Demokratie, sichere Arbeitsplätze und gerechte Arbeitsbedingungen – die diesjährigen Gewinner des Betriebsräte-Preises 2024 setzen ein starkes Zeichen für gelebte Mitbestimmung in Unternehmen und bieten innovative Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit. Ihre herausragenden Projekte zeigen eindrucksvoll, wie engagierte Mitbestimmung aussehen kann, um den Kampf gegen Rechts, die Transformation und die Standortsicherung aktiv zu gestalten.
Preisträger Gold: Gesamt- und Konzernbetriebsrat der Siemens AG, München
Unter dem Motto “Wir leben Demokratie im Unternehmen” hat der Gesamt- und Konzernbetriebsrat der Siemens AG das Projekt “Demokratie schützen, Grundwerte stärken” ins Leben gerufen.
Als Reaktion auf das sogenannte “Remigrations”-Treffen von AfD-Politiker*innen sowie weiterer rechter und rechtsextremer Gruppierungen im November 2023 in Potsdam beschlossen die Betriebsräte (Gesamt- und Konzernbetriebsrat), aktiv gegen diese Entwicklungen vorzugehen. Gemeinsam mit der IG Metall entwickelten sie zahlreiche Aktivitäten, um bei Siemens eine klare Position für Vielfalt, Respekt und Demokratie zu setzen.
Eine agile Arbeitsgruppe des Gesamtbetriebsrats kümmert sich um Information und Kommunikation, entwickelt Ideen und koordiniert betriebliche Aktivitäten. Zu den Maßnahmen zählen der “Dialog für Toleranz und Vielfalt”, bei dem die GBR-Vorsitzende zusammen mit der Arbeitsdirektorin an verschiedenen Standorten den Dialog mit den Beschäftigten sucht. Im Mai 2024 wurden anlässlich des Geburtstags des Grundgesetzes lokale Aktionen zu Toleranz und Vielfalt an den Siemensstandorten durchgeführt – eine Zusammenarbeit von Betriebsrat, IG Metall und Management.
Preisträger Silber: Betriebsrätenetzwerk Chemiestandort Stade
Das Betriebsrätenetzwerk Chemiestandort Stade erhielt den Preis für das Projekt “Vom Stader Luftschloss zur Standort-Allianz: Innovative Auslegung des § 92a des Betriebsverfassungsgesetzes”. Um den Chemiestandort Stade mit seinen 2.800 Mitarbeitenden vor weiteren Kürzungen zu bewahren, gründeten die Betriebsratsvorsitzenden von 5 maßgeblichen Unternehmen im Jahr 2022 ein Netzwerk.
Nach § 92a des Betriebsverfassungsgesetzes kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung machen.
Die Betriebsräte entwickelten ein gemeinsames innovatives Konzept zur Standortsicherung. Sie führten alle betrieblichen Entscheidungsträger sowie Landes- und Lokalpolitik, Verwaltung und die IG BCE in einer Allianz zusammen. Gemeinsam engagieren sie sich für:
- Kooperation in einer gemeinsamen Energie- und Wasserstoffstrategie
- Sicherung der Ausbildung neuer Fachkräfte
- Beschäftigungssicherung für bestehende Mitarbeiter
- Ausbau der Investitionen in Zukunftstechnologien
- Schaffung einer gemeinsamen Stelle, die bei der Beantragung öffentlicher Fördermittel hilft
Das Projekt erhielt eine öffentliche Förderung in Höhe von 315.000 Euro für die ersten 3 Jahre. Nun arbeiten alle Akteure gemeinsam an einer sicheren Zukunft für den Standort.
Preisträger Bronze: Konzernbetriebsrat der Leipziger Verkehrsbetriebe GmbH
Der Konzernbetriebsrat (KBR) der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH hat für sein herausragendes Engagement im Projekt “Betriebsübergreifende Arbeitsplatzsicherheit bei (freiwilligen) Veränderungen für die Beschäftigten des LVB-Konzerns” die Bronze-Auszeichnung 2024 erhalten. Seit der Gründung von Tochtergesellschaften in den 1990er- und 2000er-Jahren setzt sich der KBR für einheitliche soziale Bedingungen innerhalb der LVB-Gruppe ein. Der Fokus liegt dabei auf der Weiterentwicklung und Beschäftigungssicherheit der Angestellten über die Unternehmensgrenzen hinweg.
Der LVB-Konzern, der mehr als 1.000 Mitarbeitende in verschiedenen Tochtergesellschaften – darunter LeoBus, LSVB, IFTEC GmbH und weitere – beschäftigt, profitierte von den umfassenden Maßnahmen des Betriebsrats. Diese umfassen Regelungen zur kurzfristigen Übernahme anderer Aufgaben, das “Führen auf Probe”, und die Einführung der “Betriebsrätevollkonferenz” als neue Form der Mitbestimmung.
