Jahresgutachten des Sachverständigenrates: Weckruf für Investitionen
Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied
Statement13. November 2024
Artikel lesenWie der Staat Beschäftigte und Familien entlasten kann
95 Prozent der Beschäftigten entlasten, die reichsten 5 Prozent belasten: Das geht mit unserem Steuerkonzept. Wir wollen ein gerechteres Steuersystem, in dem große Vermögen ihren Beitrag leisten und der Staat mehr Geld für Zukunftsinvestitionen hat.
Im deutschen Steuersystem besteht ein großes Ungleichgewicht: Es orientiert sich nicht ausreichend an der finanziellen Leistungsfähigkeit der Steuerzahler*innen. Stattdessen begünstigt es hohe Einkommen, Unternehmensgewinne und große Vermögen. Gemessen an ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit zahlen jene, die über viel Geld verfügen, weniger in die öffentlichen Kassen als Haushalte mit mittleren und kleinen Einkommen.
Das hat auch zur Folge, das Vermögen in Deutschland sehr ungleich verteilt ist, auch im internationalen Vergleich. So besitzt das reichste 1 Prozent rund ein Drittel des Gesamtvermögens, die untere Hälfte gerade einmal 2,9 Prozent (siehe Grafik).
Hohe Ungleichheit ist nicht nur eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Statt Investitionen in die Realwirtschaft befördert sie auch Finanzspekulationen und schadet so einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung. Dabei ist klar: Eine hohe Vermögensungleichheit und zunehmende Vermögenskonzentration sind keine Naturgesetze. Es gibt eine Vielzahl an Stellschrauben, an denen gedreht werden kann, um mehr Gerechtigkeit zu schaffen. Zentral dafür ist ein gerechteres Steuersystem.
Wir wollen ein Steuersystem, in dem Lasten fair verteilt werden. Gleichzeitig muss der Staat ausreichend Steuereinnahmen erhalten, um in unsere Zukunft zu investieren. Denn es braucht öffentliche Investitionen an allen Ecken und Enden: mehr Personal in den Gesundheitsämtern, Krankenhäusern, der Pflegebranche und dem Bildungswesen, eine bessere Ausstattung von Schulen, die Unterstützung der Wirtschaft bei der Bewältigung der Transformation.
Klar ist: Von diesen Investitionen profitieren alle. Doch wie können sie gerecht aus Steuergeldern finanziert werden? Zu diesem Zweck haben wir ein eigenes steuerpolitisches Konzept entwickelt – das DGB-Steuerkonzept.
Im Mittelpunkt steht eine Reform der Lohn- und Einkommensteuer, um die Steuerzahler*innen angemessen und nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit zu beteiligen. Nach unseren Plänen müssten 95 Prozent der Steuerpflichtigen weniger zahlen und nur Spitzenverdiener*innen mehr. Daneben enthält das Steuerkonzept Vorschläge für die Reform weiterer Steuerarten und für die Finanzverwaltung. Dadurch wird die Einnahmebasis von Bund, Ländern und Gemeinden gestärkt, insgesamt um rund 60 Milliarden Euro. So gewinnt die öffentliche Hand mehr Handlungsspielraum.
Für mehr Steuergerechtigkeit braucht es eine Reform der Einkommensteuer. Dafür fordern wir folgende Änderungen:
Reiche und Spitzeneinkommen müssen wieder mehr zum Gemeinwesen beitragen.
Angesichts der großen gesellschaftlichen Herausforderungen können wir uns Steuerprivilegien für Reiche nicht mehr leisten. Die öffentliche Hand braucht Einnahmen — für eine moderne Infrastruktur, gute Bildung und eine intakte Umwelt, von der alle profitieren.
Wie ungerecht der steuerpolitische Status Quo ist, zeigen Berechnungen des Netzwerk Steuergerechtigkeit:
Wir fordern deshalb, dass Spitzenverdiener*innen und Vermögende wieder mehr zum Gemeinwesen beitragen. Die Vermögensteuer, die seit 25 Jahren ausgesetzt ist, soll auf Netto-Vermögen ab 1 Million Euro wieder erhoben werden So könnten 28 Milliarden Euro im Jahr mobilisiert werden. Weitere Milliarden würde eine Erbschaft- und Schenkungssteuer auf Betriebsvermögen bringen.
Die Körperschaftsteuer auf Unternehmensgewinne soll mittelfristig auf 25 Prozent angehoben werden. Dies würde mindestens 8 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen bringen. Auch eine Finanztransaktionssteuer ist überfällig. Wenn sie — wie wir vorschlagen — alle Finanzmärkte, -produkte und -akteure umfasst, würden weitere 17 Milliarden Euro Mehreinnahmen erzielt.
Mehr Informationen und Forderungen: unser Politikfeld
Die Vermögenskonzentration ist inzwischen so groß, dass sie direkt angegangen werden muss – mit einer Steuerreform. Das ist unumgänglich. Aber: Mitbestimmung, Tarifbindung und Mindestlohn sind entscheidende Faktoren, wenn es um die Verteilung zwischen Löhnen und Gehältern einerseits und Unternehmens- und Vermögenseinkommen andererseits geht. Dafür braucht es starke Gewerkschaften. Deshalb: Jetzt Mitglied werden, gewerkschaftlich organisieren und gemeinsam mehr erreichen.
Stefan Körzell, DGB-Vorstandsmitglied
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