Kompakt 02/2024: "Verbreitete Unsicherheit"
Sonderauswertung DGB-Index Gute Arbeit
Studie / Analyse26. Juli 2024
Datei herunterladenAls beamtenpolitische Spitzenorganisation stehen wir für eine gemeinsame gewerkschaftliche Beamtenpolitik unserer Mitgliedsgewerkschaften des öffentlichen Dienstes.
5,21 Millionen Beschäftigte tragen in Schulen, Ämtern, bei der Polizei, in der Justiz, im Forst oder in Kindertagesstätten täglich dazu bei, dass unser Alltag funktioniert. Doch massive Stellen- und Kosteneinsparungen der letzten Jahrzehnte haben sich auf die Funktionsfähigkeit und Attraktivität des öffentlichen Dienstes ausgewirkt. So kann es nicht weitergehen. Daher setzen wir uns für einen modernen, verlässlichen und leistungsfähigen öffentlichen Dienst ein.
Als beamtenpolitische Spitzenorganisation vertreten wir zudem die Interessen der rund 1,7 Millionen Beamt*innen gegenüber dem Gesetzgeber. Denn das Beamtenverhältnis unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von einem herkömmlichen Arbeitsverhältnis. Während das herkömliche Arbeitsverhältnis auf einem privatrechtlichen Arbeitsvertrag beruht, ist das Beamtenverhältnis als Dienst- und Treueverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur und gesetzlich geregelt. Seit der Föderalismusreform I 2006 steht die Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet des Beamtenrechts dem Bund für die Bundesbeamt*innen und den Ländern für die Landes- und Kommunalbeamt*innen zu. Bei deren Ausübung haben die Gesetzgeber jedoch stets die in Art. 33 GG verankerten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu beachten. Tun sie das nicht, verstoßen sie gegen das Grundgesetz. Dies zu verhindern, ist unsere Aufgabe. Statt obrigkeitsstaatlicher Verordnungspraxis braucht es demokratische Teilhabe auch für diejenigen, denen der Staat das größte Maß an Loyalität abverlangt. Ganz nach dem Motto "Verhandeln statt verordnen". Dafür stehen wir als DGB.
Beamt*innen stellen sich mit ihrer gesamten Persönlichkeit dem Staat zur Verfügung und sind verpflichtet, ihren Dienst mit voller Kraft zu erfüllen. Dies zeichnet das Dienst- und Treueverhältnis aus und begründet, warum Beamt*innen alimentiert werden. Denn Besoldung und Versorgung sind nicht als vertraglich geschuldete Gegenleistung des Dienstherrn, sondern als Unterhaltsgewährung zu verstehen. Das Alimentationsprinzip besagt, dass der Dienstherr seinen Beamt*innen und deren Familien einen angemessenen Unterhalt zu leisten hat. Die Bezüge sind demzufolge so zu bemessen, dass sie je nach Dienstrang, Bedeutung sowie Verantwortung des Amtes und entsprechend der Entwicklung der allgemeinen Verhältnisse einen angemessenen Lebensunterhalt ermöglichen.
Kernbestandteil der Besoldung ist das Grundgehalt, welches der jeweils gültigen Besoldungstabelle (A, B, C bzw. W sowie R) entnommen werden kann. In welcher Besoldungsgruppe ein*e Beamtete*r eingruppiert ist, richtet sich nach dem statusrechtlichen Amt, welches die Beamtin bzw. der Beamte bekleidet. Hinzu können weitere Bezüge wie Zulagen, der Familienzuschlag oder jährliche Sonderzahlungen kommen. Beamt*innen auf Widerruf, die sich in der Ausbildung für eine Laufbahn – im sogenannten Vorbereitungsdienst – befinden, erhalten Anwärterbezüge.
Hinsichtlich der Höhe der Besoldung hat das Bundesverfassungsgericht 2015 und 2020 konkrete Parameter aufgestellt, die die Besoldungsgesetzgeber zu beachten haben. Werden diese nicht erfüllt, ist die Besoldung verfassungswidrig. Dies festzustellen ist alleinige Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts.
Mit dem jährlich erscheinenden DGB Besoldungsreport veranschaulichen wir, welche verschiedenen Wege die 17 Besoldungsgesetzgeber seit der Föderalismusreform I beschritten haben und welchen Folgen dies auf die Besoldungslandschaft hat.
Mit dem DGB Besoldungsrechner können Sie die Jahresbruttobesoldung der A-Besoldung in Bund, den 16 Ländern und den Kommunen ermitteln.