Der KBR der LVB beweist mit diesem Projekt, dass es oft vieler kleiner, beharrlicher Schritte bedarf, um Großes zu erreichen. Das Ziel war es stets, freiwillige Veränderungen zu fördern, ohne die soziale Absicherung der Beschäftigten zu gefährden. Diese Auszeichnung würdigt die außergewöhnliche Arbeit des Gremiums für soziale Gerechtigkeit und den Schutz der Mitarbeitenden innerhalb des gesamten Konzerns.
Sonderpreis “Arbeitszeit gemeinsam gestalten” – Gesamtbetriebsrat der Deutsche Telekom Service GmbH, Bonn
Der Gesamtbetriebsrat der Deutsche Telekom Service GmbH wurde für das Projekt “Arbeitszeit X.X – Neuentwicklung eines Arbeitszeitsystems im Kundenservice der Telekom” ausgezeichnet. Aufgrund zahlreicher Mitarbeiterbeschwerden über gefühlte Ungerechtigkeiten in den bisherigen Arbeitszeitregelungen wurde der GBR aktiv. Er ging in Verhandlungen, um ein neues, einheitliches Arbeitszeitsystem für rund 13.000 Mitarbeitende im Kundenservice zu entwickeln.
Das neue System ist fair und solidarisch aufgebaut, einfach zu bedienen und transparent. Es bietet mehr Selbstbestimmung und Flexibilität. Eine neue Schichtlogik, in der Schichten mit einer Wertigkeit versehen sind, erleichtert es sorgt, individuelle Bedürfnisse mit dem Arbeitsalltag in Einklang zu bringen. So können die Mitarbeitende zum Beispiel Hobbytermine an immer gleichen Wochentagen sicherstellen oder selbst entscheiden, wie sie die Wochenenden verplanen. Schwer zu besetzende Schichten werden durch entsprechende Regeln abgedeckt. Das System behandelt alle Mitarbeitenden gleich und schafft mehr Spielraum für individuelle Bedürfnisse.
Sonderpreis “Transformation mitbestimmen” – Betriebsräte der Böklunder Fleisch- und Wurstwaren GmbH & Co. KG und DöllingHareico Fleisch- und Wurstwaren GmbH & Co. KG
Die Betriebsräte dieser Unternehmen wurden für ihr Engagement im Projekt “Weiterbildungsmentor*innen (WBM) im Betrieb – Kooperation von Betriebsräten der zur Mühlen Gruppe (ZMG)” ausgezeichnet. In Betrieben mit hohem Anteil an- und ungelernter Beschäftigter ausländischer Herkunft, oft mit geringen Deutschkenntnissen, setzten sich die Betriebsräte dafür ein, das Thema Weiterbildung voranzubringen.
Sie beteiligten sich am NGG-Projekt “Mentoren.Bilden.Zukunft” und qualifizierten sich zu Weiterbildungsmentor*innen. Gemeinsam erarbeiteten sie Maßnahmen, um arbeitsplatzbezogene Deutschkurse und die Qualifizierung zum*zur Maschinen- und Anlagenführer*in mit IHK-Abschluss anzubieten. Anfang November 2023 startete ein Kurs mit 47 Teilnehmenden. Die Betriebsräte tragen so aktiv zur betrieblichen Integration und Standortssicherung bei. Zum Zeitpunkt der Bewerbung wurden weitere Standorte der ZMG in das Projekt einbezogen.
Sonderpreis “Mitbestimmung erweitern” – Gesamtbetriebsrat der Daimler Truck AG, Leinfelden-Echterdingen
Der Gesamtbetriebsrat der Daimler Truck AG erhielt den Preis für das Projekt “Vereinbarung zur Errichtung eines Europäischen Betriebsrates sowie eines Weltbetriebsrates”. Nach der Aufteilung der ehemaligen Daimler AG in die Mercedes-Benz AG und Daimler Truck AG setzte sich der GBR zum Ziel, neue europäische und weltweite Mitbestimmungsstrukturen zu schaffen.
Gemeinsam mit der IG Metall und der globalen Gewerkschaftsföderation IndustriALL erarbeitete der GBR eine Vereinbarung, die die europäischen Rechte auf die weltweiten Kolleg*innen überträgt. Im November 2022 wurde eine Vereinbarung für ein weltweit agierendes Gremium unterzeichnet. Diese ermöglicht den Betriebsräten, sich systematisch zu vernetzen und über Projekte mit grenzüberschreitendem Charakter informiert zu werden, um gezielt Einfluss auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens zu nehmen.
Der Deutsche Betriebsräte-Preis
Der Deutsche Betriebsräte-Preis ist eine Initiative der Fachzeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb des Bund-Verlags. Der DGB ist Kooperationspartner des Deutschen Betriebsrätepreises. Alle Infos gibt es hier: www.dbrp.de