Was ist Union Busting?

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Bekämpfung von Betriebsräten

Der Begriff "Union Busting" kommt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt Gewerkschaften sprengen, bekämpfen, kaputtmachen. Gemeint ist das systematische und professionell geplante Vorgehen gegen gewerkschaftliche Interessenvertretungen. In Deutschland geht es dabei meistens um die Be- oder Verhinderung von Betriebsratsarbeit. Ein Phänomen, das es eigentlich gar nicht geben dürfte: Im Betriebsverfassungsgesetz ist die Mitbestimmung von Arbeitnehmer*innen klar geregelt und gesetzlich geschützt. Wer die Wahl oder die Arbeit eines Betriebsrats behindert oder stört muss mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr rechnen. Die Störung oder Behinderung von Betriebsratsgründungen durch Arbeitgeber soll künftig von der Justiz auf Verdacht von Amts wegen auch ohne vorliegende Anzeige als Straftat verfolgt werden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will mit einer Verschärfung des Strafrechts künftig die Bildung von Betriebsräten auch gegen den Widerstand von Arbeitgebern erleichtern.

Recht? Mir doch egal!

Die Realität sieht leider anders aus. Seit einigen Jahren häufen sich die Fälle von Union Busting, in einigen Branchen ist die Behinderung oder Vermeidung von Betriebsräten inzwischen gängige Praxis. Juristische Folgen hat das kaum: Die im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Sanktionen werden nur in den seltensten Fällen durchgesetzt. Obwohl sie ganz offensichtlich gegen geltendes Recht verstoßen kommen die Unternehmen also oft straffrei davon. Dadurch nimmt das Unrechtbewusstsein immer stärker ab, der bewusste Rechtsbruch ist in einigen Branchen und Beschäftigungsformen längst normales Alltagsgeschäft.

Ursprungsland USA

In Deutschland ist professionelles Union Busting ein relativ neues Phänomen. In den USA dagegen ist es seit Jahrzehnten bekannt – und ein etabliertes Geschäftsfeld für hochbezahlte Anwält*innen, Berater*innen und Coaches, die sich auf Gewerkschaftsvermeidung spezialisiert haben. Sie haben erheblich zum Niedergang der traditionellen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung nach dem zweiten Weltkrieg beigetragen. Im Rahmen der Globalisierung haben sich die Praktiken des Union Busting auch in anderen Ländern verbreitet, zum Beispiel in Deutschland. Obwohl die Rechtslage hier eine andere ist und betriebliche Interessensvertretungen eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz genießen, häufen sich auch bei uns die Fälle von Union Busting. Noch sind wir zwar meilenweit von amerikanischen Verhältnissen entfernt – doch der Druck steigt.

Union Busting als Dienstleistung 

Auch in Deutschland wenden Teile der Unternehmerschaft zunehmend us-amerikanische Methoden an, um betriebliche Interessensvertretungen zu bekämpfen. Sie versuchen systematisch, die Gründung oder die Arbeit von Betriebsräten in ihren Unternehmen zu be- oder verhindern und arbeiten dabei oft mit spezialisierten Anwälte*innen, Medienagenturen und Detekteien zusammen. Zu deren Repertoire gehören unter anderem

  • die Verhinderung von Betriebsratswahlen
  • die Einschüchterung und Überwachung von Betriebsräten und Betriebsratswahlkandidat*innen
  • die Gewährung von Vorteilen für unternehmerfreundliche Betriebsräte
  • die Verhinderung von kritischen Presseberichten.

Im letzten Jahrzehnt haben sich in Deutschland Netzwerke herausgebildet, in denen verschiedene Akteure Dienstleistungen rund um Union Busting entwickeln und anbieten. Die gezielte Bekämpfung von Betriebsräten wird aufgrund der rechtlichen Bestimmungen in der Regel nicht offensiv beworben, aber zwischen den Zeilen formuliert („Prinzip der betrieblichen Effektivität“). Zu diesen Netzwerken gehören Unternehmensberatungen, Anwaltskanzleien, Arbeitgeberverbände und Wirtschaftsdetekteien, aber auch Universitäten, an denen Jurist*innen und Betriebswirtschaftler*innen ausgebildet werden.

