Europawahl 2024: Forderungen des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften an die Parteien
Positionspapier25. Januar 2024
Datei herunterladenWelche politischen Kräfte im Europaparlament bestimmen, hat Einfluss – auf dein Leben und deinen Arbeitsplatz.
Am 9. Juni 2024 war die Europawahl. Knapp 350 Millionen Wahlberechtigte aus den 27 EU-Staaten konnten die 720 Abgeordneten für das Europäische Parlament wählen. In Deutschland waren rund 66 Millionen Menschen wahlberechtigt.
Hier seht ihr die Beiträge unserer Europa-Kampagne in Social Media .
Das EU-Parlament ist die demokratisch gewählte Vertretung der Bürger*innen der Europäischen Union (EU). Es wirkt an europäischer Gesetzgebung mit, zum Beispiel war es maßgeblich an der Abschaffung der Roaming-Gebühren oder der Einführung eines 14-tägigen Rückgaberechts für online gekaufte Waren beteiligt.
Wir EU-Bürger*innen können uns in Europa frei bewegen, in anderen EU-Ländern leben, arbeiten, studieren und reisen.
Aber Europa kümmert sich nicht nur um die Reisefreiheit oder die gemeinsame Währung – Europa erlässt Regeln und Gesetze, die uns ganz konkret im Arbeitsalltag betreffen und über die Zukunft der Betriebe bestimmen. Europa regelt zum Beispiel den Arbeitsschutz, Sozialversicherungsfragen und stellt Geld für den digitalen und ökologischen Umbau der Wirtschaft zur Verfügung.
Das macht Sinn: da Unternehmen sich frei im europäischen Markt bewegen können, hat dies Auswirkungen auf die Beschäftigten, ihre Arbeitnehmerrechte und die Sicherung ihrer Arbeitsplätze. Ein europäischer Arbeitsmarkt braucht daher auch europäische Regeln zum Schutz der Beschäftigten.
Nein. Denn Rechte von Arbeitnehmer*innen werden auch oft geschwächt und soziale Standards werden unterlaufen. EU-Sparauflagen verhindern noch viel zu oft Investitionen zur Sicherung von Beschäftigung. Auch in der Migrationspolitik legt die EU keine nachhaltigen und menschenwürdigen Konzepte vor. Meistens scheitern die Verbesserungen für Beschäftigte übrigens nicht am EU-Parlament, sondern an den Regierungen der EU-Staaten, die zusammen mit dem Parlament die EU-Gesetze verabschieden.
Globalisierung, Klimawandel und Digitalisierung stoppen nicht an Staatsgrenzen. Unsere Ziele – Wohlstand für alle, gerechte Vermögensverteilung, klimaneutraler Umbau, starke Arbeitnehmerrechte – erreichen wir nur, wenn die EU-Staaten an einem Strang ziehen. Und nur so können wir mit globalen Weltmächten wie den USA oder China mithalten.
25. Januar 2024
Datei herunterladenDie Arbeitswelt steht durch Digitalisierung und Klimawandel vor großen Umwälzungen. Damit der Übergang für Beschäftigte gut und gerecht ist, muss die EU strategisch wichtige Technologien und Infrastrukturen der Zukunft finanzieren. Wenn ein EU-Staat öffentliches Geld sinnvoll investieren möchte, um Arbeitsplätze zu sichern und Industriestandorte zu erhalten, darf dies nicht durch EU-Sparauflagen behindert werden. Grundsätzlich muss gelten: öffentliche Gelder gibt es nur bei Einhaltung von Tarifbindung und Guter Arbeit.
Wenn es zu Störungen in globalen Lieferketten kommt und etwa Einzelteile für bestimmte Produktionen nicht geliefert werden können, müssen Produktionen zurückgefahren werden. Dies kann Arbeitsplätze gefährden. Um Produktionen krisenfester zu machen, müssen die Bezugsquellen für Rohstoffe vielfältiger werden. Der Schutz von Beschäftigten und der Umwelt muss in Handelsabkommen der EU mit Drittstaaten mitgedacht werden.
