Die deutsche Wirtschaft befindet sich zurzeit in einer schwierigen Lage. Doch im letzten Jahrzehnt hat sich Deutschland unter dem Strich ökonomisch gut entwickelt. Dabei ist die Wirtschaft in Ostdeutschland stärker gewachsen als in Westdeutschland. Zur Wahrheit gehört allerdings, dass die Beschäftigten in den ostdeutschen Bundesländern davon nur unterdurchschnittlich profitierten.
Die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Ost und West bei Vollzeitbeschäftigten liegt derzeit bei 19 Prozent beziehungsweise 838 Euro brutto im Monat. Laut Daten des Statistischen Bundesamtes beträgt der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst im Osten 3.563 Euro und im Westen 4.402 Euro. Rein rechnerisch arbeiten die Ostdeutschen seit dem 22. Oktober 2024 bis zum Jahresende 2024 unbezahlt.
Das muss sich mehr als drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung dringend ändern. Das beste Mittel der Wahl, um Lohngerechtigkeit herzustellen, sind Tarifverträge. Mit ihnen haben Beschäftigte mehr in der Tasche. Der Tarifvorteil ist insbesondere im Osten der Bundesrepublik groß. Mit einem Tarifvertrag verringert sich also die Lücke: So verdienen Beschäftigte im Westen mit Tarifvertrag durchschnittlich 509 Euro mehr, im Osten sind es sogar 694 Euro brutto im Monat.
Das Problem: Nur noch 44 Prozent der Beschäftigten in Ostdeutschland arbeiten unter dem Schutz von Tarifverträgen, während es im Westen 51 Prozent sind. Würden mehr Beschäftigte in Ostdeutschland von Tarifverträgen profitieren, würde sich auch Schritt für Schritt die innerdeutsche Lohnlücke schließen.
Die anhaltende Lohnungleichheit zwischen Ost und West ist nicht nur ökonomisch ungerecht, sondern verstärkt das Gefühl der sozialen Benachteiligung vieler Ostdeutscher. Die Menschen im Osten leisten dieselbe Arbeit und verdienen endlich die Anerkennung, die ihnen zusteht. Eine gerechte Lohnpolitik ist auch eine Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts.
Deshalb muss die Tarifbindung wieder gestärkt werden. Das sieht auch die neue europäische Mindestlohnrichtline vor, die nationale Aktionspläne vorschreibt, wenn die Tarifbindung in einem Mitgliedstaat unter der 80-Prozent-Marke liegt. Hier ist die Politik gefragt – die Bundesregierung muss u. a. endlich ein wirksames Tariftreuegesetz beschließen, damit öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen vergeben werden, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Unternehmen, die sich an Tarifverträge halten und faire Löhne zahlen, sollen im Wettbewerb nicht länger benachteiligt werden. Dies schafft faire Wettbewerbsbedingungen für tarifgebundene Betriebe und sichert stabile und faire Löhne, die wiederum auch den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland nachhaltig stärken. Zudem macht eine gestärkte Tarifbindung den Osten zu einem attraktiveren Arbeits- und Lebensraum und wirkt dem Fachkräftemangel entgegen, indem sie qualifizierte Arbeitskräfte hält und Perspektiven schafft.
Der Rückgang der Tarifbindung ist jedoch ein Problem, dass alle Teile Deutschlands betrifft. Dadurch haben Beschäftigte viele Nachteile: weniger Geld und weniger Sicherheit. Wir sagen dieser Entwicklung den Kampf an – zusammen mit unseren Gewerkschaften – und arbeiten an der #Tarifwende!