Die Beamtenversorgung ist Ausdruck des verfassungsrechtlich verankerten Alimentations- und Lebenszeitprinzips. Denn der verfassungsrechtlich gesicherte Anspruch der Beamt*innen und ihrer Familien auf eine amtsangemessene Alimentation endet nicht mit der Pensionierung. Die Versorgung umfasst Leistungen wie das Ruhegehalt, die Hinterbliebenenversorgung, die Unfallfürsorge, den Ausgleich bei besonderen Altersgrenzen oder auch den Kindererziehungszuschlag. Anders als sozialversicherungspflichtige Beschäftigte, die in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind, gibt es mit der Beamtenversorgung für Beamt*innen ein eigenständiges Alterssicherungssystem. Die Versorgung bemisst sich aus den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen, die die Beamt*innen 2 Jahre vor der Versetzung in den Ruhestand erhalten haben. Der Versorgungssatz wird aus den ruhegehaltfähigen Zeiten berechnet. Pro ruhegehaltfähigem Jahr sind es 1,79375 Prozent, höchstens jedoch 71,75 Prozent. Die untere Grenze bildet die Mindestversorgung, die insbesondere in Fällen der Dienstunfähigkeit greift.
Der 22. OBK des DGB hat im Mai 2022 in seinem Antrag B001: "Arbeit der Zukunft gestalten – Sozialstaat stärken" beschlossen, Selbständige inkl. verkammerte Berufe und Abgeordnete in die GRV einzubeziehen. Beamt*innen wurden explizit ausgenommen:
"Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften haben in der Vergangenheit beschlossen, dass die GRV langfristig zur Erwerbstätigenversicherung weiterentwickelt werden soll. Daher wird der DGB Vorschläge für Möglichkeiten zur Einbeziehung aller Erwerbstätigen erarbeiten, sofern sie nicht unter den Art. 33 Abs. 5 GG fallen."
Fakt ist, dass es an diesem Beschluss keinen Zweifel gibt. Fakt ist auch, dass die Vorsitzende des DGB, Yasmin Fahimi, zu diesem Beschluss steht.
Yasmin Fahimi hat mehrfach betont, dass eine Einbeziehung von Beamt*innen in die GRV schon allein aus technischen Gründen kaum umsetzbar und v.a. finanziell ein Verlustgeschäft wäre. Ein solcher Schritt würde auf Dauer zu keiner Stabilisierung der GRV beitragen. Dazu muss die Politik andere Entscheidungen treffen. Und dafür setzen sich der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften vehement ein.
Yasmin Fahimi bedauert, wenn es aufgrund eines Interviews Missverständnisse bezüglich dieser Positionen des DGB gegeben hat. Das ist allerdings kein Grund dafür, eine Schmutzkampagne über eine der Beamtengewerkschaften des DGB zu ziehen. Das verbietet schon allein das gewerkschaftliche Grundprinzip der Solidarität. Wenn insbesondere die DPolG keine eigenen Argumente für ihre Politik findet, ist das nur ein Grund mehr, sich für eine andere starke Interessenvertretung einzusetzen.
Die Gesetzgeber müssen das Alimentationsprinzip endlich ernst nehmen. Lange Hängepartien zur Behebung offensichtlicher Missstände entwerten diesen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums und drücken letztlich auch eine fehlende Wertschätzung gegenüber den Beamt*innen aus.
Im Krankheitsfall sind Beamt*innen durch die individuelle Beihilfe anteilig abgesichert. Während Arbeitgeber den hälftigen Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung der Arbeitnehmer*innen tragen, beteiligt sich der Dienstherr direkt an den Kosten, die Beamt*innen im Fall von Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder der Geburt eines Kindes entstehen. Die Beihilfe wird auf Grundlage der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gewährt, sie zählt aber nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums.
Die meisten Beamt*innen sorgen mit einer privaten Krankenversicherung für sich und ihre Angehörigen vor und kommen damit ihrer Pflicht zur Eigenvorsorge nach. Dabei wird in der Regel der Anteil an den Kosten versichert, der nicht durch den Beihilfebemessungssatz abgedeckt ist
Beamt*innen, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, müssen den gesamten Krankenversicherungsbeitrag, also auch den Arbeitgeberanteil selbst zahlen. Denn sie erhalten vom Dienstherrn keinen hälftigen Beitragszuschuss. Einige Bundesländer (Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen) haben diese Fürsorgelücke bereits geschlossen und bieten ihren Beamt*innen die pauschale Beihilfe in Form eines hälftigen Zuschusses zu den Kosten einer Krankenvollversicherung als Alternative zur individuellen Beihilfe an. Die Landesregierungen von Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen haben das Vorhaben in den jeweiligen Koalitionsverträgen verankert.
