Streik

Welche Rechte hast du als Arbeitnehmer*in?

Was ist ein Streik und welche Rechte habe ich?

Streik ist ein Mittel, um höheres Entgelt, Beteiligung am wirtschaftlichen Reichtum oder auch sozialen Fortschritt durchzusetzen: Ohne das Streikrecht sind Tarifverhandlungen kollektives Betteln. Doch wer darf eigentlich streiken und wann ist ein Streik rechtmäßig?

Hände weg vom Streikrecht!
"Hände weg vom Streikrecht! Es geht um die berechtigten Interessen der Beschäftigten – höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen, mehr Zeitsouveränität."
Yasmin Fahimi, DGB-Vorsitzende

Warum Streiks so wichtig sind

  • Beschäftigte stehen mit Streiks für ihre Interessen ein. Der Streik ist das einzige Mittel, um diese Interessen auf Augenhöhe mit den Arbeitgebern zu verhandeln.
  • Durch Streiks erreichte Erfolge sind für uns alle gut. Höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und mehr Tarifverträge bedeuten mehr Kaufkraft, mehr Geld in der Sozialversicherung und damit mehr soziale Sicherheit, mehr Steuereinnahmen für den Staat.
  • Schuld an Streiks sind die Arbeitgeber, die in Tarifverhandlungen keine guten Angebote machen. Es sind nicht die Arbeitnehmer*innen, die für ihre Interessen einstehen. In einem Konflikt gib es immer zwei Konfliktparteien und in einer Tarifverhandlung ist es auch die Pflicht der Arbeitgeber, die Verhandlungen zum Erfolg zu führen.
  • Unternehmen haben trotz Krisen große Gewinne eingefahren. Es ist nur fair, wenn Beschäftigte sich ihren Anteil am Wohlstand erstreiken. Gerade in Zeiten von Reallohn-Verlusten ist das ein berechtigtes Anliegen. Die Beschäftigten haben diesen Wohlstand schließlich erarbeitet.

Häufig gestellte Fragen zu Streik und Streikrecht

Wann ist ein Streik erlaubt und damit rechtmäßig?

Ein Streik ist dann rechtmäßig, wenn

  • es um ein tarifvertraglich regelbares Ziel geht,
  • von einer zuständigen Gewerkschaft zum Streik aufgerufen wird,
  • die Tarifforderung nicht unter die Friedenspflicht fällt
  • keine verbindliche Schlichtungsregelung besteht
  • und der Streik nicht offensichtlich unverhältnismäßig ist.

Sämtliche Streikaktionen müssen auf genau diese Streikziele ausgerichtet sein. Streik ist ein Grundrecht und das rechtmäßige Mittel um eine Tarifforderung durchzusetzen.

Streikleitung

Die Streikleitung ist für die Streikmaßnahmen verantwortlich. In der Regel gibt es eine zentrale Streikleitung. Je nachdem wie umfangreich der Streik ist, setzen sie der Bundesvorstand oder die Bezirksleitungen der Gewerkschaften ein,.Neben der zentralen Streikleitung gibt es noch die örtlichen oder bezirklichen Streikleitungen und in den bestreikten Betrieben die  betrieblichen Streikleitungen. Die Streikleitung legt die bestreikten Betriebe fest, sorgt für Notdienste in den Betrieben, kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit und führt Gespräche mit Arbeitgebern und Polizei.

Streikziele

Ein Streikziel ist ein tariflich regelbares Ziel. Das heißt, mit dem Streik dürfen nur Forderungen verbunden sein, die in einem Tarifvertrag vereinbart werden können. Das können neben Lohnerhöhungen zum Beispiel auch Forderungen nach einer verkürzten Wochenarbeitszeit, mehr Urlaubstagen oder tariflichen Leistungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld sein. 

Worum geht es beim Streiken?

Der Arbeitskampf ist international anerkannt. In Deutschland ist er grundgesetzlich geschützt. Die Rechtsprechung der Gerichte formt das Streikrecht mit jeder Entscheidung weiter aus. 

