.
Arbeitsbedingungen verbessern, Tarifbindung erhöhen
Zum Einstieg gab Prof. Gerhard Bosch von der Universität Duisburg-Essen einen Überblick über den Strukturwandel im Baugewerbe. Er zeigte auf, wie sich die Betriebsstruktur und damit auch die Beschäftigung im Bauhauptgewerbe über das vergangene Jahrzehnt verändert hat. Sein Fazit: Im Bauhauptgewerbe zeigen sich exemplarisch die Stärken, aber auch die Schwächen des Handwerks. Auf der einen Seite: eine gute Ausbildung und vielfältige, abwechslungsreiche Arbeit mit hoher Selbstständigkeit. Auf der anderen Seite: Die Ausbildungszahlen gehen zurück, die Arbeitsbelastung ist hoch und es fehlt die Anerkennung, was sich auch in den immer weiter gefallenen Löhnen ausdrückt. Entsprechend hoch ist die Abwanderung aus dem Handwerk in andere Bereiche der Wirtschaft. Hier müsse sich einiges ändern, wenn der Fachkräftebedarf gedeckt werden soll. Zuwanderung kann ein Teil der Lösung sein. Wichtiger aber wäre es, die Arbeitsbedingungen für alle zu verbessern. Dafür sei es unerlässlich, die Sozialpartnerschaft im Handwerk wieder zu stärken und die Tarifbindung deutlich zu erhöhen.
Sozialpartnerschaft im Handwerk stärken
In einer Podiumsrunde, die von Kathrin Zellner, der Arbeitnehmervizepräsidentin der HWK Niederbayern/Oberpfalz moderiert wurde, formulierten Stefan Körzell, Mitglied des Geschäftsführenden DGB-Bundesvorstands, Carsten Burkhardt, Bundesvorstandsmitglied der IG BAU und Ralf Kutzner, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, gemeinsam mit der Vorsitzenden des Kolpingwerks, Ursula Groden Kranich und Joachim Noll, dem DHKT-Arbeitnehmervizepräsidenten, Anforderungen an den Zukunftsdialog Handwerk.
Stefan Körzell bestätigte die Sicht von Prof. Bosch, dass es für das Handwerk essenziell sei, Fachkräfte zu gewinnen und langfristig im Handwerk zu halten und dass hier Sozialpartnerschaft und eine deutliche Verbesserung der Tarifbindung wichtige Schlüssel zur Lösung seien. Sich hier im Dialog mit Politik und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks auf den Weg zu machen, sei richtig.
Bezahlbares Wohnen für Auszubildende
Ursula Groden-Kranich hob hervor, wie wichtig es sei, die Attraktivität der Ausbildung im Handwerk zu erhöhen, zum Beispiel auch durch eine Förderung des Azubi- und Jugendwohnens. Wichtig sei es auch, dass niemand auf dem Weg verloren gehe, so dass man Jugendlichen mit schwierigen Startbedingungen auch künftig bei wachsenden Anforderungen Chancen geben muss. Hier leistet das Jugendwohnen einen wichtigen Beitrag. Darüber hinaus seien auch weitere Instrumente der Ausbildungsbegleitung wichtig (wie die Assistierte Ausbildung flex, die auch die früheren ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) enthält), die die Jugendlichen auf ihrem Weg zum Abschluss einer qualifizierten Ausbildung unterstützen.
Fachkräfte im Handwerk halten
Fachkräfte im Handwerk zu halten ist ein Thema, das die IG BAU schon lange vor den aktuellen Transformationsdebatten beschäftigte, so Carsten Burckhardt, und das zur Gründung der Sozialkassen beigetragen hat. Ziel war es seinerzeit, das Bauhauptgewerbe für Beschäftigte attraktiv zu machen, die beispielsweise bedingt durch saisonales Arbeiten und kurzfristige Beschäftigungszeiten nicht die gleichen Rentenansprüche aufbauen könnten wie Arbeitnehmer*innen in anderen Wirtschaftsbereichen.
