Wo steht die Landeshauptstadt Stuttgart bei der digitalen Verwaltung?
Christian Purz: Lange war die Stadt keineswegs Vorreiter, es ging um eine nachholende Digitalisierung. Es gab wenig personelle und finanzielle Ressourcen für die digitale Verwaltung, was sich aber mittlerweile ändert. Heute bewegt sich mehr, etwa bei der elektronischen Akte oder bei Collaborationstools, die die Zusammenarbeit in und zwischen den Abteilungen verbessern sollen.
Claudia Häussler: Unsere Rahmendienstvereinbarung hat insofern eine lange Vorgeschichte, erste Überlegungen gab es schon vor Jahren. Wir hatten als Personalvertretung den Eindruck, dass die Verwaltung einerseits oft gar nicht weiß, wer woran arbeitet. Und zum anderen auch nicht verstanden hat, dass der GPR bei Digitalisierung und IT einbezogen werden muss. Insofern sollte die Vereinbarung eine Struktur liefern und Prozesse transparent machen, aber auch unsere Rechte klarstellen.
Ihr habt dafür regelmäßige Zukunftsdialoge vereinbart. Was bedeutet das?
Claudia Häussler: Wir wollen die Digitalisierung, aber mitbestimmt. Sie soll vorausschauend und beteiligungsorientiert umgesetzt werden. Alle Akteure sollen wissen, wann und warum ein Vorhaben ansteht. Dafür gibt es den regelmäßigen Austausch im Zukunftsdialog, der ist fest vereinbart. Die erste Sitzung fand vor zwei Wochen statt. Dort wurde an einer Bestandaufnahme der Digitalisierungsvorhaben gearbeitet.
Wer saß dort zusammen am Tisch?
Christian Purz: Beim ersten Aufschlag waren es die Verwaltungsspitze, die IT-Abteilung, wir als GPR, der zuständige örtliche Personalrat und der Datenschutzbeauftragte. Es ist aber nicht begrenzt, die Runde kann bei Bedarf erweitert werden.
Claudia Häussler: Bei Themen wie Gesundheitsmanagement oder Arbeitssicherheit müssen wir die Expert*innen an den Tisch holen. Das muss sich jetzt alles einspielen.
Und worauf zielen die Spezifikationsdialoge, die ihr vereinbart habt?
Claudia Häussler: Das ist unser Weg, um mit dem Thema KI umzugehen – Künstliche Intelligenz. Wir wissen ja nicht, wohin sich KI entwickelt, auf welche Daten sie zugreifen wird und ob sie durch die Mitbestimmung überhaupt noch steuerbar ist. Deshalb wollen wir eine vorausschauende Bewertung machen, vor dem KI-Einsatz und gemeinsam mit dem Arbeitgeber. Wir wollen eine übergriffige KI verhindern.
Christian Purz: Wir sind nicht technikfeindlich. Aber man muss diskutieren, wie KI eingesetzt wird.
Was sind neben Transparenz und Dialog die wichtigsten Punkte der Vereinbarung?
Claudia Häussler: Die Beschäftigtensicherung war uns ganz wichtig. Dazu hatte die Stadt immer nur lapidar gemeint, dass sie schon niemandem kündigen würden. Aber schriftlich bestätigen wollten sie das nie. Genau das haben wir in der Vereinbarung erreicht.
Christian Purz: Außerdem hat der GPR laut Vereinbarung ein Initiativrecht. Wir können Zukunfts- und Spezifikationsdialoge einberufen oder Punkte auf die Tagesordnung setzen. Unsere Themen können nicht ignoriert werden. Laut Vereinbarung gibt es ein Recht auf Qualifizierung, für die Beschäftigten, die Personalvertretung und Schwerbehindertenvertretung. Unser Anspruch auf externe IT-Beratung wurde festgeschrieben, der im Personalvertretungsgesetz leider fehlt.
Für viele Personalräte ist dieser Zugang zu externer Beratung schwierig. Wer hat euch unterstützt?
Christian Purz: Wir haben hier im Südwesten das große Glück, dass Welf Schröter vom Forum Soziale Technikgestaltung uns berät. Er hat uns bei der Rahmendienstvereinbarung sehr geholfen. Viele Gremien haben tatsächlich große Probleme, eine technische Beratung zu finden. Vor allem eine, die die Personalrats- und Gewerkschaftssicht versteht und vertreten kann.
Claudia Häussler: Wir brauchen Qualifizierung und externe Beratung, auch weil es immer wieder personelle Wechsel im GPR gibt. Wir müssen die Gremien fit machen!
Die Digitalisierung lässt die Arbeitsbelastung für viele Beschäftigte ansteigen, das zeigt auch der DGB-Index Gute Arbeit. Beobachtet ihr das vor Ort auch?
Christian Purz: Ja, die Arbeitsintensität steigt. Hier vor Ort gibt es dafür unterschiedliche Faktoren. Zum einen müssen viele Dinge nachgeholt werden. Viele Verfahren werden umgestellt. Das ist ein zusätzlicher Aufwand neben dem Alltagsgeschäft. Dazu kommt die Personalknappheit, wenn Leute in den Ruhestand gehen und es schwer ist, neue Fachkräfte zu finden. Hier hilft uns die Rahmendienstvereinbarung, für eine vorausschauende Planung zu sorgen.
Wegweisend ist auch, dass die Vereinbarung bei Digitalisierungsvorhaben eine Beteiligung der Beschäftigten vorsieht.
Christian Purz: Auf dem ersten Blick wirkt das wie ein Widerspruch. Man hat eh viel zu tun und soll dann auch noch einbezogen werden. Das ist zusätzlicher Aufwand, natürlich. Aber es ist gleichzeitig eine Wertschätzung für die Kolleg*innen, weil ja nur sie die Expertise für ihren Arbeitsbereich haben. Nur sie können im Prozess eine realistische Rückmeldung geben, was wann umsetzbar ist. Digitale Arbeit ohne Beteiligung ist keine Alternative.
Die Rahmendienstvereinbarung kann hier heruntergeladen werden.