Im Arbeitsleben besteht ein großes Ungleichgewicht zwischen den Beschäftigten und den Arbeitgebern. Die Arbeitgeberseite verfügt über die Finanz- und Produktionsmittel. Sie hat damit die Macht z. B. über Einkommen, Arbeitsplätze, Investitionen und Produktionsprozesse zu bestimmen. Unternehmer*innen sind den Beschäftigten somit strukturell überlegen.

Die Rechtsprechung hat deshalb anerkannt: Wenn die einzelnen Beschäftigten ihre Interessen durchsetzen wollen, sind  sie aufgrund dieser strukturellen Unterlegenheit auf kollektives Handeln, wie den Streik, angewiesen. Nur so können sie dem ungleichen Machtverhältnis etwas entgegensetzen. 

Ein Streik hat Spielregeln

Beim Streik müssen aber bestimmte Spielregeln eingehalten werden, weil Grundrechte der Beschäftigten, der Arbeitgeber und Dritter, aufeinandertreffen (siehe dazu auch die Frage zur Rechtsmäßigkeit eines Streiks).

  • Der Streik ist das letzte Mittel der Beschäftigten um Tarifforderungen durchzusetzen.  Er ist verfassungsmäßig garantiert. 
  • Wesentliches Element im Streik ist die Kommunikation: Zum Streikrecht gehört das Recht, alle betroffenen Beschäftigten anzusprechen, um sie für eine Streikteilnahme zu motivieren. 
  • Das Streikrecht ist auch das Mittel, um soziale Anliegen im Konflikt mit dem Arbeitgeber in den öffentlichen Raum zu tragen. Es geht also gerade auch um die öffentliche Auseinandersetzung und um die Kommunikation mit der Öffentlichkeit.

Dabei folgt für beide Seiten:

  • Freie Wahl der Mittel, die sie für geeignet halten-
  • Verbot der Tarifzensur: Tarifforderungen können von den Gerichten nicht auf ihre Angemessenheit inhaltlich überprüft werden.
Wie wichtig ist es, dass die Gesellschaft einen Streik mitträgt?

Ein Streik kann zu Einschränkungen führen, die in unserem (Arbeits-)Alltag stören. Das passiert immer dann, wenn die bestreikten  Arbeitgeber Dienstleistungen für die Öffentlichkeit erbringen. Zum Beispiel wenn im öffentlichen Nahverkehr,  bei der Bahn und im Flugverkehr gestreikt wird,  im Gesundheitswesen, in der Energieversorgung oder im Erziehungswesen. Dann sind nicht nur die Betriebe betroffen, sondern wir alle, die im täglichen Leben auf diese Dienstleistungen angewiesen sind.

Aber es gilt: Auch die Beschäftigten diese Branchen und Betrieben haben ein Recht auf Streik.

Wichtig für eine Tarifauseinandersetzung ist daher der Austausch mit der Öffentlichkeit. Wir brauchen ein breit getragenes Verständnis dafür, dass die Beschäftigten und ihre Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. Einige Beispiele, warum wir alle ein großes Interesse an erfolgreichen Tarifverhandlungen haben:

  • Kinder und Eltern haben ein Interesse daran, dass das pädagogische Personal in Kitas angemessen vergütet wird und motiviert ist.
  • Patient*innen wollen, dass Krankenhausbeschäftigte Arbeitsbedingungen haben, die eine optimale Versorgung gewährleisten.
  • Bahnreisende und Nutzer*innen des ÖPNV wollen motivierte und gut bezahlte Beschäftigte, die sie sicher und pünktlich ans Ziel bringen.

Wir werben als DGB deshalb ausdrücklich um Verständnis für Streikende in der Bevölkerung, auch und gerade wenn diese von Einschränkungen betroffen ist. Denn: Solidarität stärkt Arbeitnehmer*innen in Tarifkonflikten den Rücken.

