Beitragsfreie Inflationsprämie und Rentenerhöhung: ein Verwirrspiel in drei Akten

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Vielfach ist zu hören, die beitragsfreie Inflationsprämie würde im nächsten Jahr nicht für die Rentenerhöhung mitzählen. Da sie anstatt einer Lohnerhöhung gezahlt würde, stiegen die Renten weniger als ohne die Inflationsprämie. Im Ergebnis würde die Inflationsprämie die Rentner*innen benachteiligen. Aber ist das wirklich so? Denn der Zusammenhang zwischen Lohn, Beitragspflicht und Rentenentwicklung ist kompliziert und schon gar nicht auf das kommende Jahr beschränkt.

So erhöht eine in 2023 gezahlte Inflationsprämie zwar die Renten in 2024, aber über die komplizierte Rentenanpassungsformel folgt im Jahr 2025 dann eine „gedämpfte“ Rentenerhöhung, bevor dann in 2026 nochmal eine zusätzliche Rentenerhöhung berechnet wird. Außerdem wirkt die Inflationsprämie auch noch über weitere Faktoren der Anpassungsformel und des Rentenrechts – allerdings mit einem deutlich geringeren und schwerer abzuschätzenden Effekt.

Wie die Lohnentwicklungen bei den Rentenanpassungen berücksichtigt werden

Ursächlich für das Auf und Ab ist der Lohnfaktor in der Rentenanpassungsformel. In diesen gehen zwei unterschiedlich gemessene Lohnentwicklungen aus drei verschiedenen Kalenderjahren ein. Einerseits wird die Lohnentwicklung nach Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (BEVGR) des Statistischen Bundesamtes des Vorjahres berücksichtigt (grün umrandeter Bereich). Andererseits sollen die Renten mittelfristig den beitragspflichtigen Löhnen folgen, die aber erst ein Jahr später zur Verfügung stehen. Daher wird abgeglichen (rot umrandeter Bereich), ob die (grün-gepunktete Umrandung) bei der Rentenerhöhung im Jahr davor verwendet Lohnentwicklung nach VGR (BEVGR) höher oder niedriger als die (gelb-gepunktete Umrandung) Entwicklung der beitragspflichtigen Löhne (bBERV) zwei Jahre vor der aktuellen Rentenerhöhung war. Sind die beitragspflichtigen Löhne langsamer gestiegen, wird die Differenz von der nächsten Rentenerhöhung abgezogen. Steigen die beitragspflichtigen Löhne stärker, wird es auf die nächste Erhöhung draufgeschlagen.

Da kurzfristig die BEVGR inkl. Inflationsprämie und mittelfristig die beitragspflichtigen Entgelte (bBERV) ohne beitragsfreie Inflationsprämie eingehen, entsteht über drei Rentenanpassungen hinweg ein Auf und Ab und Auf, welches faktisch zu einer vorübergehenden Rentenerhöhung führt.

BEVGR: Bruttoentgelte je Arbeitnehmer nach den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen des Statistischen Bundesamtes – inklusive Inflationsprämie

bBERV: beitragspflichtige Bruttoentgelte je abhängig Beschäftigtem einschließlich Beziehende von Arbeitslosengeld – ohne Inflationsprämie.

BEVO/bBEVO: Die Bruttoentgelte nach Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung bzw. der beitragspflichtigen Entgelte, wie sie im Jahr zur vor bei der Rentenerhöhung verwendet wurden.

Zeitlich sind es dabei die Werte des Jahres der Rentenanpassung (t), des Jahres vorher (t-1) bzw. zwei (t-2) und drei (t-3) Jahre vor dem Jahr der Rentenanpassung.

Kurzfristiges Plus durch Inflationsprämie

Die Inflationsprämie erhöht zunächst die durchschnittlichen Löhne in 2023, wie sie vom Statistischen Bundesamt ermittelt werden (BEVGR). Das Statistische Bundesamt unterscheidet nämlich nicht nach Zahlungen mit und ohne Beitragspflicht. Daher erhöht eine in 2023 gezahlte Inflationsprämie den Durchschnittslohn nach VGR in 2023 (grün umrandeter Bereich). Da im Vorjahr (2022) keine Inflationsprämie gezahlt wurde, ist der Abgleich für das Jahr 2022 dadurch unverändert. Damit wirkt eine in 2023 gezahlte Inflationsprämie zunächst erhöhend auf die Rentenanpassung zum 1. Juli 2024.

