Nachdem die letzten vier Klimakonferenzen in europäischen Orten ausgetragen wurden, lag der diesjährige Austragungsort Scharm el Scheich, Ägypten, in einem Land des globalen Südens. Dieser Perspektivwechsel ist wichtig, da insbesondere die wirtschaftlich schwächsten Länder und vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen am stärksten vom Klimawandel betroffen sind und ihre Stimme bei den Verhandlungen entsprechend Gehör finden sollte. Gleichzeitig ist Ägypten ein Land, in dem Menschen- und Arbeitnehmer*innenrechte regelmäßig verletzt werden. Der Global Right Index des IGB zählt Ägypten zu den zehn schlimmsten Ländern für Beschäftigte. Repressalien, Verfolgung und Behinderung freier Gewerkschaftsarbeit gehört zum Tagesgeschäft. Davon konnten sich auch die Gewerkschaftsdelegierten vor Ort ein Bild verschaffen. Eindrucksvoll haben ägyptische Kolleg*innen berichtet, wie stark gegen ihre Arbeit vorgegangen wird, mit welchen Einschränkungen sie im täglichen Leben zu kämpfen haben und auch, dass für die Organisation von Streiks und Basisarbeit Gefängnis droht.
Doch auch auf der Konferenz selbst war der staatliche Sicherheitsapparat allgegenwertig. Bei Gewerkschaftstreffen wurden Teilnahmelisten abgefragt, interne Besprechungen gestört, ausgespäht und es gab sogar direkte Versuche, Delegierte im Gespräch über ihre Verbindungen und Sichtweisen auszuhorchen. Ein Zustand, der für eine Konferenz der Vereinten Nationen nicht akzeptabel ist und das Vertrauen in internationale Formate und den geschützten Austausch schwächt - gerade für Kolleg*innen, die in ihren Ländern ebenfalls mit Repressalien zu kämpfen haben, eine untragbare Situation.
Welche Ergebnisse wurden erzielt?
Die Ergebnisse sind durchwachsen zu bewerten. Positiv sind Durchbrüche bei sozialen Fragen. Insbesondere beim Thema „Loss and Damage“ (Ausgleich von Verlusten) gab es über die vergangenen Klimakonferenzen hinweg keine Bewegung. Erstmals konnte nun Einigung darüber erzielt werden, einen Ausgleichsfonds aufzulegen, der unabwendbare Folgen der Erderwärmung für ärmere Länder abfedert. Immer häufiger auftretende Dürren und Überschwemmungen, aber auch der steigende Meeresspiegel setzen den Vulnerabelsten am stärksten zu. Den betroffenen Ländern, die häufig seit Jahren darum kämpfen, wirtschaftliche Entwicklung aufzuholen, werden durch die materiellen Schäden natürliche und finanzielle Ressourcen genommen, wodurch der Entwicklungsprozess zusätzlich erschwert wird. Ganz zu schweigen davon, dass sie sich zeitgleich auf weitere Katastrophen vorbereiten müssen. Ausgleichszahlungen aus dem geplanten Fonds sollen hier Abhilfe schaffen. Deshalb wird es wichtig sein, hier zügig die wesentlichen Fragen über Höhe des Fonds, den Zugang und den Auszahlungsmechanismus Klarheit zu schaffen.
Das ausdrückliche Bekenntnis für eine Just Transition in der Abschlusserklärung, die auf sozialem Dialog und sozialer Absicherung basiert, ist ein Erfolg der Gewerkschaften vor Ort und würdigt die entscheidende Rolle der Beschäftigten in der Transformation. Das gewerkschaftliche Konzept einer „Just Transition“ – eines gerechten Strukturwandels – ist seit 2015 beständiger Teil der Klimaverhandlungen. In den letzten Jahren wurde der Begriff jedoch zunehmend verwässert. Insbesondere kapitalgetriebene Interessengruppen nutzen den Schlagbegriff vermehrt für neue Geschäftsmodelle. Mit der Klarstellung in der Abschlusserklärung wird das gewerkschaftliche Anliegen an eine gerechte Gestaltung des Wandels mit und für Beschäftigte deutlich gestärkt und dient als Anker für die zukünftigen Verhandlungen.
So positiv der Bezug zur Just Transition ist, so problematisch ist, dass Menschen- und Arbeitnehmer*innenrechte im Abschlussdokument überhaupt nicht auftauchen. Gerade die Situation in Ägypten, aber auch in anderen Teilen der Welt, zeigt, wie wichtig fundamentale Grundrechte für Veränderungsprozesse sind. Mit Blick auf den Klimawandel ist klar, dass eine Transformation ohne diese Basis weder gerecht noch erfolgreich verlaufen kann.
Auch bei den notwendigen Maßnahmen zur weltweiten Emissionsreduktion bleibt die Konferenz hinter den Erwartungen zurück. Zwar wird das Ziel, die Emissionen deutlich unter zwei Grad - möglichst 1,5 Grad Celsius - im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, bestätigt. Ein Aktionsprogramm zur Senkung der Emissionen blieb allerdings ebenso vage wie Forderungen nach einer Abkehr von allen fossilen Energieträgern und dem Ausbau erneuerbarer Energien. Ohne eine wirkliche Trendumkehr beim Ausstoß von Emissionen in diesem Jahrzehnt werden die Auswirkungen des Klimawandels kaum noch beherrschbar sein. Immerhin werden die Staaten aufgefordert, ihre größtenteils unzulänglichen Klimaschutzpläne bis spätestens zur nächsten Klimakonferenz nachzubessern. Die Nachbesserungen bleiben aber weiterhin freiwillig, eine Verpflichtung gibt es nicht. Von dem diesjährigen Motto der Konferenz “Gemeinsam für eine gerechte, ambitionierte Umsetzung JETZT” ist am Ende leider nicht viel übriggeblieben.
