Rentenniveau jetzt dauerhaft stabilisieren – im weiteren Schritt anheben!
Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampel darauf verständigt, das Rentenniveau dauerhaft bei 48 Prozent zu stabilisieren. Flankiert werden soll dies mit einem, mit Finanzmitteln des Bundes aufgebauten Generationenkapital. Die Stabilisierung des Rentenniveaus ist unerlässlich und die Regierung muss hier nun endlich Klarheit schaffen. Das Generationenkapital ist aus unserer Sicht keine sinnvolle Lösung der künftigen Herausforderungen, aber es kann nicht sein, dass im Streit um das Generationenkapital die Stabilisierung des Rentenniveaus blockiert wird.
Das Generationenkapital soll ohnehin erst ab Ende der 2030er Jahre zur Finanzierung beitragen. Drängend ist aber wirklich, dass das Rentenniveau nun gesetzlich auf 48 Prozent festgelegt und dazu die Rentenanpassungsformel und die weiteren Anpassungsregelungen überarbeitet und deutlich verschlankt werden. Das trägt zur Verlässlichkeit und Transparenz bei. Im weiteren Schritt muss das Rentenniveau dann auf mindestens 50 Prozent erhöht werden.
Rentenversicherungspflicht für Selbstständige überfällig
Bei der fehlenden sozialen Absicherung der selbstständigen ist Deutschland international die Ausnahme. Es wird daher Zeit, alle Selbstständigen in die Rentenversicherungspflicht einzubeziehen. Das Vorhaben der Koalition, ein Abwahlrecht zu Gunsten private Produkte zu erlauben ist eine sozialpolitische Sackgasse und nur neoliberalen Vorstellungen geschuldet. Bisher sind Selbstständige bestimmter Berufsgruppen versicherungspflichtig. Beispielsweise Handwerker, Lehrer, Hebammen. Die Mitglieder der freien Berufe sind in eigenen Versorgungswerken pflichtversichert.
Für diese Berufsgruppen besteht kein Wahlrecht - mit Ausnahme der Handwerker, die sich nach 18 Jahren von der Versicherungspflicht in der GRV befreien lassen können. Wieso nun ausgerechnet die bisher gar nicht abgesicherten Selbstständige frei zwischen gesetzlicher und privater Rentenversicherung wählen können sollen, ist nicht begründbar. Erklärbar ist es nur vor dem Hintergrund neoliberalen Marktglaubens und pseudofreiheitlicher Ideale. Dabei ist absehbar, dass eine solche Wahlfreiheit zu nichts Gutem führt. Die letzten 20 Jahre haben gezeigt, dass die Erwartungen an private Versicherungsprodukte wegen hoher Kosten und geringer Rendite eher nicht zu hoch sein sollten.
Viel wichtiger aber: eine Wahlfreiheit bedeutet, dass es einen negativen Selektionseffekt geben könnte. Die Personen mit versicherungsmathematisch ungünstigen Risiken würden tendenziell in der gesetzlichen Versicherung verbleiben oder noch schlimmer in der privaten Versicherung gar kein Angebot bekommen. Damit würde der privaten Versicherung ein renditeträchtiges Geschäft zugeschanzt, während die sozialpolitischen Risiken bei der gesetzlichen Rentenversicherung abgeladen werden. Das ist inakzeptabel. Und nicht zuletzt birgt das Vorhaben große Risiken, dass eine solche Wahlfreiheit aus Gleichheitsgründen dann auch auf andere Versicherte ausgeweitet werden müsste. Dann würde das gesetzliche Rentensystem weiter beschädigt.
Gleichzeitig ist der Absicherungsbedarf bei den Selbstständigen immens. Einerseits sind sie weiter überproportional von Altersarmut bedroht. Andererseits können sich gerade die Selbstständige mit erhöhten Risiken für Erwerbsminderung bisher nicht kostengünstig oder gar nicht über private Versicherungen absichern. Sozialpolitisch besteht hier aber der Handlungsdruck.
