"Wir leben in Zeiten, in denen die Beseitigung des Investitionsstaus wichtiger ist als die schwarze Null"

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Dachzeile Interview mit Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende

Am 23. Juni findet der 21. Internationale Tag des öffentlichen Dienstes statt, der 2003 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen wurde. Ein guter Anlass, um mit Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des DGB und in diesem für den öffentlichen Dienst zuständig, über aktuelle Herausforderungen, Verwaltungs-Bashing und Zukunftssorgen zu sprechen.

 

Liebe Elke, zu Beginn eine ganz persönliche Frage: Was verbindest du mit dem öffentlichen Dienst?

Große Verantwortung! Mein Vater war Polizeibeamter und hatte sein Büro lange in unserer Wohnung. So haben wir Kinder schnell die Wichtigkeit seiner Arbeit verstanden. Die Polizei – dein Freund und Helfer – das war für uns unser Vater. Meine Schwester war Beamtin im kommunalen Dienst. Der öffentliche Dienst war also allgegenwärtig!

Mit dem Internationalen Tag des öffentlichen Dienstes sollen unter anderem dessen Wert und die Arbeit der für die Gesellschaft Tätigen anerkannt werden. Kommt die Würdigung der Beschäftigten deiner Meinung nach bei uns zu kurz? 

In den meisten demokratischen Ländern wird der öffentliche Sektor positiv gesehen und das Vertrauen ist sehr groß. In Deutschland hat man hingegen den Eindruck, dass Verwaltungs-Bashing zum guten Ton gehört. Wenn über den öffentlichen Dienst gesprochen wird, dann heißt es oft, dieser sei zu aufgebläht, zu bürokratisch, die Beschäftigten zu langsam und eh dauerkrank. Selten werden jedoch die Gründe bemängelt, die dazu geführt haben, dass der öffentliche Dienst an vielen Stellen hinkt. Stattdessen werden die Beschäftigten für politische Entscheidungen verantwortlich gemacht, nicht selten mittlerweile sogar körperlich angegriffen. Dabei sind sie diejenigen, die unter den schlechten Bedingungen zu leiden haben. Schauen wir uns beispielsweise den Schulbereich an. In Teilzeit tätigen Lehrerinnen und Lehrern wird die Schuld dafür gegeben, dass Unterricht ausfällt, Klassen zu groß sind oder auch inklusive Maßnahmen nicht erfolgreich umgesetzt werden können. Dabei ist für viele von ihnen die Teilzeit der einzige Weg, um nicht wegen Überlastung auf Dauer auszufallen. Doch anstatt die Arbeitsbedingungen zu verbessern, schränken die Länder lieber die Möglichkeiten ein, Teilzeit zu arbeiten. Anerkennung sieht tatsächlich anders aus. 

Bund, Länder und Kommunen verweisen in der Diskussion oft auf fehlende finanzielle Mittel, um die notwenigen Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen ergreifen zu können. Wenig überzeugend nach deiner Ansicht? 

Der Verweis ist wenig überzeugend, weil die Probleme doch hausgemacht sind. Die Schuldenbremse verhindert Investitionen, die für die Zukunft unseres Landes wichtig sind. Dabei stehen wir vor Herausforderungen, die einen aktiven und gestaltenden öffentlichen Dienst unabdingbar machen. Deswegen fordert der DGB die Abschaffung oder aber zumindest grundlegende Reformierung der Schuldenbremse. Wir leben – auch krisenbedingt – in Zeiten, in denen wir es uns schlichtweg nicht leisten können, dass die Schwarze Null wichtiger ist als die Beseitigung des Investitionsstaus. Das ist im Übrigen auch alles andere als generationengerecht. Es ist daher auch vollkommen richtig, dass sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser den Sparvorgaben des Bundesfinanzministers widersetzt.

Seit 2013 bist du im DGB unter anderem für den Bereich öffentlicher Dienst zuständig. Die aktuellen Herausforderungen reichen vom bereits angesprochenen Personalmangel, über die stockende Digitalisierung und baufälligen Dienststellen bis hin zu fehlenden öffentlichen Angeboten wie Schwimmbädern oder Bibliotheken. Vor zehn Jahren sah die Problemlage nicht wirklich anders aus. Was läuft falsch?

Die Frage, die wir als Gesellschaft endlich ehrlich beantworten müssen ist, was uns ein handlungs- und leistungsfähiger öffentlicher Dienst wert ist. Man kann nicht auf der einen Seite über Jahre nur den Rotstift ansetzen, und auf der anderen dann die Beschäftigten dafür verantwortlich machen, dass es nicht rund läuft. Da sind auch die Bürgerinnen und Bürger gefragt. Ein fortschrittliches integratives funktionierendes Bildungssystem, moderne Verwaltungen oder auch eine gut ausgestattete Polizei gibt es nicht zum Nulltarif. Hier muss ein gesellschaftlicher Konsens darüber her, dass Investitionen in den öffentlichen Dienst notwendig sind, um unserer aller Lebensqualität zu sichern und die wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben. Hinzu kommt, dass die Anforderungen an den öffentlichen Dienst zukünftig nicht kleiner werden. Denken wir nur an die Auswirkungen des Klimawandels, die insbesondere die Kommunen vor immense Herausforderungen stellen. Symptomatisch ist hier, dass oftmals die geschaffenen Stellen der Klimaschutzmanagerinnen und -manager befristet sind. Dabei ist doch illusorisch, dass wir auf die Expertise dieser Beschäftigten in den nächsten Jahrzehnten wieder verzichten können. 

Elke, lass uns zum Schluss unseres Gespräches einen Blick auf den Bund, genauer gesagt auf die nicht amtsangemessene Besoldung der Bundesbeamtinnen und -beamten werfen. 2021 erkannte die damalige schwarz-rote Bundesregierung nach einer Überprüfung der Bundesbesoldung Handlungsbedarf. Passiert ist seitdem nicht viel. Was sagt der DGB dazu? 

Ganz klar: Die Gesetzgeber müssen das Alimentationsprinzip endlich ernst nehmen. Lange Hängepartien zur Behebung offensichtlicher Missstände entwerten diesen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums. Schließlich ist das Beamtenverhältnis keine Einbahnstraße. Nicht nur die Beamtinnen und Beamten treffen Pflichten, sondern auch deren Dienstherren. Doch seit der Föderalismusreform I nutzen diese ihre Gesetzgebungskompetenz und Gestaltungsfreiheit auf eine Art und Weise, die etwa den Grundsatz der amtsangemessenen Besoldung zunehmend aushöhlt. Dass der Dienstherr Bund da keine Ausnahme ist, zeigt die Verzögerungstaktik der Bundesregierung. Das Bundesverfassungsgericht stellte 2018 klar, dass das Alimentationsprinzip das allgemeine Beamtenstreikverbot rechtfertige. Es ist zu bezweifeln, dass das Gericht diese Aussage in der Absolutheit angesichts der Besoldungspolitik insbesondere des Bundes heute noch treffen würde. Im Übrigen ist auch die - bislang nicht wieder zurückgenommene - Erhöhung der Wochenarbeitszeit keine vertrauensbildende Maßnahme gewesen. 2004 wurde die Wochenarbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes von durchschnittlich 38,5 auf erst 40 und letztlich auf 41 Stunden angehoben. Bis 2014 sollte das gelten. Und nun, 2024, sind wir noch immer bei 41 Stunden. Zu Recht empfinden die Beamtinnen und Beamten ein solches Vorgehen als fehlende Wertschätzung.

Liebe Elke, vielen Dank für das Gespräch.
 

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