Trotz Fortschritten bleibt Deutschland ein Ungleichland

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Dachzeile klartext Nr. 23/2024

Nach der Arbeit noch schnell zum Abkühlen ins nächste Freibad – das ist bei den aktuellen Temperaturen angesagt. Aber wie schnell ist "schnell" und wer hat tatsächlich die Chance auf spontane Abkühlung im öffentlichen Schwimmbad? Antworten auf solche Fragen gibt der erste Gleichwertigkeitsbericht der Bundesregierung.

Auf Basis verschiedener Indikatoren und einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage versucht der Bericht herauszufinden, wie die Lebenssituationen der Menschen in Deutschland aussehen. Dabei wird deutlich: Trotz Fortschritten wird Deutschland dem Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse noch nicht gerecht. Vor allem in vielen Bereichen der Daseinsvorsorge sind die regionalen Unterschiede sowie jene zwischen Stadt und Land gravierend.

8 von 10 Befragten empfinden es als sehr oder eher schwierig, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Noch schwieriger ist das in Großstädten. Seit Jahren spitzt sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt zu.

Auch die Situation im ÖPNV ist problematisch. Nur etwa die Hälfte der Befragten gibt an, dass es vor Ort ausreichend öffentliche Nahverkehrsangebote gibt . In ländlicheren Regionen sieht das Stimmungsbild noch düsterer aus. Ein gutes Mobilitätsangebot ist eine wichtige Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Darüber hinaus wird nur mit attraktiven Alternativen eine klimafreundliche Mobilitätswende möglich sein.

Der Gleichwertigkeitsbericht betrachtet auch Einkommen und Beschäftigungsverhältnisse und zeigt: Der Anteil der Beschäftigten im Niedriglohnsektor hat sich zwischen 2020 und 2022 von 18,7 auf 16,5 Prozent verringert. Hier hat sich auch die einmalige Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro durch die Bundesregierung positiv ausgewirkt. Auch der Anteil befristeter Einstellungen ist leicht gesunken. Das ist gut. Dabei sind jedoch deutliche regionale Unterschiede zu beobachten. Erwerbstätigkeit im Niedriglohnsektor ist in ländlichen ostdeutschen Regionen stark verbreitet, aber auch in strukturschwachen Kreisen in Westdeutschland. Ebenfalls traurige Realität: Überall in Deutschland werden Frauen schlechter entlohnt als Männer. Deshalb kämpft der DGB für eine Tarifwende, damit die Tarifbindung steigt. Denn wo es viele Tarifverträge gibt, gibt es weniger Niedriglöhne und Männer und Frauen werden gleich entlohnt.

Klar ist auch: Infrastrukturen und die öffentliche Daseinsvorsorge müssen endlich durch ein massives Investitionsprogramm saniert, modernisiert und ausgebaut werden. Zwar zeichnet sich mit dem Bundeshaushalt für das Jahr 2025 bisher nicht der befürchtete drastische Kürzungskurs ab, aber die Herausforderungen der Zukunft geht er auch nicht an. Vielmehr wird der Status quo erhalten. Dabei sind die Bedarfe enorm. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) und das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) haben nachgerechnet. Zusätzliche Investitionen in Höhe von 60 Milliarden Euro pro Jahr sind nötig, um die öffentliche Infrastruktur und Wirtschaft zu sanieren und zukunftsfähig zu machen. Die Bundesregierung muss jetzt den Investitionsturbo einschalten, um gute Lebensbedingungen für alle zu erreichen. Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse aber auch.

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