Stellungnahme von DGB, ver.di und GEW zum Gesetzesentwurf für ein Gesetz zur Änderung des Befristungsrechts für die Wissenschaft
Stellungnahme08. November 2024
Datei herunterladenBildung ist das Fundament für ein selbstbestimmtes Leben. Bildungserfolg hängt aber stark von der sozialen Herkunft ab. Wir setzen uns deshalb für bessere, inklusive und kostenfreie Bildung ein.
Gute Bildung ist ein Menschenrecht und die Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Bildung sichert kulturelle, soziale und demokratische Teilhabe an der Gesellschaft und am Arbeitsmarkt.
Wir setzen uns für ein Bildungssystem ein, das allen Menschen bestmögliche Bildung unabhängig von der sozialen Herkunft bietet. Gleiche Bildungschancen sind die Grundlage, um kulturelle, ökonomische, demokratische und soziale Teilhabe für alle zu ermöglichen. In Deutschland ist Bildungserfolg aber hochgradig von der sozialen Herkunft abhängig. Zu viele junge Menschen verlassen die Schule ohne einen Abschluss oder finden keine Ausbildung. Deshalb stehen wir für ein inklusives und gebührenfreies Bildungssystem von der Kindertagesstätte bis zur Hochschule.
Ein gutes Bildungssystem steht und fällt mit gut qualifizierten Fachkräften, Lehrer*innen und Ausbildungspersonal in den Betrieben. Sie brauchen gute Arbeitsbedingungen, um alle jungen Menschen individuell begleiten zu können. Die Arbeit im Bildungswesen muss wieder attraktiver werden, um den Mangel an Lehr- und Fachkräften zu bekämpfen.
Dafür braucht es insgesamt mehr finanzielle Mittel und Investitionen in den Bildungsbereich. Deutschland gibt immer noch weniger als der Durchschnitt der OECD-Länder für Bildung aus. Bund, Länder und Kommunen müssen ihre Bildungsausgaben steigern, um dem massive Investitionsbedarf z. B. bei den Schulgebäuden gerecht zu werden.
Berufliche Bildung ist entscheidend für die Teilhabe auf dem Arbeitsmarkt. Viele junge Menschen starten mit einer Ausbildung, die die Grundlage für eine qualifizierte Beschäftigung in Unternehmen ist. Berufliche Weiterbildung ermöglicht Aufstiege bis hin zu Abschlüssen als Meister*in, Fachwirt*in oder Betriebswirt*in. Sie ermöglicht auch Neuorientierung und Spezialisierung im Laufe des Erwerbslebens. Für die Wirtschaft bietet die berufliche Bildung gut und praxisnah ausgebildete Fachkräfte.
Trotzdem fallen viele junge Menschen nach der Schule durchs Raster. Insbesondere Schulabgänger*innen mit maximal einem 1. Schulabschluss haben es sehr schwer, eine Ausbildung zu finden. Über 2,5 Mio. junge Menschen zwischen 20 und 34 haben keinen Berufsabschluss. Sie werden häufiger mit niedrigen Löhnen , Befristungen und Jobwechseln konfrontiert sein. Trotz offener Ausbildungsstellen bleibt Ausbildungslosigkeit ein großes Problem. Nur noch ein sehr geringer Teil der Unternehmen beteiligt sich überhaupt an Ausbildung. Der DGB steht deshalb für eine Ausbildungsgarantie mit umlagefinanziertem Zukunftsfonds, um mehr in eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu investieren.
Betriebliche Qualifizierung und berufliche Weiterbildung sind eine wichtige Voraussetzung bei der Transformation der Wirtschaft. Bei der Teilnahme an Weiterbildung zeigt sich einmal mehr das sozial selektive Bildungssystem. Angebote werden häufiger von Vollzeitbeschäftigten, Führungskräften, Männern oder Menschen ohne Migrationshintergrund wahrgenommen. Für viele scheitert eine Teilnahme an fehlendem Geld und fehlender Zeit. Wir als DGB setzen uns deshalb für ein Recht auf Weiterbildung ein, das Beschäftigte selbstbestimmt nutzen können. Dazu gehören Freistellungsansprüche und besser aufeinander abgestimmte Förderinstrumente. Berufserfahrung wollen wir stärker anerkennen und die Qualität der Weiterbildungsangebote stärken. Beschäftigte benötigen dabei für ihre Weiterentwicklung bessere Arbeitsbedingungen.
