Eine starke Wirtschaft braucht gerechte Politik – auf die nächste Regierung wartet viel Arbeit

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Dachzeile Gastbeitrag Frankfurter Rundschau

Kaum eine Woche vergeht ohne Angriff auf die Beschäftigten: Wirtschaftsbosse wollen uns krank zur Arbeit schicken, Konservative sägen an der Begrenzung der Arbeitszeit. Mit Blick auf den rechten argentinischen Präsidenten und auf Donald Trumps AfD-affinen Lieblings-Milliardär will die FDP mehr “Milei und Musk” wagen: Der über Jahrzehnte aufgebaute Sozialstaat soll offenbar mit der Motorsäge kleingemetzelt werden. Auch manche Ökonomen rufen nach weniger Staat, Rente und Lohnkosten. Die Union plant in ihrer “Agenda 2030” sinnlosen Druck auf Arbeitslose und Steuersenkungen, die vor allem Reiche noch reicher machen.

Doch solch neoliberale Rezepte haben schon in der Vergangenheit bewiesen, dass sie den Wohlstand nicht fördern. Sie haben uns in die Misere geringer Kaufkraft und Inlandsnachfrage sowie kaputter Infrastruktur geführt. Wer an solchen Rezepten festhält, drückt uns weiter in die Krise und verspielt die Zukunft unseres Landes. Um Wirtschaft und Gesellschaft zukunftsfähig zu machen, muss die nächste Bundesregierung stattdessen mit voller Kraft in Richtung Wohlstand, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit steuern. Deutschland, als eines der reichsten Länder der Welt, hat die besten Voraussetzungen dafür.

Statt dem Staat eine Magerkur zu verpassen, muss die Konjunktur stabilisiert werden: Mehr Staatsausgaben und eine Stärkung der Kaufkraft schaffen Aufträge an Unternehmen und nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Industrie und Gewerkschaften fordern ein auf zehn Jahre angelegtes öffentliches Investitionsprogramm in Höhe von gut 600 Milliarden Euro für Bildung, Verkehr, Digitalisierung und klimagerechte Modernisierung. Das sichert langfristig die Bedingungen für eine moderne Wirtschaft mit guten Arbeitsplätzen.

Zur Finanzierung sollten wachstumsfördernde Investitionen von der Schuldenbremse ausgenommen und per Kredit finanziert werden. Deutschland hat gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) die niedrigsten Staatsschulden der G7-Industrieländer. Berechnungen zeigen zudem: Auch wenn öffentliche Investitionen in Höhe von 600 Milliarden Euro über neue Kredite finanziert werden, sinkt die Staatsschuldenquote mittelfristig und bleibt spätestens ab 2029 dauerhaft unter der Marke von 60 Prozent des BIP. Schließlich fördert ein solches Investitionsprogramm das Wirtschaftswachstum und die unternehmerischen Investitionen. Für jeden staatlich investierten Euro kommen 1,3 Euro an Unternehmensinvestitionen hinzu.

Insgesamt sollte die nächste Bundesregierung die Probleme der Unternehmen fokussiert angehen: Sie muss wettbewerbsfähige Energiepreise und steuerpolitische Förderinstrumente schaffen, die Unternehmen mit modernen, ökologischen Konzepten und tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen bei Investitionen unterstützen. Das ist allemal wirksamer, als Unternehmenssteuern flächendeckend zu senken, wie es früher versucht wurde: Seit den 1990er Jahren ist die Besteuerung der Unternehmensgewinne in Deutschland deutlich gesenkt worden. Die Unternehmensinvestitionen gingen, gemessen am BIP, trotzdem deutlich zurück.

Weil wir mehr Nahverkehr, Bildung, Sicherheit und starke Kommunen brauchen, können wir uns geringere Staatseinnahmen nicht leisten. Stattdessen brauchen wir ein gerechteres Steuersystem, das die Mehrheit entlastet und Reichtum in die Pflicht nimmt. Denn während der Staat bislang Normalverdienende übermäßig steuerlich belastet und trotzdem klamme Kassen hat, werden Vermögende geschont: Die Ausnahme für reiche Unternehmenserben bei der Erbschaftsteuer ist die größte Steuersubvention im Subventionsbericht der Bundesregierung. Die Abschaffung der Vermögensteuer hat den Staat seit 1997 schätzungsweise über 420 Milliarden Euro an Einnahmen gekostet.

Kaputter Infrastruktur und öffentlicher Armut steht mittlerweile eine obszöne Konzentration privaten Reichtums gegenüber. In Deutschland hält das reichste Hundertstel rund 30 Prozent des gesamten Vermögens. Und während die Politik wegen nur knapp 29.000 arbeitsverweigernden Bürgergeld-Beziehenden in Aktionismus verfällt und sich immer drakonischere Strafen ausdenkt, gibt es hierzulande laut offizieller Statistik mittlerweile fast 900.000 Menschen, die nicht von eigener Arbeit, sondern bequem von Zinsen, Dividenden und Vermögen leben.

Anstatt auf große Vermögen wird Druck auf normale Beschäftigte gemacht: Arbeitgeber wollen im Namen der Wettbewerbsfähigkeit die Arbeitskosten senken, bezahlte Kranken- und Feiertage kürzen. Die Menschen sollen mehr und länger arbeiten, später in Rente gehen und Abstriche bei Einkommen und sozialer Sicherung hinnehmen. Die Löhne sind aber nicht schuld an der Standort-Situation: Die Lohnstückkosten sind in Deutschland seit der Jahrtausendwende viel langsamer gestiegen als in vergleichbaren Ländern. Trotz zuletzt guter Tarifabschlüsse haben viele Beschäftigte real immer noch weniger in der Tasche als vor der hohen Inflation. Wer trotzdem Lohnkosten und Arbeitgeber-Sozialbeiträge senken will, zielt auf eine Umverteilung zugunsten der Profite und will Beschäftigte für Managementfehler, fehlende Innovationen und hohe Energiepreise zahlen lassen.

Eine zukunftsfähige Wirtschaftsentwicklung verlangt aber, dass Masseneinkommen und Binnennachfrage gestärkt werden. Dazu braucht es weiter steigende Tariflöhne und einen armutsfesten Mindestlohn. Die nächste Bundesregierung muss eine Tarifwende anschieben, damit mehr Beschäftigte von Tarifverträgen profitieren. Sie muss prekäre Arbeit und Minijobs durch sozialversicherte Beschäftigung ersetzen – das stärkt auch die Einnahmen der Sozialversicherung.


Diesen Text veröffentlichen wir mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Rundschau, wo er am 27.01.2025 zuerst erschien.

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