Wird über den öffentlichen Dienst diskutiert, dann geht es oft um Kosteneinsparungen. Und in der Tat: Zwischen 1991 und 2022 ist das Personal um knapp 25 Prozent von 6,74 auf 5,21 Millionen Beschäftigte gesunken. Neueinstellungen fanden kaum noch statt, zudem wurde wenig ausgebildet. Der Altersdurchschnitt ist dadurch im öffentlichen Dienst überdurchschnittlich hoch. Zwar gibt es seit 2008 wieder einen leichten Personalaufwuchs, der führte jedoch angesichts der seit 2020 rollenden Pensionierungswelle kaum zu einer Erleichterung. So ist in Bürgerämtern und in der staatlichen Arbeitsschutzaufsicht, in Schulen und Kitas, bei Polizei und Feuerwehr und in vielen anderen Arbeitsbereichen Personalmangel mittlerweile Normalzustand. Die Situation verschärft sich zudem durch den immer härter geführten Wettbewerb um Fachkräfte. Der öffentliche Dienst muss deshalb nicht nur attraktiver, vielfältiger und jünger werden, sondern auch bessere Arbeitsbedingungen und Perspektiven für seine Beschäftigten bieten.
Deutschland hat eine lange gewachsene Schwimm- und Badekultur. Doch die ist mittlerweile in Gefahr. Vielerorts wurden kommunale Schwimmbäder geschlossen, statt sie zu sanieren. Seit Jahrzehnten wird zu wenig in die öffentlichen Bäder investiert.
Die Folgen der Bäderschließungen lassen sich unter anderem Beckenrand beobachten. Über die Hälfte der 10jährigen Kinder können nicht mehr richtig schwimmen. Jeder 10. kann sich gar nicht über Wasser halten. Das ist lebensgefährlich, was sich jeden Sommer durch die vielen Badeunfälle zeigt.
Olympiasiegerin Britta Steffen und Jens Popke vom ver.di Bundesfacharbeitskreis Bäder machen sich für mehr Investitionen und mehr Personal in öffentlichen Schwimmbädern stark. Sie sind ein wichtiger Ort des Lernens, für Sport und Begegnung – und auch für Gute Arbeit.
Warum es mehr Forstpersonal braucht, um den Wald zu schützen, erklären die Schülerin Fabia Klein (Fridays for Future) und Jörg Müller von der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt.
Antworten auf diese Frage liefern die Ergebnisse einer Umfrage zum Thema Vielfalt im öffentlichen Dienst, welche das Meinungsforschungsinstitut YouGov Ende August 2022 im Auftrag des DGB durchgeführt hat. Fazit: Die Beschäftigten wollen, doch die öffentlichen Arbeitgeber ziehen (noch) nicht mit. Bereits 2018 hat der DGB Beamt*innen und Tarifbeschäftigte dazu befragt. Passiert ist seitdem offensichtlich nicht viel.
Demokratie darf nicht an Werkstoren oder Behördentüren aufhören – sie muss auch für Beschäftigte im Arbeitsleben gelten. Das ist der zentrale Zweck der Mitbestimmungsgesetze. Dabei ist das Recht der betrieblichen Interessenvertretung der Beschäftigten in Deutschland uneinheitlich geregelt. Was für die Privatwirtschaft das Betriebsverfassungsgesetz, das ist im öffentlichen Dienst eines der insgesamt 17 Personalvertretungsgesetze.
Personalvertretungen sind im öffentlichen Dienst zwingend. Sie werden in der Regel alle 4 Jahre von den Beschäftigten gewählt. Im Mittelpunkt des Personalvertretungsrechts steht die Interessenvertretung des*der Beschäftigten in den Dienststellen. Dabei ist der Status des Beschäftigten – Angestellten- oder Beamtenverhältnis – unerheblich.
Die Digitalisierung ist ein zentraler Bereich, in dem eine wirksame Mitbestimmung elementar ist. Dabei geht es nicht nur um den Schutz von Beschäftigteninteressen, sondern die Chancen und Möglichkeiten durch die Digitalisierung im Interesse der Beschäftigten zu gestalten. Gleichzeitig sind die Sorgen der Beschäftigten berechtigt: Arbeitsplatzsicherheit, Qualifikationen, Datenschutz, bereits absehbare Fehlentwicklungen wie Entgrenzung und psychischer Stress. Beschäftigte, deren Interessenvertretungen und die Dienststellen müssen gemeinsam Strategien für diesen Transformationsprozess entwickeln und Gestaltungsmöglichkeiten für Gute digitale Arbeit entwickeln.
Ob bei den Rettungskräften, auf Ämtern oder im Nah- und Fernverkehr: Die Beschäftigten, die jeden Tag für unsere Gesellschaft im Einsatz sind, werden immer häufiger Opfer von Beleidigungen, Bedrohungen und tätlichen Angriffen. Wir stellen uns hinter die Menschen im öffentlichen und privatisierten Sektor und fordern: Schluss mit der Gewalt!
Jedes Jahr im Herbst lädt das DGB-Bildungswerk in Kooperation mit dem DGB und der Zeitschrift "Der Personalrat" zum Schöneberger Forum nach Berlin ein. Unsere Fachtagung für den öffentlichen Sektor richtet sich an Beamt*innen und Vertreter*innen aus Personalräten, Gewerkschaften, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft.
Sonderauswertung DGB-Index Gute Arbeit
Studie / Analyse26. Juli 2024
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