Vor dem Hintergrund ist klar: wir brauchen endlich eine umfassende Versicherungspflicht für alle Selbstständigen. Diese müssen, wie Beschäftigte auch, in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Es wird Zeit, dass die Regierung auch hier an handeln kommt und den Koalitionsvertrag nicht nur umsetzt, sondern auch nachbessert.
Zweifachbesteuerung im Übergang endlich ausschließen
Im Urteil vom 18. Mai 2021 (I R 12/18) hat der BFH verdeutlicht, dass es aus seiner Sicht bei in den kommenden Jahren neu beginnenden Renten zunehmend zu einer zweifachen Besteuerung kommen könnte. Sollte dies nicht mehr nur in Einzelfällen so sein, dann steht aus Sicht des BFH die Verfassungsmäßigkeit der pauschalen Übergangsregelung des §22 EStG generell in Frage. Die Eindeutigkeit des Hinweises führte im Jahr 2021, auch im Kontext des Bundestagswahlkampfs, zu eindeutigen und klaren Aussagen: Alle wollten unverzüglich nach der Neuwahl das Thema angehen und eine zweifache Besteuerung vermeiden. Die Ampel-Koalition hat dies auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Der Prozentsatz zur Ermittlung des Freibetrags solle demnach nur noch um 0,5 statt wie bisher ein Prozent jährlich sinken. Stand heute ist der Prozentsatz aber bereits auf 17 Prozent gesunken. Und noch immer liegt kein Gesetzentwurf zur Lösung dieses Problems vor.
Das Bundesfinanzministerium, welches hier für eine Neuregelung zuständig ist, schweigt seit Monaten zu diesem Thema. Dabei geht es nicht nur um die Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung, sondern auch um eine Entlastung der Rentner*innen und daraus folgende deutliche steuerliche Mindereinnahmen. Je nach Ausgestaltung könnten die steuerlichen Mindereinnahmen schon mittelfristig 200 bis 500 Millionen Euro ausmachen – und bis in die 2030er Jahre auf einstellige Milliardensummen ansteigen. Die Mindereinnahmen sind gleichbedeutend mit einer Entlastung der Rentner*innen.
So einig sich die Koalitionäre 2021 waren, dass hier schnell gehandelt werden soll, ist über die vorgezogene Steuerfreistellung der Beiträge – welche nur in 2023 und 2024 zu geringen Mindereinnahmen führt – hinaus nichts geschehen. Der DGB wird nicht schweigend akzeptieren, dass Millionen künftiger Rentner*innen aufgrund der Untätigkeit des Finanzministers von zweifach Besteuerung bedroht sind und alle in die Auseinandersetzung mit den Finanzämtern gezwungen werden – denn auch dies ist vom BFH klar festgelegt worden: wird im Einzelfall der Beweis einer zweifachen Besteuerung erbracht, sind die Steuern entsprechend zu stunden. Eine solche Einzelfalllösung läuft aber darauf hinaus, dass Menschen mit hohen Renten, die sich einen Steuerberater leisten können, sich die steuerliche Entlastung sichern, während Millionen einfacher Rentner*innen sich eine solche Beratung und Unterstützung nicht leisten können oder nicht mal wissen, dass sie zweifach besteuert sind.
Dabei gibt es schon verschiedene Vorschläge, wie der Übergang neu ausgestaltet werden könnte (vgl. Schäfer, Ingo (2022): Den Übergang zur nachgelagerten Besteuerung der Renten rechtskonform ausgestalten. In: Deutsche Rentenversicherung, Heft 1/2022, Seite 21ff.. Hrsg. Deutsche Rentenversicherung Bund). In dem Beitrag wird auch deutlich, dass das Vorhaben der Bundesregierung, den Prozentsatz zur Berechnung des Rentenfreibetrags nur noch um 0,5% jährlich zu senken nicht ausreicht, um eine zweifache Besteuerung systematisch zu vermeiden und darüber hinaus zu einer übermäßigen, nicht gebotenen, steuerlichen Entlastung von Personen mit sehr hohen Renten führen würde.