"betriebsratsverseucht"

2009 wurde das Adjektiv „betriebsratsverseucht“ zum Unwort des Jahres gewählt. Durch einen Bericht des ARD-Magazins „Monitor“ war bekannt geworden, dass Abteilungsleiter einer Baumarktkette diesen Begriff benutzen, wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin zwischen einer Filiale mit Betriebsrat in eine Filiale ohne Betriebsrat wechseln will. Die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen als Seuche zu bezeichnen sei ein sprachlicher Tiefpunkt im Umgang mit Lohnabhängigen, so die Begründung der Jury.

Ziel: betriebsratsfreie Zonen

Das Ziel der Union Busting-Akteure ist klar: Sie wollen die Betriebe zu betriebsratsfreien Zonen machen oder diesen Status halten. Betriebsräte genießen besonderen Kündigungsschutz, können in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit eingreifen und stellen sich schützend vor Kolleg*innen, die von ihrem Arbeitgeber verdächtigt, schikaniert oder unter Druck gesetzt werden. Meistens sitzen in den Gremien besonders profilierte und erfahrene Vertreter*innen von Arbeitnehmerinteressen, die bei Konflikten als ernstzunehmende Gegenspieler der Geschäftsleitung auftreten können – und deshalb aus Sicht der Union Buster aus dem Weg geräumt oder gar nicht erst zugelassen werden dürfen. „Die Bedeutung des Betriebsverfassungsgesetzes und die Rolle der Gewerkschaften scheinen bei einem Teil der Arbeitgeberseite an Anerkennung zu verlieren. Sie sehen das deutsche Modell der Mitbestimmung in erster Linie als Kostenfaktor und "Relikt einer vergangenen Epoche“, so die Otto Brenner Stiftung in einer Studie zum Union Busting.

Methoden der Union Buster

Eine Strategie der Union Buster, um unliebsame Betriebsräte oder Betriebsratskandidat*innen loszuwerden, ist die gezielte Inszenierung von Kündigungsgründen. Häufig werden auch fristlose Kündigungen ausgesprochen – in vollem Bewusstsein, dass diese sich vor dem Arbeitsgericht nicht haltbar sind. Aber damit sind die betroffenen Beschäftigten erst einmal aus dem Verkehr gezogen, es werden Fakten geschaffen. Oft folgt ein nervenaufreibender Konflikt, der dann in einem Vergleich endet. Eine weitere Methode, die Mitbestimmung zu schwächen, ist die Zerschlagung bzw. Auslagerung von Unternehmensteilen in einzelne, rechtlich (scheinbar) unabhängige Gesellschaften. Häufig versuchen Unternehmen auch, die Zusammensetzung des Betriebsrates zu verändern und eine managementgesteuerte Mehrheit in den Gremien zu etablieren.

Risiko: hoch

Es gibt Situationen, in denen Methoden des Union Busting besonders häufig eingesetzt werden. Dazu gehören zum Beispiel Unternehmensaufkäufe durch Private-Equity-Investoren oder die Privatisierung öffentlicher Unternehmen und Dienstleistungen. In bestimmten Branchen und Betrieben gibt es außerdem mehr gewerkschafts- und betriebsratsfreie Zonen als anderswo. Dazu gehören unter anderem Reedereien, Einzelhandelsketten, Paketdienstleister, Systemgastronomie und Unternehmen der Informationstechnologie. In letzter Zeit machen auch Unternehmen aus dem Solar- oder Windkraftanlagenbau verstärkt negative Schlagzeilen. Enercon, Lidl, Aldi, Burger King und Hyundai sind prominente Beispiele für Union Busting – aber nur die Spitze des Eisbergs.

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