„Den Gesundheitsschutz müssen wir natürlich auch im Homeoffice regeln“

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Durch Corona arbeiten jetzt viele Beschäftigte relativ ungeregelt von zu Hause, das ist Reiz und Risiko zugleich. Was spricht zunächst für Homeoffice, was sind positive Seiten?

Da gibt es viele Punkte. Das Pendeln fällt weg, das empfinden viele als riesige Erleichterung. Außerdem sieht man oft, dass Beschäftigte mit gut strukturierten Arbeitsaufgaben im Homeoffice stabiler und leistungsfähiger werden. Auch in ihrer eigenen Wahrnehmung. Dieses konzentriertere Arbeiten von zu Hause mögen viele. Bei Beschäftigten mit offenen Aufgabenstellungen ist Homeoffice schwieriger. Oder wenn Kinder oder demente Mütter oder Väter betreut werden müssen. Aber der Grundtenor ist schon, dass Homeoffice weniger Stress bedeutet und die wegfallenden Pendelzeiten großartig sind.

Die DGB-Index Sonderauswertung zum öffentlichen Dienst zeigt ein Spannungsfeld auf. Beschäftigte schätzen größere Gestaltungsspielräume im Homeoffice. Gleichzeitig ist die Arbeit von zu Hause oft belastender bezogen auf die Arbeitszeiten, etwa weil nicht auf Pausen geachtet wird. Wie sollte man mit diesem Widerspruch umgehen?

Es braucht eine Ansage der Organisation, dass man gesunde, gut erholte Beschäftigte haben will und dass deshalb die vereinbarten Arbeits- und Pausenzeiten natürlich auch zu Hause gelten. Eine wichtige Voraussetzung ist dabei, dass die Anforderungen an die Beschäftigten nicht wirr rübergebracht werden, sondern durch die Führungskräfte vernünftig vorstrukturiert sind. Die Organisationen müssen die Führungskräfte schulen und darauf vorbereiten. Einfach wahllos Mails mit immer neuen Aufgaben zu schicken und nichts zu priorisieren, das geht nicht. Und im Homeoffice schon gar nicht. Außerdem habe ich oft gesehen, dass die Beschäftigten zu Hause technische Probleme lösen müssen, die dafür nötige Zeit aber nicht als Arbeitszeit werten. Wenn morgens erst mal eine Stunde Troubleshooting mit dem WLAN oder dem VPN-Tunnel ansteht, fühlt man sich natürlich gehetzt. Viele nehmen das auf die eigene Kappe, und in so einer Situation wird dann auch keine Pause genommen. Deshalb nochmal: Die Führungskraft muss klarstellen, dass sie wünscht, dass die verabredeten Arbeits- und Pausenzeiten eingehalten werden.

Was ist der Rat an die Beschäftigten?

Sie müssen natürlich auch eine eigene Disziplin entwickeln und auf Pausen und Arbeitszeiten achten. Rituale helfen dabei. Manche ziehen sich bewusst so an, als würden sie ins Büro gehen – manche auch die unbequemen Schuhe. Andere decken den Laptop abends mit einem Tuch ab. Der entscheidende Punkt ist, sich klarzumachen, wann ich arbeite und wann nicht. Die Grenzen müssen klar sein.

Wenn die Entwicklung einer guten Organisationskultur wichtig ist, in welcher Rolle sind dabei die Personalräte?

Die Personalräte müssen dafür sorgen, dass es qualitativ gute Unterweisungen gibt. Es ist extrem wichtig, dass die Beschäftigten in der Unterweisung lernen, worauf sie ein Anrecht haben. Und auch die Personalräte müssen darauf hinwirken, dass die Führungskräfte unter den veränderten Bedingungen führen können. Sie sollten immer wieder klar machen, dass manche KollegInnen im Homeoffice einen höheren Begleitungsbedarf haben. Auch bei Beschäftigten in Einlern- oder Umstiegssituationen müssen individuelle Lösungen organisiert werden. Oder wenn eine neue Software kommt und manche länger brauchen, damit klarzukommen. Da sind die Personalräte die zentrale Instanz, um das zu thematisieren und zu begleiten und zu reagieren, wenn es irgendwo hakt. Sie müssen den KollegInnen Mut machen, sich bei Problemen zu melden. Personalräte haben also drei Rollen. Sie sind Anschubser für organisationale Veränderungen, sie sind Mutmacher für die Beschäftigten und sie müssen Lösungen suchen, wenn etwas nicht funktioniert.

Neben der Gefahr der Entgrenzung, welche Risiken gibt es im Homeoffice noch?

An der Arbeit im Homeoffice stört viele Beschäftigte, dass sie aus dem Kontakt fallen. Zum einen sind die Führungskräfte nicht so leicht zu erreichen. Und vor allem stört viele Beschäftigte, dass der informelle Kontakt zu den KollegInnen wegfällt, dass es dafür keinen Raum gibt. Außerdem ist die Ausstattung oft ein Problem, denn den Gesundheitsschutz müssen wir natürlich auch im Homeoffice regeln. Da wird oft nicht drauf geachtet. Aber wenn wirklich regelmäßig von zu Hause gearbeitet wird, brauchen die Beschäftigten zum Laptop einen Bildschirm, Tastatur und Maus, damit die Körperhaltung stimmt. Wer nur am Laptop arbeitet, kriegt Haltungsschäden und Kopfschmerzen. Auch beim Homeoffice muss sich der Arbeitgeber darum kümmern, dass die Leute arbeitsfähig bleiben. Dazu gehören vernünftige Arbeitsmittel.

Im öffentlichen Dienst gibt es einerseits schon lange die gut organisierte Telearbeit mit einem eingerichteten Arbeitsplatz zu Hause. Andererseits, verstärkt durch die Ausnahmesituation der Corona-Pandemie, gibt es das ‚wilde‘ Homeoffice, wo vieles erst mal nicht geregelt ist. Wohin soll die Reise gehen?

Mir fehlt in der Debatte um Homeoffice gerade eine gesellschaftliche Verständigung darüber, was da eigentlich gerade passiert. Klar, die Telearbeit ist geregelt. Aber Homeoffice bedeutete bisher, spontan zu Hause auf dem Sofa mit dem Laptop zu arbeiten, wenn das Kind krank ist. Nun gehen wir aber in einen komplett anderen Aggregatzustand. Und trotzdem wird so getan, als ob das weiter ungeregelt und mit dem privaten iPad zu machen sei. Einerseits wird zwar klargestellt, dass die Regelungen zur Arbeitszeit und das Arbeitsschutzgesetz mit Gefährdungsbeurteilung weiter gelten – auch zu Hause. Aber in der Praxis vor Ort bleibt das oft folgenlos. Es fehlt der Ruck, der durch die Gesellschaft geht, in dem gefordert wird: ‚Wenn ich im Homeoffice arbeite, muss ich dafür auch richtig ausgestattet werden!‘ Dieser Ruck fehlt in der Debatte, aber teilweise auch dann, wenn Betriebs- und Personalräte Vereinbarungen zur mobilen Arbeit abschließen. Homeoffice darf nicht bedeuten, unter schlechten Lichtbedingungen zu arbeiten, auf schlechten Sitzmöbeln, mit weniger Pausen. All diese Dinge machen sich gewaltig bemerkbar. Vielleicht nicht sofort, aber in fünf Jahren auf jedem Fall. Wenn wir hier Regeln einfordern, dann geht es ja nicht darum, rechthaberisch zu sein. Es geht darum, dass sich die Beschäftigten nicht kaputtarbeiten.

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