Wachstum und Beschäftigung muss auch in den Regionen gestärkt werden. Dafür muss mehr Geld in die Regionen fließen. Besondere Unterstützung benötigen Regionen, die vom Strukturwandel betroffen sind – in denen also bisherige Branchen oder Industrien abgebaut und neue aufgebaut werden. Der Europäische Sozialfonds, der wertvolle Projekte zur Sicherung des Fachkräftebedarfs und zur Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung fördert, muss dringend mit mehr Geld ausgestattet werden.
Neben besseren Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen können Fachkräfte insbesondere durch Aus- und Weiterbildungsprogramme gewonnen werden. Wir fordern ein EU-weites Recht auf qualitative Weiterbildung und Ausbildung. Wer arbeitslos wird, muss gut abgesichert sein. Deshalb muss die EU in Form von Mindeststandards soziale Kriterien festlegen, die alle EU-Staaten in ihren Sozialversicherungssystemen berücksichtigen müssen. Die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz muss auf EU-Ebene vorangetrieben werden, insbesondere zum Schutz der Beschäftigten vor psychischen Belastungen. Die EU muss Motor für Gleichstellungspolitik bleiben.
Die Ausbeutung von Beschäftigten, die in einem anderen EU-Land arbeiten, muss endlich beendet werden. Dazu muss die EU effektive Möglichkeiten für grenzüberschreitende Arbeitskontrollen bereitstellen. Durch die Digitalisierung der Sozialversicherungsdaten kann außerdem der Datenaustausch zwischen den EU-Staaten erleichtert werden. Wenn Arbeitgeber Unterkünfte bereitstellen, etwa für Saisonarbeiter*innen, müssen diese menschenwürdig und gut ausgestattet sein. Beratungsangebote für grenzüberschreitende, mobile Beschäftigte müssen ausgebaut und gestärkt werden.
Damit Mitbestimmungsrechte nicht durch Standortverlagerungen von Unternehmen umgangen werden: Wir fordern klare EU-Regeln zum Schutz von Mitbestimmungsrechten auf betrieblicher und Unternehmensebene. Dazu müssen verbindliche EU-Regeln zur Unterrichtung, Anhörung und Unternehmensmitbestimmung festgelegt werden. Europäische Betriebsräte, die Stimme der Belegschaft in multinationalen Unternehmen, müssen gestärkt werden. Gewerkschaften müssen fest in die Gestaltung der europäischen Sozial- und Beschäftigungspolitik eingebunden werden.
Die EU begrenzt die Wochenarbeitszeit und hat Ansprüche auf Ruhezeiten, bezahlten Urlaub und Schutzmaßnahmen für Nachtarbeiter*innen ausgebaut.
Das oberste Europäische Gericht – der Europäische Gerichtshof EuGH – hat entschieden: Wenn Mutterschaftsurlaub und Urlaub als Betriebsferien zusammenfallen, dann geht der Mutterschaftsurlaub vor! Und du kannst den regulären Urlaub zu einer anderen Zeit nehmen.
Die Europäische Union schreibt vor, dass die Mindestlöhne in allen Mitgliedsstaaten der EU armutsfest sein müssen. Die Mindestlöhne müssen also so hoch sein, dass man angemessen davon leben kann. Ist dies nicht der Fall, kann die EU vertraglich gegen das Mitgliedsland vorgehen.
Darüber hinaus müssen alle Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass die Tarifbindung in ihrem Land bei mindestens 80 Prozent liegt und ansonsten einen Aktionsplan erstellen, um die Tarifverhandlungen zu fördern.
Wirst du als Beschäftigte*r in einem anderen EU-Land eingesetzt, musst du zum gleichen Tariflohn bzw. Mindestlohn bezahlt werden wie einheimische Arbeitskräfte; zum Beispiel im Baugewerbe oder in Montage-Berufen.
Als EU-Bürger*in musst du nur in einem Mitgliedsstaat Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Außerdem werden deine Beitragszeiten in anderen EU-Staaten angerechnet:
Beispiel Betragszeiten in der Rentenversicherung
Du warst nur 20 Jahre in Deutschland rentenversichert, hast dafür aber weitere 25 Jahre in Italien gearbeitet. Trotzdem kannst du von der "Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren" in Deutschland profitieren, weil du in beiden Ländern zusammen 45 Beitragsjahre gesammelt hast.