Wer darf streiken?

Streik ist ein Grundrecht und das rechtmäßige Mittel zur Durchsetzung der Tarifforderung gemäß Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz (Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 12.09.1984 – 1 AZR 342/83). Jede*r Arbeitnehmer*in  darf an einem Streik teilnehmen, unabhängig davon, ob gewerkschaftlich organisiert.

Das heißt, du darfst auch streiken, wenn du kein Gewerkschaftsmitglied bist. Auch das ist im Grundgesetz verankert und folgt aus der sogenannten "Freiheit zur koalitionsgemäßen Betätigung" des Artikels 9, Absatz 3 Grundgesetz. Aber nur Gewerkschaftsmitglieder haben einen Rechtsanspruch auf Leistungen des Tarifvertrages und im Falle eines Streiks auf Unterstützungsleistungen wie das Streikgeld.

Der Arbeitgeber darf eine Streikteilnahme nicht verhindern! Nur Beamt*innen dürfen in Deutschland nicht streiken.

Warum dürfen Beamt*innen in Deutschland nicht streiken, obwohl streiken ein Grundrecht ist?

In Deutschland dürfen Beamt*innen nicht streiken. Das Beamt*innenstreikverbot ergibt sich nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwingend aus den „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“. Dahinter müsse die in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz garantierte Koalitionsfreiheit, die das Streikrecht begründet, zurückstehen. 

Ende 2023 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden, dass dieses generelle Beamt*innenstreikverbot nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt.

Kann es arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, wenn ich streike?

Nein. Wenn du einem Streikaufruf einer Gewerkschaft folgst und an einem rechtmäßigen Streik teilnimmst, werden die Hauptpflichten aus deinem Arbeitsverhältnis suspendiert. Das heißt, dass die Hauptpflichten während des Streiks nicht gelten. Du musst also während des Streiks deiner Arbeitspflicht nicht nachkommen, aber der Arbeitgeber muss dir umgekehrt für den Zeitraum des Streiks auch kein Gehalt zahlen. Für die Arbeitsniederlegung darf dein Arbeitgeber dich nicht bestrafen, weder mit einer Abmahnung noch mit einer Kündigung.

Was ist das Streikgeld und wie bekomme ich es?

Die Streikunterstützung oder auch Streikgeld  bekommen streikende Gewerkschaftsmitglieder von ihrer Gewerkschaft ausgezahlt, damit sie einen Streik auch finanziell durchstehen können. Das Streikgeld ist eine solidarische Leistung aller Gewerkschaftsmitglieder für die streikenden Kolleg*innen.

Wann  und wieviel Streikgeld bekomme ich?

Wer sich als Mitglied einer Gewerkschaft am Streik beteiligt, bekommt pro Streiktag Geld, um die Lohneinbußen aufzufangen. Wie hoch das Streikgeld ist, hängt u. a. vom Mitgliedsbeitrag und der Mitgliedsdauer ab.  Die Information bekommst du direkt bei deiner Gewerkschaft.

Hier kommst du direkt zu unseren Mitgliedsgewerkschaften!

Warnstreik, Erzwingungsstreik, Solidaritätsstreik – Welche Streikformen gibt es und wann kommen sie zum Einsatz?

Definition Warnstreik

Warnstreiks sind meist kurzfristige Arbeitsniederlegungen, die sich z. B. über wenige Arbeitsstunden oder eine Schicht erstrecken und wiederholt werden können. Zu Warnstreiks können Gewerkschaften schon während noch laufender Tarifverhandlungen und sogar vor deren Beginn aufrufen. Sie dienen der Mobilisierung der Mitglieder und Beschäftigten, die sich mit den Tarifforderungen identifizieren und sich intensiv dafür einsetzen sollen und der Herstellung von Verhandlungsbereitschaft auf Arbeitgeberseite. Wichtig ist, dass auch Warnstreiks während der Friedenspflicht unzulässig sind. Das Bundesarbeitsgericht hat Warnstreiks ausdrücklich als rechtmäßig anerkannt.

