Wie Künstliche Intelligenz die Gewerkschaftsarbeit verändert

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Fran Drescher, vielen bekannt aus der 1990er Serie „Die Nanny“ – und jetzt Vorsitzende der amerikanischen Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA, ist kämpferisch in den aktuellen Tarifverhandlungen der US-Filmindustrie, etwa wenn sie den Disney-Boss Bob Iger kritisiert: „Er steigt in seinen Privat-Jet und tönt, unsere Forderungen wären überzogen, während er 78.000 Dollar am Tag verdient. Idiot!“ Klare Worte. Eigentlich passt ein Streik, der die gesamte Film- und Serienproduktion lahmlegt, nicht zu den gängigen Nachrichten, die in Europa über die Traumfabrik kursieren. So soll etwa der Schauspieler Robert Downey Junior 40 Millionen Dollar für seine Darstellung im letzten Marvel-Film erhalten haben.

Angst vor Künstlicher Intelligenz: Avatare ersetzen Schauspieler

Doch SAG-AFTRA geht es vor allem um die vielen Mitglieder, die keine großen Engagements haben. Nach dem Drehschluss müssen viele wieder kellnern, putzen oder im Callcenter arbeiten. Die Mehrheit der Schauspieler*innen ist kaum geschützt vor Arbeitslosigkeit oder Krankheit: Laut der SAG-AFTRA sollen mehr als 85 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder nicht genug verdienen, um sich für die Krankenversicherung zu qualifizieren, das wären etwa 26.470 Dollar im Jahr. Zudem steigen auch in den USA die Preise und Lebenshaltungskosten. Die Inflationsrate liegt aktuell bei 3,5 Prozent. SAG-AFTRA fordert einen Inflationsausgleich und ein Vergütungssystem, das den neuen Vertriebsmöglichkeiten und dem veränderten Sehverhalten des Publikums Rechnung trägt.
Doch die Gewerkschaft hat noch einen weiteren zentralen Baustein in den Forderungskatalog genommen. Sie möchte von den Filmstudios eine Zusage, dass Schauspieler*innen künftig nicht durch Künstliche Intelligenz ersetzt werden. Seit der Veröffentlichung von ChatGPT im November vergangenen Jahres ist vielen klar geworden, wie gut selbstlernende Maschinen sein können. Die Sorge, dass künftig Drehbücher per KI geschrieben oder Charaktere künstlich generiert werden, ist berechtigt. Mit einmal angefertigten Gesichts- und Körperscans von Darsteller*innen könnten unter Zuhilfenahme der KI neue Filme entstehen. Die realen Menschen müssten nicht erneut engagiert werden. Statistenrollen, so die Befürchtung, würden ausschließlich digital kreiert. Die Studios und Streamingdienste widersprechen der Darstellung. Die Fronten sind verhärtet. Verschiedene Film- und Serienprojekte liegen auf Eis. Filmstarts sind auf das kommende Jahr verschoben worden, da auch keine Promotion standfinden darf.

Zuschauer wünschen sich mehr KI

Beachtlich ist das Mobilisierungspotenzial: sowohl für die Gewerkschaft als auch in den Medien. Ein Großteil der 65.000 Schauspieler*innen der SAG-AFTRA beteiligt sich an den lokalen Streikmaßnahmen. Prominente Stars wie Meryl Streep oder George Clooney unterstützen den Streikfonds mit Millionenspenden. Die Webseite www.sagaftrastrike.org ist umfassend mit Infos ausgestattet. Es gibt Tipps für Mitglieder und Influencer*innen auf Social Media sowie eine Meldestelle, bei der Streikbrecher*innen gemeldet werden können. Es ist der erste große Streik in der Branche seit mindestens 40 Jahren.
Wie stark der Einsatz von KI in der Filmbranche werden könnte, zeigt auch eine Umfrage des Digitalbranchenverbandes Bitkom: 38 Prozent der Nutzer*innen von Videostreaming wünschen sich, einer KI wie ChatGPT schildern zu können, welche Art von Sendung sie schauen möchten, sodass diese dann eine Sendung nur für sie erschafft. 44 Prozent wünschen sich, dass eine KI wie ChatGPT eine Sendung automatisch für sie startet, nachdem sie ihr gesagt haben, welche Art Sendung sie schauen möchten. Nur etwa die Hälfte (53 Prozent) würde sich daran stören, wenn eine KI die Handlung von Serien oder Filmen erstellt hätte. Viele wünschen sich sogar individuell durch eine KI auf sie zugeschnittene Plots und Verläufe im Film, teilt Bitkom mit.

Bisher kein flächendeckender Einsatz von KI in Deutschland

Welchen Einfluss selbstlernende Systeme für die Arbeitswelt generell haben, ist Bestandteil vieler aktueller Prognosen, die im Wochentakt veröffentlicht werden. Ähnlich wie Vorhersagen auf die ökonomische Zukunft, kann man ihnen glauben – oder auch nicht. Aktuell gibt es nur wenige valide Daten, die den konkreten Einfluss von KI dokumentieren. Eine ifo-Analyse zeigt etwa, dass in 13,3 Prozent der deutschen Unternehmen KI im Einsatz ist, weitere 9,2 Prozent planen damit. Vier von fünf Unternehmen diskutieren noch oder sehen in der KI kein Thema für sich. „Große Sprünge sind aktuell nicht zu erwarten: Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage halten sich viele Unternehmen in Deutschland mit Investitionen in digitale Technologien zurück“, schreibt der Wissenschaftler Holger Schmidt von der TU Darmstadt. Immerhin gibt es einen deutlichen Anstieg von KI-Kenntnissen in Stellenanzeigen. In etwas mehr als 600 Jobinseraten haben Arbeitgeber im Juni nach Fachkräften gesucht, die sich mit generativer KI oder konkret mit ChatGPT auskennen.

Gewerkschaften nutzen selbstlernende Systeme

Auch Gewerkschaften testen den Einsatz von KI. Über einen ersten praktischen Versuch mit einem solchen KI-Bot im Gewerkschaftsdienst berichtet IndustriAll Europe. Getestet haben diesen die australische United Workers Union (UWU) und die US-Gewerkschaft United for Respect. Das Resümee: „Der Wert des Chatbots bestand nicht nur in der Beantwortung von Fragen, sondern besser zu verstehen, wer in den Betrieben Fragen stellt und welche die Hauptprobleme der Arbeitnehmer sind.“ Die Möglichkeit, Probleme auf diese Weise zu erfassen, wurde dann bei der Vorbereitung von Arbeitsplatzbesuchen eingesetzt. Die KI-Bots waren auch sehr wertvoll in Branchen, in denen die Beschäftigten keinen physischen Arbeitsplatz hatten, wie z. B. in der häuslichen Pflege, und ermöglichten es der Gewerkschaft, Themen aufzugreifen und zu organisieren, die andernfalls vielleicht nicht zu erkennen gewesen wären.

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