Beispiel für Rentenerhöhung 2024

Ein Beispiel soll dies zeigen. Es ist stark vereinfacht, unterstellt eine hohe Prämie und lässt anderen Effekte außer Acht, um die Wirkung besser zeigen zu können:

 

Angenommen wird, der Durchschnittslohn in 2022 hätte bei 40.000 Euro gelegen. In 2023 gibt es keine dauerhafte Lohnerhöhung, sondern nur eine Inflationsprämie von 1.000 Euro für alle Beschäftigten. Das Statistische Bundesamt berechnet daher einen Lohn von 41.000 Euro für 2023, da die 1.000 Euro zu den 40.000 Euro hinzukommen. Rechnerisch ergibt dies eine Lohnerhöhung von 2,5 Prozent. Wenn der Abgleich (rotumrandeter Bereich) für 2021 keine Änderung ergäbe und die anderen Faktoren der Rentenanpassungsformel mal außen vorgelassen, würde die Prämie in diesem Beispiel dann zu einer Rentenerhöhung von 2,5 Prozent in 2024 führen.

Nach 12 Monaten wird die Erhöhung wieder kassiert

Nun wird es komplizierter. In 2025 bewirkt eine in 2023 gezahlte Inflationsprämie zwei Effekte bei der Rentenerhöhung.

Zunächst wirkt der Lohnentwicklung nach VGR (BEVGR) spiegelbildlich wie bei der Rentenerhöhung 2024 nur diesmal mindert sie die Rentenerhöhung. Denn im Jahr 2024 wird keine Inflationsprämie mehr gezahlt, sodass der Jahreslohn um die Prämie „geringer“ ist. Das wirkt rechnerisch wie ein Lohnrückgang bzw. eine geringere Lohnerhöhung, wenn in 2024 wirksame Lohnerhöhungen auf den Lohn in 2023 ohne die Inflationsprämie aufsetzen. Je nach Höhe der Inflationsprämie und der Lohnerhöhungen in 2024 fällt das in die Rentenanpassung eingehende Lohnplus daher geringer aus als die vereinbarten Lohnerhöhungen.

Beispiel Rentenerhöhung 2025 – Lohnerhöhung 2024

Der Durchschnittslohn nach Statistischem Bundesamt lag in 2023 bei 41.000 Euro (40.000 Euro Lohn plus Inflationsprämie von 1.000 Euro). In 2024 gibt es eine dauerhafte Lohnerhöhung von 7,5 Prozent auf die 40.000 Euro, sodass der Lohn auf 43.000 Euro steigt. Es wird keine Inflationsprämie mehr gezahlt. Das Statistische Bundesamt berechnet, dass der Lohn von 41.000 Euro (2023) auf 43.000 Euro (2024) um 4,9 Prozent gestiegen ist. Von den anderen Faktoren der Rentenanpassungsformel mal abgesehen würde die in 2024 nicht mehr gezahlte Prämie trotz 7,5 Prozent Lohnerhöhung die Renten um 2025 nur um 4,9 Prozent erhöhen.

Hinzu kommt nun aber noch der zweite Effekt: der Abgleich der Lohnentwicklung in 2023. Hier kommt es nun auf die Frage der Beitragspflicht an. Verglichen wird die Lohnentwicklung im Jahr 2023, wie sie das Statistische Bundesamt ermittelt hat (inkl. der Inflationsprämie), mit der Entwicklung der beitragspflichtigen Löhne (ohne die Inflationsprämie). Die Differenz geht zusätzlich in die Rentenanpassung 2025 ein. Da die Inflationsprämie beitragsfrei ist, wirkt diese Differenz für 2023 dämpfend auf die Rentenerhöhung, da die BEVGR stärker gestiegen sind als die bBERV.

Beispiel Rentenerhöhung 2025 – Abgleich für 2023

Für den Abgleich 2023 wird die Erhöhung nach Statistischem Bundesamt für 2023 (siehe den Kasten oben) von 2,5 Prozent mit der Erhöhung der beitragspflichtigen Löhne in 2023 verglichen. Hier wurde angenommen, dass die beitragspflichtigen Löhne in 2023 nicht erhöht wurden, sondern nur eine Sonderzahlung gewährt wurde. Die für die Rentenerhöhung in 2024 zunächst angenommen Lohnerhöhung um 2,5 Prozent wird mit den um 0 Prozent gestiegenen beitragspflichtigen Löhne verglichen. Daher fällt die Rentenerhöhung in 2025 um 2,4 Prozent geringer aus (von einer mathematischen Erklärung, wieso eine Differenz von 2,5 Prozent einer Änderungsrate von 2,4 Prozent entspricht, wird hier abgesehen).