Es wird Zeit, dass das Finanzministerium endlich seine Versprechen umsetzt und den Übergang so regelt, dass durch die pauschalen Regelungen zweifache Besteuerung für normale Beschäftigte ausgeschlossen ist. Und das BMF sollte dabei sicherstellen, dass Menschen mit sehr hohen Renten dabei nicht mehr als nötig verschont werden.
Und im Übrigen zeigt sich erneut: Höheres Rentenalter ist ungerechte Rentenkürzung!
Eine aktuelle Studie zeigt, dass höhere Altersgrenzen gerade für Menschen in belastenden Berufen nicht nur eine Rentenkürzung sind, sondern sogar deren Gesundheit gefährden und im schlimmsten Falle sogar zu einem früheren Tod führen. Vor diesem Hintergrund ist es außerordentlich zu begrüßen, dass die Koalition eine weitere Anhebung ausdrücklich ausgeschlossen hat. Dabei muss es bleiben. Und die Koalition muss auch den von Arbeitgeberverbänden und einschlägigen Ökonomen und nun auch von der CDU wieder diskutierten Erhöhung des Rentenalters eine klare Abfuhr erteilen. Denn Menschen mit belastenden Tätigkeiten haben ohnehin eine geringere Lebenserwartung (https://www.dgb.de/-/ZAs). Diese würde durch höhere Altersgrenzen tendenziell weiter verkürzt, so dass die Ungleichheit weiter verschärft würde.
Die Vorstellung von CDU und Arbeitgebern, mit einer höheren Altersgrenze die Rente finanzielle zu sanieren, würde ganz offensichtlich auf dem Rücken der hart arbeitenden Menschen in der Pflege, auf dem Bau oder im Schichtbetrieb ausgetragen. Das gilt auch für die von Ökonomen oder der FDP als „Freiheit“ verklärten Vorschläge eines Rentenkorridors, eines flexiblen Renteneintrittsalters oder ähnlichen Modellen – häufig mit Verweis auf Schweden verbunden. Diese Modelle sehen alle vor, dass der früheste Rentenbeginn automatisch mit der allgemeinen Lebenserwartung steigt und gleichzeitig die Abschläge erhöht werden. Damit steigt nicht nur das Alter für den frühesten möglichen Rentenbeginn, sondern selbst diesen Zeitpunkt könnten sich aufgrund der gestiegenen Abschläge dann nur noch Besserverdienende wirklich leisten. Das Problem würden nochmal zusätzlich verschärft. Während die Gutverdienenden weiterhin früh in Rente gehen würden, würden die anderen länger arbeiten müssen, später in Rente gehen und dafür früher sterben.
Die Studienlage ist eindeutig. Ein höheres Rentenalter ist nicht nur eine Rentenkürzung, sondern eine massive Umverteilung zu Lasten der hart arbeitenden Bevölkerung. Statt über höhere oder mit der Lebenserwartung steigende Rentenalter sollte die Politik endlich über bessere Möglichkeiten reden, wie Menschen den Übergang vom Arbeitsleben in die Rente auch tatsächlich und sozial abgesichert schaffen. Das fängt bei den Arbeitgebern und den Arbeitsplatzbedingungen an, geht über Instrumente wie Altersflexigeld oder Altersteilzeit bis hin zur Rente, mit einem abschlagsfreien früheren Rentenzugang und einem erleichterten Zugang zu einer Erwerbsminderungsrente. Nur mit verschiedenen Instrumenten wird es uns gelingen, allen Menschen ein soziales und faires Angebot für den Übergang zu machen. Und wer will und kann, darf ja ohnehin arbeiten solange er oder sie möchte – allerdings brauchen sie auch immer noch einen Arbeitgeber, der sie einstellt.