Gewerkschaften setzen wichtige Impulse
Neben den sehr technischen und abstrakten Verhandlungen haben sich die anwesenden Gewerkschafter*innen über die praktische Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen ausgetauscht und vorgestellt, was sie konkret vor Ort und in den Betrieben unternehmen.
Dazu gab es in Scharm el Scheich einige Gelegenheiten. So nahmen rund 80 Gewerkschafter*innen aus allen Teilen der Welt an einem großen Strategietreffen teil. Die Ergebnisse waren, wie schon in den letzten Jahren, sehr gewinnbringend. Neben den Einblicken in die Situation der einzelnen Länder ging es vor allem darum, gewerkschaftliche Strategien im Umgang mit der Transformation zu schärfen und sich gemeinschaftlich auf die weiteren Verhandlungen vorzubereiten. Deutlich wurde, dass sich Gewerkschafter*innen unabhängig von der Himmelsrichtung intensiv mit den Herausforderungen der Transformation auseinandersetzen und passgenaue Lösungsansätze in Abhängigkeit der wirtschaftlichen Ausgangslage, aber auch dem jeweiligen Organisationsgrad, verfolgen. Dort wo Gewerkschaften sich stark einbringen können, laufen Transformationsprozesse häufig schneller und sind geprägt von Kontinuität und stetigem Fortschritt.
Das zeigten auch die Veranstaltungen, die der DGB vor Ort organisiert hat. In einem Side-Event, das der DGB gemeinsam mit dem Just-Transition Centre organisiert hat, wurde intensiv diskutiert, welche Auswirkungen die aktuellen Krisen auf die Transformation haben und welche Hebel es braucht, um eine Trendwende für mehr gerechten Klimaschutz zu organisieren. Hier machte u.a. Stefan Körzell deutlich, dass eine aktive Gewerkschaftsbeteiligung unter Wahrung von Arbeitnehmer*innenrechten Ausgangslage für eine gerechte Transformation ist. Ein Veranstaltungsbericht ist hier zu finden.
In einem zweiten Side-Event ging es um konkrete Beispiele zur Gestaltung der Transformation. Neben der Vorstellung des Projekts „Revierwende“ berichteten Kolleg*innen über ihre Erfahrungen u.a. aus Brasilien und Nord-Afrika. Hier geht’s zur Nachlese.
Wie geht’s weiter?
Bis zur nächsten Klimakonferenz wird es neben der Erstellung von ambitionierten Klimaschutzplänen auch darum gehen, die Aktivitäten um „Just Transition“ zu stärken und voranzutreiben. Exemplarisch dafür stehen die Verhandlungen um die „Just Energy Transition Partnerships“ (JETP). Ziel dieser Partnerschaften ist die Unterstützung von Entwicklungsländern bei konkreten Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Wirtschaft – wobei der Schwerpunkt auf dem Umbau des Energiesektors liegt. Als erstes Land soll Südafrika beim Kohleausstieg und beim Ausbau der Erneuerbaren Energien unterstützt werden. Dafür haben sich Industrienationen wie die USA, die EU und Kanada darauf verständigt, Südafrika 8,5 Milliarden US-Dollar zur Verfügung zu stellen.
Bisher gestalten sich die Verhandlungen darüber, wie der Ausstieg gelingen soll, jedoch weder transparent noch inklusiv. Das bedeutet, dass die südafrikanischen Gewerkschaften bisher so gut wie gar nicht beteiligt sind und auch keine Einblicke in die Ausgestaltung der JETPs haben. Besonders eklatant wird dies bei der Frage, in welche Bereiche das Geld investiert wird. Es sind Investitionspläne aufgestellt worden, die einen Großteil der Gelder in Infrastruktur und Technologien fließen lassen. Gewerkschaften waren an diesem Prozess nicht beteiligt und hatten keine Chance Investitionsfelder vorzuschlagen. Neben der Partnerschaft mit Südafrika wurden weitere mit Vietnam, Indien, Indonesien und anderen Ländern initiiert.
Die Gewerkschaften drängen gemeinsam darauf, dass die JETPs ihrem Namen gerecht werden. Dazu zählt, dass Gelder an die Einhaltung von Menschen- und Arbeitnehmer*innenrechten gekoppelt werden und ein echter Dialog mit Einbindung der Sozialpartner initiiert wird. Zudem müssen die Mittel auch zur sozialen Absicherung sowie Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten eingesetzt werden und die Stärkung gewerkschaftlicher Begleitstrukturen unterstützen.
Bis zur nächsten Klimakonferenz in Dubai wird also noch viel zu tun sein - gerade, wenn es darum geht, eine echte Just Transition auf Basis von Menschen- und Arbeitnehmer*innenrechte zu gestalten.