Holt die Milliarden, wo sie liegen!

Datum

Dachzeile Steuergerechtigkeit

Allein auf neue Staatsschulden zu setzen, greift zu kurz – es braucht Steuergerechtigkeit im Koalitionsvertrag. 

Ein Gastbeitrag von DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell und Yannick Haan, Mitglied der Initiative taxmenow, in der Frankfurter Rundschau

Dieser Schritt war überfällig. Der Bundestag hat ein kreditfinanziertes Sondervermögen beschlossen, mit dem binnen 12 Jahren Infrastruktur und ein klimafreundlicher Umbau der Wirtschaft finanziert werden soll. Der Nachholbedarf ist bei Bund, Ländern und Kommunen enorm, weil die Schuldenbremse in den letzten Jahren Zukunftsinvestitionen verhindert hat. Nicht nur die Bundeswehr pfeift aus dem letzten Loch, sondern auch die Infrastruktur.

So richtig eine Kreditfinanzierung von Zukunftsinvestitionen ist, so wichtig ist allerdings auch die dauerhafte Stärkung der laufenden Staatseinnahmen. Union und SPD dürfen die Steuergerechtigkeit bei den Koalitionsverhandlungen nicht unter den Tisch fallen lassen. Wenn Deutschland wirklich modernisiert und die Demokratie stabilisiert werden soll, dann müssen reiche Menschen wieder angemessen zu unserem Gemeinwesen beitragen.

Sondervermögen löst nicht alle Probleme 

Denn das neue Sondervermögen erlaubt zwar neue Investitionen, löst aber nicht alle Finanzierungsprobleme der öffentlichen Haushalte. Viele Bundesländer und Kommunen sind bereits heute auf Kürzungskurs und schränken öffentliche Angebote ein. Das verschärft die soziale Ungleichheit, nährt Unzufriedenheit in der Bevölkerung und bremst die Konjunktur. Auch auf Bundesebene werden Rufe nach unsozialen Einschnitten zu Lasten von Gering- und Normalverdienenden lauter.

Mit den geplanten neuen Milliardenkrediten gehen außerdem Kosten einher, die aus laufenden Einnahmen gezahlt werden müssen: Zinszahlungen beispielsweise, aber auch gute Löhne für öffentliches Personal in neu gebauten Schulen oder Forschungseinrichtungen und in den Planungsbehörden, die die neuen Investitionen organisieren sollen. Nicht zuletzt haben Union und SPD politische Initiativen jenseits der Investitionen angekündigt, die zwar sinnvoll und überfällig, aber auch kostspielig sind: Die geplante Senkung der Energiekosten etwa und die gezielte steuerliche Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen, die gerecht gegenfinanziert werden muss.

Schluss mit Steuerentlastungen für Vermögende

Angesichts dieser Ausgangslage ist klar: Die über Jahrzehnte betriebene Steuerentlastung für Vermögende muss gestoppt und umgekehrt werden. Es gilt die Staatseinnahmen zu stärken – und zwar nicht zu Lasten der Otto-Normalverbraucher: Die Politik muss sich die Milliarden endlich dort holen, wo sie liegen. Denn öffentlicher Armut steht mittlerweile eine obszöne Konzentration privaten Reichtums gegenüber. Seit Beginn des Jahrtausends sind die Vermögen der hundert reichsten Deutschen um mehr als 450 auf über 700 Milliarden Euro angewachsen.  Das oberste reichste Prozent in Deutschland besitzt allein rund 30 Prozent des gesamten Vermögens, das reichste Zehntel sogar mehr als 60 Prozent. Laut offizieller Statistik leben fast 900.000 Menschen in Deutschland nicht von eigener Arbeit, sondern von Zinsen, Dividenden und Vermögen.

Doch ausgerechnet diese Überreichen zahlen vergleichsweise wenig Steuern: Sozialbeiträge belasten sie kaum, Kapitalerträge werden pauschal mit 25 Prozent geringer besteuert als Arbeit und Top-Verdienende profitieren von zahlreichen Steuerprivilegien und -tricks. Das Netzwerk Steuergerechtigkeit hat errechnet, dass ein Muster-Millionär mit einem Einkommen von 1,6 Millionen Euro eine Steuer- und Abgabenquote von nur 24 Prozent hat, während ein Durchschnitts-Ehepaar, das zusammen 110.000 Euro verdient, rund 43 Prozent an Steuern und Abgaben zahlen muss. Gerade große Vermögen werden in Deutschland kaum besteuert: Die Vermögensteuer wird seit 1997 nicht mehr erhoben, was den Staat bislang über 420 Milliarden Euro gekostet hat. Ein Großteil des Vermögens der Reichen wird zudem geerbt, wobei wegen Sonderrechten für Unternehmen oft keine Erbschaftsteuer fällig wird. Die Ausnahme für reiche Unternehmenserben bei der Erbschaftsteuer ist die größte Steuersubvention im Subventionsbericht der Bundesregierung. All das muss eine neue Bundesregierung endlich ändern. Die hohe Ungleichheit in Deutschland greift unsere Demokratie direkt an. In den USA können wir gerade beobachten, wie der Überreichtum der Wenigen die Demokratie der Vielen zerstört.

Viele Reiche haben mehr Geld, als sie jemals ausgeben können. Vielen Menschen und dem Gemeinwesen fehlt es gleichzeitig an allen Ecken und Enden. Einkommens- und Vermögensungleichheit verschärfen soziale Spannungen und bremsen nachhaltige Wirtschaftsentwicklung. Leicht umsetzbare, verfassungsfeste Vorschläge für eine gerechtere Erbschaftsteuer und eine Wiedererhebung der Vermögensteuer liegen längst vor. Die nächste Regierungskoalition muss sie schnell aufgreifen und umsetzen.

Dieser Text ist zuerst erschienen in der Frankfurter Rundschau am 24. März 2025.

zurück

Bleib informiert!

Gute Arbeit, Geld, Gerechtigkeit - Abonniere unseren DGB einblick-Newsletter, dann hast du unsere aktuellen Themen immer im Blick.

Mit der Anmeldung wird dem Erhalt der ausgewählten Newsletter zugestimmt. Diese Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden. Nähere Informationen zur Datenverarbeitung können in unserer Datenschutzerklärung nachgelesen werden.