Der Sozialstaat ist kein Wohltätigkeitsbasar, sondern Ergebnis der harten Arbeit und Solidarität der Beschäftigten, die tagtäglich ihren Beitrag leisten. Über soziale Leistungen zu sprechen, als seien sie Geschenke, die je nach Haushaltslage gewährt oder gekürzt werden können, ist irreführend.
Beschäftigte werden aktuell immer wieder aufgefordert, den Gürtel enger zu schnallen: Längere Arbeitszeiten, mehr Überstunden, später in Rente, kein Lohn bei Krankmeldung, mehr private Vorsorge. Während die Bundesregierung bereit ist, Kredite für Rüstung aufzunehmen und die Wirtschaft zu entlasten, sollen Beschäftigte sich bescheiden, noch mehr arbeiten für weniger Schutz und weniger soziale Sicherheit. Da wächst zu Recht der Frust.
Denn es ist doch klar: Mehr private Vorsorge für Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter und Pflege bedeuten eine einseitige Belastung der Beschäftigten. Das Sozialstaatsradar 2025 des DGB zeigt ein anderes Bild. Viele sind bereit, mehr in ein solidarisches System einzuzahlen, das verlässlich gute Leistungen liefert. Beschäftigte wissen: Es ist besser, gemeinsam für die Sicherheit aller zu sorgen, als am Ende allein dazustehen. Dazu passt nicht, dass Arbeitgeber einen Deckel für die Sozialbeiträge fordern und damit Leistungskürzungen verlangen. Denn der gemeinsam finanzierte Sozialstaat hält unsere Gesellschaft zusammen. Leistungen werden durch Beiträge und Steuern finanziert, die aus der Arbeit der Beschäftigten stammen – auch der Arbeitgeberanteil wird von ihnen erwirtschaftet.
Es darf nicht sein, dass Arbeitgeber sich zunehmend aus dieser gemeinsamen Verantwortung zurückziehen – dagegen muss auch die Union Widerstand leisten. Ein starker Sozialstaat entsteht nicht durch den Aderlass bei den Beschäftigten, sondern durch eine gerechte Lastenverteilung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie zwischen Vermögenden und jenen, die für ihr Einkommen hart arbeiten müssen.
Leistungen des Sozialstaats sind keine barmherzigen Almosen aus der Tasche der Arbeitgeber oder dem Staatssäckel. Sie sind garantierte Leistungen eines Systems, in das Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam einzahlen, weil Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung und Gesundheit für die Wertschöpfung der Wirtschaft zur Verfügung stellen. Nur wenn diese Verabredungen ohne Abstriche eingehalten werden, ist die soziale Sicherheit in einer gerechten Zukunft langfristig gesichert.
Dieser Gastbeitrag ist Teil der Rubrik “Gastwirtschaft” der Frankfurter Rundschau und erschien dort unter dem Titel “Beschäftigte unter Druck: Mehr Leistung für weniger Sicherheit?” am 18. März 2025.