Definition Erzwingungsstreik

Wenn Tarifverhandlungen gescheitert sind und die Mitglieder der Gewerkschaft in einer Urabstimmung für einen Streik votiert haben, darf zu einem sogenannten Erzwingungsstreik aufgerufen werden. Dieser ist dann im Gegensatz zum Warnstreik unbefristet und endet in der Regel, wenn Arbeitgeber und Gewerkschaft zu einer Einigung kommen.

Im Jahr 2023 hat zuletzt die Gewerkschaft ver.di nach den gescheiterten Tarifverhandlungen mit der Deutschen Post eine Urabstimmung unter den Mitgliedern durchgeführt. Die Mitglieder stimmten für den unbefristeten Streik. Nach diesem Ergebnis legten die Arbeitgeber ein neues Angebot vor und der unbefristete Streik konnte kurzerhand abgewendet werden.

Definition Solidaritätsstreik

Ein Solidaritätsstreik oder Unterstützungsstreik ist eine Sonderform des Streiks. In einem Solidaritätsstreik unterstützen Streikende außerhalb des Geltungsbereichs des zu erstreikenden Tarifvertrags einen Hauptstreik. Die Friedenspflicht aus dem Tarifvertrag steht dem nicht entgegen; allerdings muss eine gewisse wirtschaftliche oder gesellschaftsrechtliche Verflechtung zwischen den Streikbetrieben bestehen. Auch zu einem Solidaritätsstreik muss eine Gewerkschaft aufrufen.

Definition Wellenstreik

Bei einem Wellenstreik handelt es sich um mehrere Kurzstreiks. Dabei können die Arbeitsniederlegungen in einzelnen Abteilungen und Schichten zu jeweils verschiedenen Zeiten von unterschiedlicher Dauer erfolgen. Oftmals werden sie gar nicht oder nur mit einer kürzeren Frist angekündigt. Dem Arbeitgeber wird so die Abwehr der Streikmaßnahmen erheblich erschwert.

Wie lang darf ein Warnstreik sein? Wie lang darf ein Streik sein?

Rechtlich gibt es bei den Voraussetzungen keine Unterschiede zwischen Warnstreik und Erzwingungsstreik. Deswegen gibt es weder rechtliche Grenzen, was die Streik-Dauer oder die Anzahl der Wiederholungen betrifft. Tatsächlich dauern Warnstreiks aber oft nur wenige Stunden oder eine Schicht, weil sie noch begleitend zu Verhandlungen stattfinden. Erzwingungsstreiks sind dagegen oft unbefristet.

Die längsten Streiks in Deutschland: Beispiele zur Streikdauer aus der Praxis

Mehr als 300 Tage dauerte der bisher längste Streik in der deutschen Gewerkschaftsgeschichte. 10 Monate – es waren  43 Wochen oder 301 Tage – streikten damals die in der IG BAU organisierten Granitarbeiter in Steinbrüchen  im Bayerischen Wald.  Auslöser des Streiks war, dass die Steinbruch-Chefs die Akkordlöhne um 20 bis 30 Prozent kürzen wollten. Der Streik begann am 17. Juni 1991 in 17 Betrieben zwischen Hauzenberg im Landkreis Passau und Cham. Er dauerte bis zum Frühjahr 1992.  Nach 301 Tagen wurde der Streik beendet, als einer der Arbeitgeber im März 1992 einlenkte. “Die wollten unbedingt wieder produzieren, sind aus dem Verband ausgetreten und haben einen Haustarif gemacht”, erinnert sich ein Arbeiter, der  am Streik beteiligt war. So kam es zur Tarifeinigung. Sie sorgte für eine Erhöhung der Stundenlöhne um 7 Prozent sowie  eine Lösung für die Akkordarbeiter.  

