Neue Allianzen: Wenn Gewerkschaften und Umweltakteure zusammenarbeiten

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Neue Allianzen: Wenn Gewerkschaften und Umweltakteure zusammenarbeiten

Um bis 2050 Treibhausgasneutralität zu erreichen, braucht es eine Transformation unserer Gesellschaft und Wirtschaft. Diese Transformation darf jedoch nicht nur auf ökologische Aspekte konzentriert sein. Treibhausgasneutralität werden wir nur erreichen können, wenn wir eine soziale und ökologische Transformation gestalten. Nur indem die ökologische Perspektive auf soziale Belange eingeht, gewinnt sie die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung und vor allem auch bei den Beschäftigten. Und diese Akzeptanz ist absolut notwendig. Denn mit dem Verkehrs-, Energie- und Gebäudesektor, der Landwirtschaft und der Industrie gibt es viele Branchen, denen auf dem Weg zur Erreichung der Klimaziele ein grundlegender Wandel bevorsteht. Und immer sind auch die Beschäftigten von diesem Wandel betroffen. Sei es durch eine hohe Arbeitsbelastung in Branchen, die beim Klimaschutz besonders gefordert sind, in denen aber Fachkräfte fehlen, die Notwendigkeit zur Weiterqualifizierung oder gar der Verlust des Arbeitsplatzes.

Beschäftigung und Klimaschutz

Die sozial-ökologische Transformation treibt dabei nicht nur die Betriebe in ihrer Praxis um, sondern auch die Wissenschaft in ihrer Theorie. Der Soziologe Klaus Dörre liefert beispielsweise eine theoretische Sicht auf die sozial-ökologische Transformation und stellt eine Handlungsempfehlung dar. Er spricht davon, dass es in unserer Gesellschaft eine soziale und eine ökologische Konfliktachse gibt. Auf der sozialen Konfliktachse ständen sich Beschäftigte und Arbeitgeber mit ihren jeweiligen Interessen gegenüber. Auf der ökologischen Konfliktachse träfen Gesellschaft und Natur aufeinander, zwischen denen eine verheerende Wechselwirkung bestehe. So beruhe die Lebens- und Wirtschaftsweise unserer Gesellschaft auf der Ausbeutung der Natur, was zu ihrer fortschreitenden Zerstörung führe, am prominentesten in Form des Klimawandels. Die Festlegung von Klimazielen und die Anstrengungen, diese zu erreichen, können vor diesem Hintergrund also als Versuch verstanden werden, diesen Konflikt zu lösen.

Laut Dörre werden sich die beiden Konfliktachsen immer mehr überlappen. Sowohl der Klimawandel selbst, als auch die Maßnahmen gegen ihn, würden sich also zunehmend auf die Arbeitswelt auswirken. Deshalb könnten Arbeit und Klimaschutz nicht mehr getrennt voneinander gedacht werden. Wenn sich beide Seiten nicht gegenseitig blockieren wollen, müssen sie zusammenarbeiten, so Dörres Schlussfolgerung.

Fokus auf gemeinsame Interessen

Genau dieser Zusammenarbeit widmen sich die Sozialwissenschaftler Julia Kaiser und Oliver Pye mit den Ausdrücken labour turn und climate turn. Ihrer Meinung nach müsse es eine Annäherung von Arbeit und Klimaschutz geben, indem sich beide Seiten aufeinander zu bewegen. Während die Klimabewegung Arbeitsplatzsicherheit und gesellschaftliche Anerkennung der Beschäftigteninteressen in ihren Forderungen berücksichtigen sollte (labour turn), sollten Gewerkschaften und Beschäftigte ihr Bewusstsein für die ökologische Dimension der Arbeitswelt schärfen (climate turn). Ziel solle es sein, die Schnittstellen der beiden Interessen zu vergrößern und die ökonomische Macht der Beschäftigten mit der politischen Macht der Klimabewegung zu verbinden. Mit ökonomischer Macht ist die Möglichkeit der Beschäftigten zur Aushandlung von Arbeitsbedingungen und zum Streik gemeint. Politische Macht bedeutet, dass die Klimabewegung Gehör in der öffentlichen Debatte findet.

Praxisbeispiele der Zusammenarbeit

So viel zur Theorie. Doch wie sieht es ganz konkret in der Praxis aus, wenn es um die Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Umwelt-Akteuren geht?  Zwei Beispiele geben einige Hinweise:

Appell von IG Metall und BUND: Konjunkturpaket für den sozial-ökologischen Umbau

Zu Beginn der Corona-Pandemie im April 2020 haben sich die IG Metall und der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) gemeinsam für einen sozial-ökologischen Umbau der Wirtschaft ausgesprochen, um nachhaltig aus der Krise zu kommen. Das Konjunkturpaket der Bundesregierung sei eine Chance, die Weichen für diese sozial-ökologische Zukunft zu stellen. So könnten durch staatliche Finanzspritzen gute Arbeit gesichert, neue Arbeitsplätze geschaffen und eine soziale und ökologische Versorgungsinfrastruktur aufgebaut werden. IG Metall und BUND betonten auch die Verantwortung von Unternehmen: Staatliche Unterstützung von Unternehmen in der Krise sei keine Einbahnstraße. Vielmehr sollten die Unternehmen die bestehenden Mitbestimmungsrechte achten, soziale Standards einhalten und ihr Geschäftsmodell an das 1,5-Grad-Ziel anpassen.

Ver.di und Fridays for Future: Allianz für bessere Arbeitsbedingungen im ÖPNV und Klimaschutz

Zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors wird schon seit Jahren über eine Stärkung des ÖPNV diskutiert, um eine gute Alternative zum Auto zu haben. Dafür muss das Angebot verdoppelt werden, wozu es ausreichend qualifiziertes Personal braucht. Übersetzt bedeutete das rund 185.000 neue Beschäftigte. Gute Arbeitsbedingungen sind also gefragt, um die Arbeit im ÖPNV attraktiv zu machen. Hier setzt die Kooperation von ver.di und Fridays for Future (FFF) aus dem Sommer 2020 an. In der Tarifrunde des öffentlichen Nahverkehrs 2020 unterstützte FFF die Forderungen der Gewerkschaft mit Aktionstagen in verschiedenen Städten und der öffentlichen Solidarisierung mit den streikenden Beschäftigten. Damit sollte erreicht werden, dass Menschen durch ihre Sympathie für Fridays for Future nicht mit Wut auf die erschwerten Fahrtwege während des Streiks reagieren, sondern sich durch das übergeordnete Ziel des Klimaschutzes mit den Streikenden solidarisieren.

Fazit

Was lässt sich also über die Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Umweltakteuren anhand dieser Beispiele festhalten? Ansätze der wissenschaftlichen Theorie sind in der Praxis durchaus zu erkennen. Auch wenn Gewerkschaften und Umweltakteure nicht überall einer Meinung sind, lohnt sich die Zusammenarbeit. Diese Zusammenarbeit bezieht sich dabei nicht nur auf konkrete Maßnahmen, sondern auch auf ein übergeordnetes Verständnis dazu, wie die Zukunft gestaltet wird und aussehen soll. Diese Gemeinsamkeiten kann man jedoch nur im Dialog miteinander erkennen.

Mehr zum Thema gibt es in Klaus Dörres Buch „Abschied von Kohle und Auto? Sozial-ökologische Transformationskonflikte um Energie und Mobilität“.

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