Carsten Burckhardt machte deutlich, welchen wichtigen Beitrag die Sozialkassen auch heute, vor dem von Prof. Bosch beschriebenen Hintergrund, dass sich die Betriebsstruktur im Bauhauptgewerbe massiv verändert hat, leisten, eine hochqualitative Berufsausbildung sicherzustellen und den Bereich für Fachkräfte attraktiv zu halten. So sei es beispielsweise im Dachdeckerhandwerk gelungen, erstmals Fragen der Klimaanpassung in einem Tarifvertrag zu regeln. Auch der Weiterbildungstarifvertrag im Gerüstbauhandwerk zeige die Möglichkeiten und Chancen für das Handwerk, die die Tarifpartnerschaft eröffnet. Genauso wichtig sei es aber auch, die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Betriebe, die sich tarifvertraglich binden, nicht benachteiligt würden.
Tarifbindung stärken, Tariftreue belohnen
Dass Sozial- und Tarifpartnerschaft im Handwerk aber auch ohne Sozialkassen möglich und umsetzbar ist, erläuterte Ralf Kutzner sehr eindrücklich anhand eines Verbändepapiers, das die IG Metall gemeinsam mit vier Handwerksverbänden aus klimarelevanten Gewerken im vergangenen Jahr veröffentlicht hat. Hierin werden gemeinsame Anforderungen an die Politik für eine erfolgreiche Gestaltung der Klimawende formuliert. Für alle beteiligten Verbände war dabei klar, dass fairer Wettbewerb und Tarifbindung Hand in Hand gehen. Deshalb fordert man auch gemeinsam eine Koppelung von Fördermitteln für die energetische Gebäudesanierung an Tarifbindung.
Bei der darauffolgenden Diskussion mit den im Saal anwesenden Arbeitnehmervizepräsident*innen der Handwerkskammern herrschte große Einigkeit: Es ist wichtig, vor Ort den Dialog mit den Innungen und Innungsverbänden wieder zu beleben und konkrete Lösungen zu suchen. Genauso wichtig ist es aber, sich gemeinsam für Rahmenbedingungen einzusetzen, die zur Stärkung der Tarifbindung im Handwerk beitragen. Hierzu gehört ein Vergabegesetz, dass Tariftreue zur Pflicht macht, ebenso wie ein Fachkräftezuwanderungsgesetz, das faire Arbeit und gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit für alle Zuwandernden, sicherstellt.
Frauen im Handwerk
Zu den Themen des Zukunftsdialogs gehört - nicht nur weil dieser am internationalen Frauentag gestartet wurde - auch die Frage, wie Frauen im Handwerk gefördert werden können. In einem zweiten Panel haben Kathrin Zellner und die Arbeitnehmervizepräsidentin Stephanie Wlodarski der Handwerkskammer Hannover, moderiert von Thomas Erdmann, dem Arbeitnehmervizepräsidenten der Handwerkskammer Potsdam anschaulich gemacht, welchen Herausforderungen sie sich im Handwerk und im handwerklichen Ehrenamt stellen müssen und welche Angebote für Frauen sie in ihren Kammern mit aufgebaut haben und begleiten:
Handwerkskammer Hannover: K.O.N.E.K.T. Treffpunkt für Frauen im Handwerk
Handwerkskammer Niederbayern/Oberpfalz: Kurs aufs Handwerk. (Mehr) Mädchen fürs Handwerk gewinnen
Rundgang auf der Internationalen Handwerksmesse
Nach der Veranstaltung luden Kathrin Zellner, die Sprecherin der bayerischen Arbeitnehmervizepräsident*innen, und Joachim Noll, der DHKT-Arbeitnehmervizepräsident, zu einem kleinen Messerundgang ein. Hier ergab sich die Gelegenheit zum Austausch mit den bayerischen Landesinnungsverbänden der Bäcker und des Metzgerhandwerks. Am Stand des Bundeswirtschaftsministeriums wartete ein spannender Austausch mit Vertreter*innen der Bundesinnungsverbände des Elektrohandwerks und der Dachdecker. Themen waren die Digitalisierungsaktivitäten des ZVEH sowie die Gewerke übergreifende Zusammenarbeit der beiden Verbände.