Nach 180 Tagen Streik hat die IG Metall am 6. Mai 2024 den Streik beim Recyclingunternehmen SRW metalfloat in Espenhain unterbrochen. Damit wurde ein neuer Streikrekord  in der Geschichte der IG Metall aufgestellt. Für weniger als 2.000 Euro brutto im Monat sortierten die Beschäftigten bei SRW metalfloat Metallschrott im Dreischichtbetrieb. Lohnerhöhungen gab es in den vergangenen Jahren kaum, obwohl der Arbeitgeber immer wieder viel versprochen hatte. Deshalb forderte die IG Metall gemeinsam mit den Beschäftigten 8 Prozent mehr Lohn, jeweils 1.500 Euro Urlaubs- und Weihnachtsgeld und eine Verkürzung der Arbeitszeit von 40 auf 38 Stunden. Als es zum Streik kam, reagierte der Arbeitgeber mit Aussperrungn. Am Ende wurde das Streikziel – mehr Lohn und kürzere Arbeitszeit – nicht erreicht. Viele Beschäftigte suchen sich jetzt mit Hilfe der IG Metall eine andere Arbeit.

2023 einigte sich die IG Metall nach 123 Streiktagen auf ein Paket von Tarifverträgen mit der deutschen Tochter des dänischen Windanlagenbauers Vestas.

1994  erstritt die ver.di-Vorläufergewerkschaft IG Druck in 117 Tage 2 Prozent höhere Löhne für die Beschäftigten der Druckindustrie. 

Mit 114 Tagen, also gut 16 Wochen, knapp dahinter: der Streik 1956 in der Metallindustrie. Damals ging es um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.

1984 streikten die Beschäftigten in der westdeutschen Metallindustrie fast 7 Wochen für die Verkürzung der Arbeitszeit von 40 auf 35 Stunden in der Woche. Dieser Streik gehörte damit auch zu einem der längsten und härtesten in der bundesdeutschen Tarifgeschichte mit einem Ergebnis, wovon heute noch viele Beschäftigte profitieren.

Darf ein Streik wirtschaftliche Auswirkungen haben?

Da es beim Streikrecht um den Ausgleich eines bestehenden Ungleichgewichts geht, darf und soll der Streik betriebswirtschaftlichen Schaden für das bestreikte Unternehmen herbeiführen. Nur so kann Augenhöhe für die Lösung eines Tarifkonflikts hergestellt werden.

Ein Streik kann auch Folgen für Vertragspartner des bestreikten Arbeitgebers und die Öffentlichkeit haben. Dies sind notwendige Nebenfolgen des Streikrechts. Den Streikenden, die sich für eine Verbesserung ihrer Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen einsetzen, bleibt oft keine andere Wahl, um ihre berechtigten Forderungen durchzusetzen. Deshalb gilt ihnen unser Verständnis und unsere Solidarität.

Diese großen Erfolge wurden durch Streiks erreicht

Streiks beziehen sich meist auf Lohnerhöhungen, die regelmäßig erfolgreich durchgesetzt werden.

Große Erfolge gewerkschaftlicher Streiks, von denen alle profitieren, waren außerdem:

  • 5-Tage-Woche: bis in die 1950er Jahre war der Samstag ein regulärer Arbeitstag
  • Verkürzung der Arbeitszeit auf bis zu 35 Stunden pro Woche in den 1980er Jahren
  • 6 Wochen Urlaub statt der gesetzlich vorgeschriebenen 4 Wochen
Was ist eine Urabstimmung und wie funktioniert sie?

Ein Erzwingungsstreik, also ein unbefristeter Streik, ist das letzte Mittel und die schärfste Waffe der Gewerkschaften in einem Tarifkonflikt. Um dies sicher zu stellen, geht einem Streik eine Urabstimmung voraus. 

Definition Urabstimmung

In einer Urabstimmung werden die betroffenen Mitglieder, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen, gefragt, ob sie bereit sind, für die von den Gewerkschaften erhobenen Forderungen die Arbeit niederzulegen. Zu einer Urabstimmung kann es also erst kommen, wenn Tarifverhandlungen gescheitert sind und die Friedenspflicht abgelaufen ist.