Gewerkschaften und Arbeitgeber legen gemeinsam Inhalte von Aus- und Weiterbildungsabschlüssen fest. Die Gremien der Beruflichen Bildung auf Bundes-, Landes- und Kammerebene sind paritätisch besetzt. Ohne ehrenamtliches Engagement von Expert*innen aus den Betrieben ist das Prüfungswesen, die Qualitätssicherung von Aus- und Weiterbildung und die Modernisierung von Berufen nicht denkbar.
Das deutsche System der Beruflichen Aus- und Weiterbildung stößt weltweit auf Anerkennung und Interesse. Wir beraten nationale Organisationen, Gewerkschaften im Ausland und internationale Delegationen zur Ausgestaltung der Beruflichen Bildung und zur Bedeutung der Sozialpartnerschaft in Deutschland. In den internationalen Bildungsorganisationen setzen wir uns für Qualität in der beruflichen Bildung und für Mindeststandards bei der Ausbildung ein.
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack und DGB-Bundesjugendsekretär Kristof Becker stellen den Ausbildungsreport 2024 vor.
Der DGB steht für offene, demokratische und soziale Hochschulen und gute Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft. Doch der Zugang zum Hochschulstudium scheitert noch immer zu häufig an den finanziellen und strukturellen Voraussetzungen. Eine abgeschlossene Berufsausbildung muss den Zugang zur Hochschule grundsätzlich ermöglichen und die Studienfinanzierung zum Leben reichen. Hochschulen brauchen eine gute soziale Infrastruktur mit Wohnheimen, Mensen und Kindertagesstätten, um unterschiedlichen sozialen Lebenslagen gerecht zu werden. Die akademische Selbstverwaltung muss alle Statusgruppen demokratisch und auf Augenhöhe an Entscheidungen teilhaben lassen.
Wir setzen uns dafür ein, dass Menschen unabhängig vom Einkommen der Eltern studieren können. Das Bundesausbildungsbildungsförderungsgesetz (BAföG) erreicht schon lange nicht mehr all diejenigen Studierenden, die auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind. Deshalb sprechen wir uns für eine deutliche Anhebung der Freibeträge und Bedarfssätze sowie eine Strukturreform des BAföG aus. Bildungskredite und Studiengebühren lehnen wir ab.
Immer mehr junge Menschen nehmen ein Duales Studium auf. Hier gibt es neben der Hochschule den Betrieb als Lernort. Dafür braucht es Mindestanforderungen mit Blick auf die Vergütung, die Ausgestaltung der Praxis und die Verzahnung der Lerneinheiten. Auszubildende und Dual Studierende in den Praxisphasen sollen gleiche rechtliche Rahmenbedingungen haben.
Befristete Beschäftigung ist in der Wissenschaft fast die Regel: 92 Prozent der jungen Wissenschaftler*innen und auch rund 20 Prozent der Beschäftigten in Technik und Verwaltung haben befristete Arbeitsverträge. Um die Voraussetzungen für gute Arbeit in der Wissenschaft zu schaffen, muss die Grundfinanzierung der Hochschulen deutlich ausgebaut werden. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) muss novelliert und die Tarifsperre gestrichen werden. Das Grundrecht, die eigenen Arbeitsbedingungen im Rahmen von Tarifverhandlungen zu verbessern, darf wissenschaftlichen Beschäftigten nicht länger verwehrt werden.
Kooperationsstellen arbeiten an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Arbeitswelt. In unterschiedlichen Formaten bringen sie praktische und wissenschaftliche Erkenntnisse und Akteure zusammen. Kooperationsstellen gibt es bundesweit an 15 Hochschulen.
Frühkindliche Bildung legt den Grundstein für Bildungserfolg und Bildungsteilhabe. Kindertageseinrichtungen und qualifizierte Fachkräfte sollen die Entwicklung und Bildung aller Kinder unabhängig vom Elternhaus fördern. Kinder und Jugendliche aus sozialökonomisch benachteiligten Verhältnissen, mit Migrationshintergrund oder mit körperlicher oder geistiger Benachteiligung sind auf ihrem Weg besonders auf Unterstützung angewiesen.
Das Angebot an Betreuungsplätzen reicht bei Weitem nicht aus, um die Bedarfe der Eltern zu erfüllen. Bundesweit fehlen rund 430.000 KiTa-Plätze – die meisten in den westdeutschen Bundesländern. Der Mangel an Fachkräften erschwert zunehmend die Erfüllung der Rechtsansprüche, die Umsetzung des Bildungsauftrags in den Kitas und den weiteren Ausbau. Studien zufolge fehlen bis 2025 mindestens 230.000 Erzieher*innen. Gleichzeitig wachsen die Anforderungen an die pädagogische Arbeit und Familienarbeit in den Einrichtungen enorm an.
