Kampf um die Unternehmensmitbestimmung: Schlupflöcher schließen

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Dachzeile EuGH-Urteil höhlt Unternehmensmitbestimmung aus

Die Mitbestimmung in deutschen Unternehmen steht unter Druck. Unternehmen nutzen vermehrt rechtliche Schlupflöcher oder ignorieren rechtswidrig Gesetze, um die Beteiligung von Arbeitnehmervertreter*innen im Aufsichtsrat zu umgehen. Dies gefährdet nicht nur den sozialen Dialog, sondern auch die Stabilität des deutschen Wirtschaftsmodells. 

Mitbestimmung in Großunternehmen nimmt ab

Eine Analyse der Hans-Böckler-Stiftung zeigt: Zwischen 2019 und 2022 sank die Mitbestimmung in Großunternehmen mit über 2.000 Beschäftigten um 7 Prozent. Der Anteil der Unternehmen, die einer paritätischen Mitbestimmung unterliegen, verringerte sich von 68 Prozent auf 61 Prozent. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, wird bis 2028 weniger als die Hälfte der Großunternehmen paritätisch besetzte Aufsichtsräte haben. Noch stärker betroffen sind Unternehmen im Bereich der Drittelbeteiligung mit 501 bis 2.000 Beschäftigten, da das Drittelbeteiligungsgesetz erhebliche Lücken aufweist. Zudem wird die Mitbestimmung in diesem Bereich deutlich häufiger ignoriert als im Fall der paritätischen Mitbestimmung.

EuGH-Urteil öffnet neues Schlupfloch auf Konzernebene

Nun wird dieser Trend noch durch ein Urteil verstärkt. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Mai 2024 ermöglicht es Unternehmen, durch die Wahl der europäischen Rechtsform “SE” als arbeitnehmerlos gegründete Holding die Mitbestimmung zu umgehen. Dabei müssen Verhandlungen über Beteiligungsvereinbarungen mit Arbeitnehmervertretungen nicht nachgeholt werden, wenn die SE bei ihrer Gründung keine Arbeitnehmer*innen beschäftigt hat und anschließend als Holding von Unternehmen mit Arbeitnehmer*innen eingesetzt wird. Dies schafft eine neue Möglichkeit, die Mitbestimmung auf Konzernebene zu umgehen.

Das Urteil steht am Ende eines Rechtsstreits zwischen dem Konzernbetriebsrat der Olympus SE & Co. KG und dem Vorstand der Olympus Holding SE. Streitpunkt war, ob nach der Neuordnung des Olympus-Konzerns im Jahr 2013 Verhandlungen über die Beteiligung der Arbeitnehmer*innen nachgeholt werden müssen. Der Konzernbetriebsrat forderte die Einsetzung eines besonderen Verhandlungsgremiums, um eine Beteiligungsvereinbarung abzuschließen. Der EuGH entschied, dass die Verhandlungen nicht nachgeholt werden müssen. Das Gericht stellte klar, dass der Einsatz einer Holding-SE nicht automatisch Verhandlungen vorschreibt, auch wenn die Tochtergesellschaften Arbeitnehmer*innen beschäftigen.

Arbeitnehmerlose Holding-SE hebelt Unternehmensmitbestimmung aus

Die Auswirkungen dieses Urteils sind weitreichend. Es ermöglicht, arbeitnehmerlose Holding-SEs zu gründen, die keine Mitbestimmungsrechte etablieren müssen – selbst wenn später Beschäftigte hinzukommen. Damit droht eine dauerhafte Aushöhlung der Mitbestimmung im Aufsichtsrat und des SE-Betriebsrates, warnt der Deutsche Gewerkschaftsbund. 

Aus Sicht der Gewerkschaften gefährden die Angriffe auf die Unternehmensmitbestimmung auch die sozialen und wirtschaftlichen Vorteile, die Unternehmen mit funktionierender Mitbestimmung nachweislich genießen: höhere Investitionen, stärkere Krisenresistenz und nachhaltigere Unternehmensstrategien. Der Erhalt der Mitbestimmung ist damit entscheidend für die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland.

DGB fordert Nachbesserung der europäischen Mitbestimmung

Der DGB fordert: Wenn arbeitnehmerlose SE-Konstruktionen aktiviert werden, muss neu verhandelt bzw. müssen die Verhandlungen über die Mitbestimmung im Aufsichtsrat nachgeholt werden. Dies muss von einer Auffangregelung begleitet sein, die sich an den deutschen Mitbestimmungsgesetzen orientiert und auf der aktuellen Beschäftigtenzahl im Unternehmen basiert.

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