Wie läuft eine Urabstimmung ab? Wie viel Prozent müssen mindestens zustimmen?

Das Verfahren über eine Urabstimmung und Arbeitskampfmaßnahmen ist in den jeweiligen Satzungen und Richtlinien der DGB-Mitgliedsgewerkschaften geregelt. Bei den meisten Gewerkschaften müssen 75 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder die zum Streik aufgerufen werden sollen, für Streik stimmen. Erst dann kann der jeweilige Gewerkschaftsvorstand den Streik genehmigen. Er entscheidet auch, ob eine Urabstimmung durchgeführt werden soll.

Die Urabstimmung kann in den Räumlichkeiten der Gewerkschaft stattfinden oder sie erfolgt schriftlich per Brief. Sie muss auf jeden Fall in geheimer Wahl erfolgen.

Warum gibt es eine 2. Urabstimmung?

Das nach dem Streik erzielte Tarifergebnis wird den Mitgliedern in einer zweiten Urabstimmung vorgelegt. Dann müssen in der Regel 25 Prozent der Mitglieder zustimmen. Sie erklären damit ihr Einverständnis mit den ausgehandelten Tarifergebnissen und zugleich ihren Entschluss, den Streik nicht weiter fortzusetzen. Zuletzt wird das Ergebnis der Urabstimmung auf Antrag der Tarifkommission vom Vorstand der Gewerkschaft beschlossen.

 

Müssen Streiks grundsätzlich angekündigt werden und wenn ja, welche Fristen gibt es?

Nein. Es besteht grundsätzlich keine Pflicht, einen Streik innerhalb einer bestimmten Frist anzukündigen. Arbeitskampfmittel wie der Streik dürfen gerade überraschend und punktuell eingesetzt werden.

Im Einzelfall können aber Erhaltungsarbeiten oder Notdienste erforderlich sein. Sofern die Öffentlichkeit oder Dritte betroffen sind, kann aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit auch eine Verpflichtung zur Vorankündigung folgen. Gefahren für Leib und Leben und unangemessene Schäden bei Dritten und der Öffentlichkeit sollen – auch um die öffentliche Akzeptanz nicht zu gefährden – in jedem Fall vermieden werden.

Was ist eine Schlichtung?

Die Verhandlungen sind festgefahren, keine Einigung ist in Sicht: Immer wieder landen Tarifverhandlungen scheinbar in einer Sackgasse, wenn die Parteien sich nicht einigen können. Dann kann eine Schlichtungskommission eingesetzt werden oder ein Schlichter wird berufen. Sie haben das Ziel, einen Streik abzuwenden und eine Einigung am Verhandlungstisch zu erreichen.

Wie eine Schlichtung funktioniert und wer in einer Schlichtungskommission sitzt, kannst du auf unserer Ratgeberseite zum Tarifvertrag nachlesen.

Hat die Zahl der Streiks in den letzten Jahren zugenommen?

Tatsächlich ist die Zahl der Streiks in Deutschland in den vergangenen Jahren angestiegen, erklärten die Wissenschaftler des WSI der Hans-Böckler-Stiftung im Februar 2024. Hintergrund der Streiks waren die hohen Inflationsraten der vergangenen Jahre. Deshalb forderten die  Gewerkschaften 2023 deutlich höhrere Tarifabschüsse als im Vorjahr.  Die gewerkschaftlichen Forderungen reichten von 8 Prozent in der westdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie bis zu 15 Prozent bei der Deutschen Post. In vielen Branchen forderten die Gewerkschaften außerdem eine soziale Komponente, meist in Form eines zusätzlichen Festbetrags.Das führte zu zahlreichen Streiks, heißt es in der Jahresbilanz des WSI-Tarifarchivs für 2023:

“Eine Einigung konnte teilweise erst nach umfangreichen Warnstreiks erzielt werden. Bei der Deutschen Post wurde sogar eine Urabstimmung für einen unbefristeten Erzwingungsstreik durchgeführt, bevor kurz vor Streikbeginn doch noch ein Abschluss erzielt werden konnte. Im öffentlichen Dienst (Bund und Gemeinden) sowie in der Tarifrunde der EVG bei der Deutschen Bahn konnte hingegen erst im Rahmen von Schlichtungsverfahren ein Kompromiss gefunden werden. Die Gewerkschaft Verdi berichtete für ihren Bereich von insgesamt 140 Streiks, an denen sich über 300.000 Mitglieder beteiligt haben. Die Gewerkschaft NGG meldete sogar einen neuen Rekord von mehr als 400 Streiks.”

Was gilt im Bereich der "Daseinsvorsorge": Soll das Streikrecht bei Bahnen, Bussen, in Kitas und Krankenhäusern verboten werden?

Wenn bei der Bahn gestreikt wird, in Kitas oder in Krankenhäusern – den Bereichen der so genannten Daseinsfürssorge, dann trifft es uns alle. Vor allem, wenn wir als Berufstätige unsere Kinder nicht zur Tagesbetreuung unterbringen können, die Züge nicht zur Arbeit fahren, wichtige Operationen in  der Klinik verschoben werden müssen.

Dann wird schnell nach einer Einschränkung des Streikrechts gerufen. Vor allem Konservative und liberale Politiker*innen verlangen dann zum Beispiel längere Ankündigungsfristen vor einem Streik, die Pflicht zu Notdiensten und verpflichtende Schlichtungsverfahren. 

Der DGB und die Gewerkschaften lehnen solche Einschnitte ins Streikrecht grundsätzlich ab.

Für unsere Haltung gibt es handfeste rechtliche Gründe: 

Eine pauschale Einschränkung von Streiks oder gar ein Streikverbot in der “Daseinsvorsorge” oder für das “Gemeinwohl” – für beide Begriffe gibt es keine anerkannten Definitionen – wäre mit Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz und dem Europarecht unvereinbar.

“Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.”

Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz

Auch die Beschäftigten in diesen Branchen, die in Branchen und Betrieben der Daseinsvorsorgen arbeiten,  haben das Recht auf Durchsetzung ihrer Interessen im Arbeitsleben.

Zugleich hat die Allgemeinheit ein Interesse daran, dass auch in der Daseinsvorsorge wettbewerbsfähige Arbeitsbedingungen herrschen, die den  Beschäftigten möglich machen, das Optimale zu leisten.  Deswegen gilt: Streiken darf man unabhängig vom Tätigkeitsbereich

Aber: Ein Arbeitskampf darf Leben und Gesundheit anderer nicht gefährden. Das kann und wird durch Notdienste oder Vorankündigungen ausreichend gesichert. Die Gewerkschaften gehen damit verantwortungsvoll um und haben das im Blick. 

Dabei gilt aber ein Grundsatz: Es geht um das absolut Erforderliche. Der Notdienst darf nicht als Deckmantel missbraucht werden, um die normale Produktion auch nur teilweise aufrechtzuerhalten.

Ein Streik ist nie Selbstzweck, sondern das notwendige letzte Mittel
"Ein Streik ist ja nie Selbstzweck, sondern das notwendige letzte Mittel, um berechtigte Interessen durchzusetzen. Im Übrigen gehört Deutschland zu den Industrieländern mit den wenigsten Streiktagen im Jahr. Es gibt keinen Anlass, sich darüber aufzuregen. Was mich aufregt, sind sinkende Reallöhne von Millionen Beschäftigten, die nicht unter den Schutz von Tarifverträgen fallen. Das ist dramatisch und ein sozialpolitischer Skandal. Die Gesellschaft droht noch weiter in Arm und Reich auseinander zu fallen. Darüber wird kaum geredet."
DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi, 06. Juni 2023
Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland

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