Die beiden Effekte zusammen ergeben dann die für die Rentenerhöhung in 2025 relevante Lohnentwicklung. Diese fällt nun vorübergehend geringer aus als ohne Inflationsprämie, und zwar je höher die Inflationsprämie war. Aber keine Angst, das ist noch nicht das Ende der Geschichte.

Beispiel Rentenerhöhung 2025 – insgesamt

Die für die Rentenerhöhung maßgebliche Lohnerhöhung nach Statistischem Bundesamt für 2024 lag bei 4,9 Prozent. Die für die Rentenerhöhung zusätzlich maßgebliche Vergleichsrechnung für 2023 ergab eine Dämpfung der Rentenerhöhung in 2025 um 2,4 Prozent. Die Renten würden damit in 2025 nur um 2,3 Prozent steigen.

Ab 2026 alles ausgeglichen

Bei der Rentenerhöhung im Jahr 2026 wird ein Rentenwert wie ohne Inflationsprämie erreicht. Denn bei der Rentenerhöhung in 2026 wird auf die Lohnentwicklung in 2025 nach VGR abgestellt – dabei wird angenommen, dass in 2025 wie schon in 2024 keine Inflationsprämie mehr fließt. Die BEVGR steigen wie auch ohne Inflation. Aber der Abgleich der BEVGR mit den bBERV für 2024 wirkt nun spiegelbildlich zur Wirkung des Abgleichs für die Rentenerhöhung 2025 Rentenerhöhend. Denn der Wegfall der Inflationsprämie in 2024 ergab rechnerische bei den BEVGR eine geringere Entwicklung als für die beitragspflichtigen Löhne, bei denen die Inflationsprämie ja nie eingegangen war. Im Ergebnis erreicht – von Rundungsdifferenzen abgesehen – der aktuelle Rentenwert in 2026 wieder den Wert ohne Inflationsprämie.

Beispiel Rentenerhöhung 2026

Im Jahr 2024 ist nach Berechnungsmethode des Statistischen Bundesamts eine Lohnerhöhung von 4,9 Prozent berechnet worden (da die Inflationsprämie wegfiel). Die beitragspflichtigen Löhne aber sind um 7,5 Prozent von 40.000 auf 43.000 Euro gestiegen. Rechnerisch sind die beitragspflichtigen Löhne damit um 2,6 Prozent stärker gestiegen als die Löhne nach VGR. Diese Differenz wird dann 2026 auf die Rentenerhöhung draufgeschlagen. Die Rentenerhöhung in 2026 setzt sich dann zusammen aus der Lohnerhöhung in 2025 von angenommenen 3 Prozent (nach statistischem Bundesamt) plus die 2,6 Prozent Differenz aus 2024. Die Renten würden in 2026 dann rechnerisch um 5,6 Prozent steigen.

In der Summe führt die Sonderzahlung 2023 dazu, dass die Renten ab Sommer 2024 für 12 Monate höher ausfallen als ohne Inflationsprämie. Dafür fallen sie dann ab Sommer 2025 für 12 Monate niedriger aus als ohne Inflationsprämie. In der Summe wird die Inflationsprämie also ab 2025 wieder herausgerechnet, da die Renten nur den beitragspflichtigen Löhnen folgen. Im Jahr 2026 sind die Renten dann ebenso stark gestiegen wie die Löhne ohne Inflationsprämie. Dazwischen gibt es zunächst mehr und dann weniger Rente als ohne Inflationsprämie.

Renten steigen wie die Löhne – auch bei Inflationsprämie

Wie stark der Effekt tatsächlich wird, hängt dabei von sehr vielen Faktoren ab, die sich auch zeitlich überlagern und teilweise aufheben. Insbesondere wie groß die Inflationsprämie in 2023 im Durchschnitt tatsächlich ausfällt – denn viele Beschäftigte bekommen gar keine. Außerdem wurden in 2022 bereits beitragsfreie Coronaprämien gezahlt, die die gleiche Wirkung haben und den Effekt auf die Lohnentwicklung 2023 mindern. Hinzu kommt, dass in 2024 auch noch Prämien gezahlt werden sollen, die den Effekt in 2024 verkleinern und ihn dafür teilweise auf 2025 strecken. Im Ergebnis würde sich der Effekt über mehrere Jahre verteilen und damit in den einzelnen Jahren weniger stark wirken. Die Rentenanpassung folgt den beitragspflichtigen Löhnen, daher erhöhen Inflationsprämien langfristig nicht die Renten. Vorübergehend sieht es allerdings anders aus.

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