Neben dem quantitativen Ausbau müssen die Qualität der frühen Bildung und die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Dafür braucht es mehr Investitionen und länderübergreifende Qualitätsstandards. Der Beruf Erzieher*in muss attraktiver werden. Die Ausbildung ist kostenfrei zu halten, es muss eine Ausbildungsvergütung gezahlt werden. Bund und Länder haben für mehr Vereinheitlichung in der Ausbildung und eine strukturierte Weiterbildung zu sorgen.
Das gegliederte und selektive Schulsystem verschärft die soziale Spaltung durch die frühe Aufteilung auf weiterführende Schulformen. Immer mehr Kinder erreichen nicht die Mindeststandards bei den Grundkompetenzen in Rechnen, Lesen, Schreiben. Damit fehlen ihnen der notwendige Grundstein für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben. Jedes Jahr verlassen 50.000 junge Menschen die Schule ohne Abschluss.
Eine große Chance liegt im konsequenten Ausbau guter Ganztagsangebote. Der Rechtsanspruch auf ganztätige Betreuung für Grundschulkinder ab 2026 muss mit hoher Qualität umgesetzt werden. Bund- und Länder müssen eine Fachkräfteoffensive auf den Weg bringen, um die Lücke von 81.000 Lehrkräften bis 2030 zu schließen und multiprofessionelle Teams und Schulsozialarbeit flächendeckend möglich zu machen. Die Ausstattung von Schulen muss sich stärker nach einem Sozialindex bemessen.
Für einen guten Start in eine Ausbildung oder ein Studium brauchen junge Menschen Berufswahlkompetenz, die über eine umfassende Berufs- und Arbeitsweltorientierung zu vermitteln ist sowie hochwertige Praxisphasen im Berufsorientierungsprozess.
Berufsorientierung ist immer auch Lebens- und Arbeitsweltorientierung und politische Bildung, in dessen Rahmen grundlegendes Wissen über ökologische, technologische, soziale und politische Zusammenhänge wie auch Gegensätze in der Arbeits- und Wirtschaftswelt vermittelt werden.
Für den berufs- und arbeitsweltorientierenden Unterricht an allgemeinbildenden Schulen stellt die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung mit Böckler-Schule kostenlos didaktisch aufbereitete Unterrichtseinheiten, Themenhefte, kurze Erklärfilme und Infografiken zur Verfügung.
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften sind mit vielen Angeboten in der Jugend- und Erwachsenenbildung engagiert. Dazu gehören Bildungsangebote für Betriebsräte, engagierte Gewerkschafter*innen und Ehrenamtliche in Gremien der Gewerkschaften und darüber hinaus. Zum Teil finden diese Angebote im Rahmen der Bildungsurlaubsgesetze der Bundesländer statt. Die gewerkschaftliche Bildungsarbeit zielt damit auf demokratische Kultur und aktives Engagement in Gesellschaft und am Arbeitsort. Gewerkschaftliche Bildungsarbeit ist immer auch politische Bildung, denn das Ziel ist es, die Informationen, das Wissen und die erlernten Kompetenzen im gesamtpolitischen Kontext zu sehen und übergreifende Verbindungen zwischen den Themen zu schaffen.
Politische Bildung muss auf allen Ebenen und in allen Institutionen gestärkt werden: in den Schulen, in den Berufsschulen, in der Zivilgesellschaft und in der Erwachsenenbildung. Programme und Projekte der politischen Bildung leiden unter chronisch unsicherer Finanzierung. Die Mittel für den Kinder- und Jugendplan (KJP) und die Regelförderung der Bundeszentrale für politische Bildung müssen erhöht werden. Wir fordern außerdem ein Demokratiefördergesetz, das die Rahmenbedingungen von politischer Bildung allgemein stärkt.
Bildungsurlaub steht den Beschäftigten in 14 Bundesländern offen. Nur Sachsen und Bayern weigern sich immer noch, eigene Bildungsurlaubsgesetze zu verabschieden. Die Regelungen unterscheiden sich teilweise stark von Bundesland zu Bundesland. Eine Vereinfachung der Verfahren für Anerkennung und Inanspruchnahme wäre wichtig, damit Bildungsurlaub von den Beschäftigten stärker genutzt werden kann.
Arbeit und Leben ist der gemeinsame Bildungsträger von DGB und Deutschem Volkshochschulverband mit 14 Landesorganisationen und knapp 100 örtlichen Arbeitsgemeinschaften. Die Angebote der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung legen Grundlagen für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und am demokratischen Gemeinwesen. Daneben setzt Arbeit und Leben Projekte in der Grundbildung um.
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