Ausländische Arbeitskräfte: Großer Anteil an Niedriglohnbeschäftigten
32,2 Prozent der in Vollzeit sozialversicherungspflichtig ausländischen Beschäftigten, der in der Statistik sogenannten Kerngruppe, sind zum Niedriglohn tätig. Die Niedriglohnschwelle lag 2022 bei 2.431 Euro im Monat. Deutsche Beschäftigte derselben Gruppe arbeiteten zu 13,6 Prozent zum Niedriglohn. In absoluten Zahlen stellten ausländische Beschäftigte mit rund 1,1 von 3,6 Millionen fast ein Drittel der Niedriglohnbeschäftigten.
Was ist ein Niedriglohn?
Was Niedriglohn ist, ist statistisch in Anlehnung an Kriterien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) definiert: Die Schwelle des so genannten unteren Entgeltbereichs liegt bei zwei Dritteln des mittleren Entgelts (des Medians) aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten der Kerngruppe. Nicht zur Kerngruppe gehören Beschäftigte zur Ausbildung, zur Jugendhilfe, zur Berufsförderung, zu Tätigkeiten in Behindertenwerkstätten oder in Freiwilligendiensten.
Die näheren Umstände von niedriger Entlohnung und prekärer Beschäftigung von Menschen mit Migrationserfahrung hat jüngst auch der Sachverständigenrat für Migration und Integration erforscht. Die qualitative Studie „Prekäre Beschäftigung – prekäre Teilhabe. Ausländische Arbeitskräfte im deutschen Niedriglohnsektor bestätigt und untermauert im Wesentlichen Erkenntnisse und Positionen des DGB.
Wichtige Erkenntnisse der Studie sind:
- Einwandernde Menschen haben oft eingeschränkte Möglichkeiten, beim Zusammenleben in unserer Gesellschaft selbstverständlich dabei zu sein und dieses Zusammenleben auch aktiv mitzugestalten. Das kann an geringem Einkommen und Vermögen liegen, und zwar schon bei Einreise sowie danach aufgrund der Beschäftigung im Niedriglohnsektor.
- Negativ wirkt sich auch aus, dass einwandernde Menschen durch Aufenthalts- und Sozialrecht oft schlechter gestellt sind als Menschen, die schon in Deutschland leben: Wer nicht sicher sein kann, in Deutschland bleiben zu können, akzeptiert aus Angst vor Job- und Aufenthaltsverlust eher schlechte Arbeitsbedingungen.
- Ein Problem sind auch fehlende Sprachkenntnisse.
- Schließlich haben einwandernde Menschen oft kein großes soziales Netzwerk aus Freundschaften und Bekanntschaften in Deutschland, das sie unterstützen könnte
Unsichere und schlecht bezahlte Beschäftigung verschlimmert Problematiken
Unsichere und schlecht entlohnte Beschäftigung verschlimmert viele dieser Probleme, die sich gegenseitig verstärken. Ein Beispiel: Wer zeitlich, körperlich oder psychisch durch die Arbeit oder eine schlechte Wohnsituation in Beschlag genommen ist, kann sich nicht auch noch um den Aufbau von sozialen Netzwerken kümmern. Fehlt ein solches Netzwerk aus Bekanntschaften und Freundschaften, ist es schwerer, die deutsche Sprache zu erlenen. Geringe Sprachkenntnisse machen es wiederum wahrscheinlicher, dass Menschen in unsicheren Beschäftigungsformen arbeiten oder wenig Geld verdienen. Ein Teufelskreis entsteht.
Werden Qualifikationen einwandernder Beschäftigter nicht anerkannt, verschlechtern sich ihre Arbeitsmarktchancen ebenfalls. Auch das macht abhängig von unsicherer oder schlecht entlohnter Beschäftigung. In atypischen Beschäftigungsformen (das sind beispielsweise missbräuchliche Werkverträge, Entsendung oder eine nur formale Selbstständigkeit), in langen Subunternehmensketten sowie bei Beteiligung teils mehrerer Vermittlungsagenturen ist es besonders schwer, Rechtsverstöße zu erkennen und Arbeitnehmer*innenrechte durchzusetzen.
Was fordern DGB und Gewerkschaften?
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften setzen sich für gute, faire Arbeitsbedingungen und eine gerechte Entlohnung aller Menschen ein.
- Dazu gehört eine bessere soziale Absicherung (für die Saisonarbeit vgl. Forderungskatalog für Gute Saisonarbeit von DGB und IG BAU).
- Einwandernde Menschen brauchen mehr Sicherheit bei ihrem Recht, in Deutschland zu bleiben – auch dann, wenn es zu Konflikten mit dem Arbeitgeber kommt (DGB-Position zu den Eckpunkten der Bundesregierung zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten).
- Die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen muss schneller und einfacher werden. Angebote für Ausgleichsmaßnahmen/Anpassungsqualifizierungen müssen flächendeckend vorhanden sein (DGB-Position zu den Eckpunkten der Bundesregierung zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten.)
- Arbeitgeber sollten Werkverträge nicht mehr missbräuchlich nutzen können, um sich vor Verantwortung zu drücken (vgl. Positionspapier des DGB-Bundesvorstandes gegen die missbräuchliche Nutzung von Werkverträgen).
- Die Zersplitterung der vielen, nur mit Teilen der Arbeitsmarkt- und Arbeitsaufsicht beauftragten Behörden muss beseitigt werden. Damit Beschäftigte ihre Rechte wirksamer durchsetzen können, bedarf es außerdem eines gewerkschaftlichen Verbandsklagerechtes im Arbeitsrecht (vgl. Positionspapier DGB/Justitia et Pax „Arbeitsinspektion in einer globalisierten Welt“ und DGB-Diskussionspapier zur Verbandsklage im Arbeitsrecht).