Wird dein Betrieb oder ein Teil des Betriebs aufgekauft, ist dein neuer Arbeitgeber dazu verpflichtet, mindestens ein Jahr lang die Arbeitsbedingungen, Verträge und Löhne aller Beschäftigten weiterzuführen.
Bevor es zu Massenentlassungen kommt, müssen Unternehmen die Arbeiternehmer-Vertretung und die zuständige Behörde rechtzeitig informieren: über die Zahl der betroffenen Beschäftigten sowie die Gründe und den Zeitraum der Entlassungen.
Viele wichtige Bestimmungen zur Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz in Deutschland stammen aus europäischer Gesetzgebung. Dazu gehören etwa Vorschriften zum sicheren Umgang mit krebserzeugenden Gefahrenstoffen oder dem Schutz vor Lärm.
Als EU-Bürger*in hast du einen Anspruch darauf zu erfahren, wie viel du im Vergleich zu deinen Kolleg*innen verdienst. Unternehmen ab 100 Beschäftigten müssen außerdem regelmäßig Daten zur geschlechterspezifischen Lohnlücke in ihren Unternehmen veröffentlichen. Wenn diese Lohnlücke zu hoch ist, muss der Arbeiter Abhilfe schaffen.
Europa stellt Deutschland über den Europäischen Sozialfonds (ESF+) Geld zur Verfügung, um Projekte zur Sicherung des Fachkräftebedarfs, zum Abbau von Benachteiligungen am Arbeitsmarkt und zur Reduzierung von Armut zu finanzieren.
Zwischen 2021 und 2027 stehen Deutschland dafür insgesamt 6,56 Milliarden Euro zur Verfügung.
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Arbeitgeber ein System zur Arbeitszeiterfassung vorsehen müssen. So sollen sie sicherstellen, dass die Beschäftigen Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten einhalten.
Bist du in der Ausbildung, kannst du mit Erasmus+ während der Ausbildung Praktika im Ausland absolvieren. Europa fördert also, dass du fachliche Kompetenzen und berufsbezogene Sprachkenntnisse erwirbst.
Um die negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie zu lindern, hat die Europäische Union selbst Schulden aufgenommen und das Geld an die Mitgliedsstaaten weitergegeben, um sie finanziell in der Krise zu unterstützen.
EU-weit wurden bis zu 100 Milliarden Euro an Darlehen bereitgestellt, um über Kurzarbeiterprogramme Arbeitsplätze zu sichern. Außerdem standen Deutschland 30 Milliarden Euro aus einem sogenannten "EU-Aufbaufonds" zu, um wichtige Weiterbildungs-, Digitalisierungs- und Klimaprojekte zu finanzieren.
Aufgrund des Klimawandels steht unsere Wirtschaft vor großen Herausforderungen: Um die EU-Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, müssen die Regierungen viel Geld in die Hand nehmen.
Es sind EU-Regeln, die definieren, wie stark sich ein Staat verschulden kann und wie sehr Regierungen einzelne Unternehmen unterstützen können.
Der europäische Binnenmarkt macht den Handel von Waren, Dienstleistungen und Kapital innerhalb der EU einfacher und günstiger. Da Grenzkontrollen und Zölle wegfallen, kurbelt der Binnenmarkt die europäische Wirtschaft an, fördert Investitionen und schafft Arbeitsplätze. Denn Deutschland wickelt rund 55 Prozent seines Handels, also mehr als die Hälfte!, innerhalb der Europäischen Union ab.
Das EU-Recht verhindert, dass Unternehmen bei einer Insolvenz ihren Sitz in einen anderen Mitgliedsstaat verlegen, um dort von günstigeren nationalen Gesetzen und Aufl agen zu profitieren.
Insolvenzen müssen immer dort durchgeführt werden, wo der Betrieb tatsächlich aktiv war.
Längst sind viele Unternehmen international aufgestellt. Urplötzlich wird der Abbau von Stellen an einem europäischen Standort oder die Verlagerung von Produktionen verkündet.
Um die Beschäftigten frühzeitig über diese großen Veränderungen zu informieren und sie in die Entscheidung darüber einzubinden, gibt es derzeit circa 1.200 aktive "Euro-Betriebsräte" – sie sorgen dafür, dass die Belegschaft Einfluss auf Entscheidungen in multinationalen Unternehmen hat.
01. April 2024
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