Offizieller Startschuss für den Zukunftsdialog Handwerk
Am Nachmittag fiel dann der Startschuss für den Zukunftsdialog Handwerk. Gemeinsam stellten Jörg Dittrich, der ZDH-Präsident, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Stefan Körzell den Dialog in der Eröffnungsveranstaltung vor. Gemeinsam wollen Sozialpartner und Politik so den Rahmen stecken für einen offenen und partnerschaftlichen Austausch vor Ort, um den Wandel der Handwerksbranche zusammen zukunftssicher zu gestalten. In Formaten in den Kammerbezirken, an denen Akteure vor Ort – Gewerkschaften, Innungen, Betriebe, Arbeitnehmer beteiligt werden, sollen gemeinsam Lösungen entwickelt werden für die drängenden Herausforderungen der Transformation.
DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sagte am Mittwoch in München:
"Wir freuen uns auf die Gespräche. Gemeinsam mit dem ZDH und der Politik wollen wir dafür sorgen, dass die Transformation im Handwerk zu einem Erfolgsmodell wird. Das Thema Fachkräftesicherung spielt dabei eine elementare Rolle, wobei es auch um die Fragen geht, wie die Qualifizierung der Beschäftigten und die Tarifbindung gestärkt werden können.
Die Megathemen demografischer Wandel, Digitalisierung und Transformation zu einer klimaneutralen Gesellschaft betreffen die Branche besonders: Das Handwerk ist zentraler gestaltender Akteur. Es braucht Handwerkerinnen und Handwerker, um Solardächer und Wärmepumpen zu installieren, Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität aufzubauen und auch Häuser energetisch zu sanieren und barrierefrei umzubauen. Handwerksbetriebe und ihre Beschäftigten stehen dabei vor ähnlichen Herausforderungen wie viele andere Bereiche der Wirtschaft auch. Fachkräfte werden händeringend gesucht. Menschen für das Handwerk zu begeistern, sie im Handwerk zu halten, beziehungsweise für das Handwerk zurückzugewinnen, ist eine zentrale Zukunftsaufgabe."
Gute Wünsche von Wirtschaftsminister Robert Habeck
Wirtschaftsminister Robert Habeck betonte, dass es wichtig sei, den Dialog auch vor Ort in den Regionen zu führen, um die Herausforderungen, aber auch Chancen, die Energiewende, Klimawandel, Digitalisierung und demografischer Wandel für das Handwerk mit sich bringen, gezielt in den Blick zu nehmen."
Abgerundet wurde der Tag vom Besuch des Bundeswirtschaftsministers am gemeinsamen Messe-Stand von DGB und IG Metall, wo es auch noch einmal einen kurzen Austausch zu den Zielen des Zukunftsdialogs gab.
Der Bundesminister hinterließ dabei ebenso wie viele Messebesucher*innen in den darauffolgenden Tagen einige Wünsche für den Zukunftsdialog Handwerk. Der Stand bot darüber hinaus über die gesamte Dauer der internationalen Handwerksmesse die Möglichkeit, sich mit Ansprechpartner*innen von DGB und IG Metall auszutauschen und in die Gewerkschaft einzutreten. Darüber hinaus sorgte ein nachhaltiger Kicker aus Pappe für Staunen und gute Begegnungen in partnerschaftlichem Kräftemessen. Ein Glücksrad und damit verbundene Quizfragen zur Länge der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder der gesetzlichen Wochenarbeitszeit, wie auch die Frage danach, seit wann Männer den Arbeitsvertrag ihrer Ehefrau nicht mehr kündigen dürfen, sorgten bei jungen wie auch bei nicht mehr ganz so jungen Messebesucher*innen immer wieder für ungläubige Nachfragen.